Cool war gestern - der Imagewechsel der Zigarette in Hollywood

von Frank-Michael Helmke / 12. Juli 2009

20.10.2002 - Das Anti-Raucher-Syndikat in Hollywood hat dazu gelernt. Kämpfte man jahrzehntelang mit offener Entrüstung gegen das Image des unnahbaren Cowboys und des muskulösen Action-Helden, der ohne Kippe zwischen den Lippen einfach nicht vollständig war (der Marlboro-Mann lässt grüßen), und erntete für diese müden Proteste von der Öffentlichkeit nur Ignoranz (woran auch der auffällig publizierte Lungenkrebs-Tod des original Marlboro-Manns nichts ändern konnte), arbeitet man heutzutage mit subtileren Mitteln. Denn während die Plots üblicher Hollywood-Schinken immer einfacher und durchschaubarer werden, die Figuren immer oberflächlicher und simpel, strebt die Anti-Nikotin-Bewegung in die andere Richtung. Die unterschwellige Botschaft, die sich unbemerkt mit dem Bildersturm in den Kopf des Zuschauers spült und dort festsetzt, wird nun benutzt, und die Glimmstengel beinahe unbemerkt anderen Leuten zwischen die Lippen geschoben. Vorbei die Zeiten, als Will Smith seinem Kampfgefährten Jeff Goldblum in "Independence Day" die Wichtigkeit einer dicken Zigarre erläuterte und seinem bis dahin militant umwelt- und gesundheitsschützenden (und ergo stinklangweiligen) Kompagnon endlich die nötige Coolness verpasste. Im Action-Kino 2002 raucht nur der Bösewicht - und findet dadurch schneller den Tod, als es die schlimmsten Lungenkrebs-Diagnosen prophezeien würden.
Schon seit sich "Titanic"-Diamantensucher Bill Paxton im Moment des vermeidlichen Triumphs eine dicke Havanna anstecken wollte und dann konsequenterweise erfolglos blieb deutete sich dieser Trend an, der sich dieses Jahr verdichtete wie der Qualm in Arnold Schwarzeneggers Zigarren-Club: Anfang des Sommers war es der Zigarettenanzünder (nicht die Motorzündung) in der Nobelkarosse des schwerreichen und kettenrauchenden Drahtziehers, der in "Der Anschlag" die Autobombe auslöste und den Abgang des Schurken besiegelte. Und im neuen Action-Kracher "Triple X" ist es wieder das leidige Lungenteer-Laster, dass einem der Fieslinge den verfrühten Filmtod beschert: Mit einem Scharfschützengewehr hinter guter Deckung verschanzt, gönnt sich der Nikotin-Narr eine wohlschmeckende Fluppe, und hat kurz darauf eine Wärmelenkrakete aus Vin Diesel's Bazooka im Gesicht.

Seit dem letzten Auftritt von Bruce Willis als Raucher-Ikone John McClane in "Stirb langsam 3" scheinen sich die Zigaretten unmerklich aber stetig aus den Mundwinkeln der trocken One-Liner in die Kamera nuschelnden Action-Helden dieser Welt verabschiedet zu haben. Damit ist nicht nur die Aussprache und allgemeine Verständlichkeit gestiegen (womit die One-Liner auch garantiert ankommen), dieser Trend steht auch sinnbildlich für den neuen Typus von Krawumm-Protagonist. Sympathische, aber chronisch versoffene Figuren wie McClane sind nicht mehr gefragt, der Posterboy von heute besticht durch hundertprozentige Fitness, die er gerne beim Freeclimbing demonstriert, oder ehrfurchterbietende Waghalsigkeit, wie sie in ihrer Coolness auch aus einem der momentan verstärkt laufenden "… doesn't smoke"-Spots stammen könnte. Die Kippe ist bei solchen Heroen nicht mehr zeitgemäß, der Glimmstengel stört schließlich beim Snowboarden und Flikflaks schlagen ebenso wie beim beidhändigen 45er-Ballern.

Das Rauchen übernehmen in heutigen Blockbustern nur noch die bösen Jungs - und damit ist den kreativen Effektebastlern wieder eine neue Tür geöffnet. Konnte man bisher aus dem genüsslichen Schmauchen kein Kapital schlagen - vor allem, wenn der Held beim verbalen Sparring mit dem Obergauner vielleicht sogar eine gemeinsame Fluppe wegpaffte - kann man sich mit der schlechten Angewohnheit schlechter Menschen jetzt richtig austoben. Und die Anti-Raucher-Liga - die neuerdings auch New Yorks regierenden Bürgermeister Mike Bloomberg zu ihrer Gefolgschaft zählt, ließ dieser doch kürzlich die Packungspreise in seiner Stadt auf sieben Dollar erhöhen und will nun auch ein Rauchverbot in sämtlichen öffentlichen Gebäuden durchsetzen - frohlockt über diese beste aller Image-Kampagnen. Verfielen früher begeisterte Kino-Zuschauer noch der Nikotinsucht, weil sie so cool sein wollten wie Bruce Willis, ist jetzt der gegenteilige Effekt erreicht: Wer cool ist, raucht nicht nur nicht, nein, er bringt die Qualmer auch noch mit Hilfe ihres eigenen Lasters um die Ecke. Rauchen schadet der Gesundheit jetzt auch im Kino, dafür aber wesentlich schneller. That's entertainment.


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