Der deutsche Filmpreis "Lola" 2007

von Patrick Wellinski / 1. September 2010

 

 Die Lola rennt wieder - Nominierte & Favoriten für den deutschen Filmpreis 2007

Am. 4. Mai findet in Berlin die diesjährige Verleihung des Deutschen Filmpreises statt, der seit 1999 offiziell "Lola" heißt. Die nahe liegende Interpretation dieser Umbenennung war der Bezug auf den furiosen Erfolg von Tom Tykwers "Lola rennt", um aufzuzeigen, dass das deutsche Kino nach einer Durststrecke in den 90ern wieder international mithalten kann. Die andere Deutung des Namens verweist auf eine andere Hochzeit des deutschen Kinos: "Lola" war der Name von Marlene Dietrichs erster großer Kinorolle in Josef von Sternbergs "Der blaue Engel" (1930). Doch ein anderes Datum ist von weitaus größerer Wichtigkeit, wenn es um den begehrten Filmpreis geht: Der 8. September 2003. An diesem Tag wurde in Berlin nämlich die Deutsche Filmakademie e.V. gegründet. Von nun an sollte dieser circa 800 Mitglieder umfassende Verein die Preise vergeben. 
Bernd Eichinger hatte den Traum einer deutschen Variante der amerikanischen "Academy of Motion Picture Arts and Sciences", mit der Lola als Pendant zum Oscar. Genauso schillernd und begehrt wie der Goldjunge aus den USA sollte sie sein. Aber die Lola ist vor allem ein Förderpreis. Allein schon die Nominierung bringt dem Film ganze 250.000 Euro ein, der Gewinn des Hauptpreises verdoppelt das Ganze nochmal. Das Geld fließt aber nicht auf die Konten der Filmschaffenden, sondern ist für die Verwirklichung des nächsten Kino-Projektes zu nutzen. Ein gutes Beispiel ist Detlev Buck. Das Geld, das er letztes Jahr für "Knallhart" gewann, investierte er sofort in seinen Kinderfilm "Hände weg von Mississippi", und der ist dieses Jahr in der Sparte bester Kinderfilm nominiert (es sollte allerdings erwähnt werden, dass das Geld an die Produktionsfirma geht und nicht an den Regisseur. Die Firmen sind nicht verpflichtet, weiter mit demselben Regisseur zusammen zu arbeiten - da Buck allerdings seine eigene Produktionsfirma hat, stellt sich diese Frage bei ihm nicht). Ein Musterbeispiel für den Förderkreislauf, den man sich wünscht.

Doch ganz ohne Schwierigkeiten ging der Wandel zur Akademie nicht von statten. Vor der Akademie wurde der am höchsten dotierte deutsche Kunstpreis vom amtierenden Kulturstaatsminister/in und einer zwölfköpfigen Jury verliehen, die unter anderem mit Kinobetreibern, Schauspielern, Journalisten und auch Bundestagsabgeordneten besetzt war. Auch ein Vertreter der Deutschen Bischofskonferenz gehörte dazu. Die Verleihung des Preises durch eine Akademie, der ausschließlich Filmschaffende angehören, rief zahlreiche Proteste hervor. Die Befürchtung war, dass jetzt nur noch großbudgetierte Produktionen in den Genuss des Preises kommen würden. Dies hat sich leider zum Teil bestätigt. Und den Glanz eines Oscars hat die Lola auch noch lange nicht erreicht. 
Das hat man schon bei der Live-Übertragung zur Verkündung der diesjährigen Nominierten im ZDF-Frühstücksfernsehen deutlich gemerkt. Anwesend, um die Nominierten zu verkünden, waren Akademie-Präsidentin Senta Berger und Kulturstaatsminister Bernd Neumann. Die Moderatoren des Frühstücksfernsehens hatten Popcorn und Salzstangen (warum?) auf dem Tisch stehen und dieser stand natürlich auf einem roten Teppich. Festlich sollte es werden, doch dem war nicht wirklich so. Angefangen bei den Moderatoren, deren substanzlose Fragen die beiden Gäste deutlich verunsicherten. So musste Senta Berger die Akademie einmal verteidigen und erklären, warum das "Sommermärchen" und der zweite Teil der "7 Zwerge" gar nicht in die Vorauswahl kamen (Sönke Wortmanns Film durfte nicht mitmachen, da er eine Fernsehproduktion war und auch schon im TV lief, und die "7 Zwerge" wurden von den Produzenten gar nicht erst eingereicht), und Bernd Naumann durfte mit langer Bedenkzeit sagen, dass Joachim Krol, Ulrich Mühe und Ulrich Matthes seine Lieblingsschauspieler seien. Dann wurden abwechselnd die Nominierten verlesen. Doch die Namen bzw. die Filme wurden für den Zuschauer nicht eingeblendet, noch sonst wie kenntlich gemacht. Die Bildregie blendete ab und zu die falsche Kategorie ein, und als sich Frau Berger dann auch noch verlesen hat, war die Verwirrung komplett. Nach einem Nachrichtenblock und dem Wetter (was den Eindruck der Festlichkeit im Keim erstickte), wurde auch noch ein Filmquiz "Kennen Sie diese Musik" gespielt, bevor die weiteren Kategorien vorgestellt wurden. Mit Glanz und Glamour hatte das nun wirklich nichts zu tun.

An dieser Stelle könnte man versuchen, dieses bürokratische Monster aus Vorauswahlkommissionen und Einreichungsterminen zu erklären, das schließlich die endgültige Nominiertenliste hervorbringt, aber das ist ungefähr so einfach wie eine 100-prozentig schlüssige Interpretation eines David Lynch-Films. Also kommen wir einfach direkt zu den Nominierten. Mit jeweils acht Nennungen (bei insgesamt 15 Kategorien) führen Tom Tykwers "Das Parfum" und Chris Kraus' "Vier Minuten" die Liste an. Die Plätze zwei und drei fallen an Stefan Ruzowitzkys "Die Fälscher" (sieben) und die bayrische Heimatkomödie "Wer früher stirbt, ist länger tot" (fünf Nominierungen). Großartige Filme wie "Lucy", "Sehnsucht", "Falscher Bekenner", "Verfolgt", "Sommer 04" und "Pingpong" (meist Vertreter der so genannten 'Berliner Schule') wurden bei der Vorauswahl nur marginal berücksichtigt oder erst gar nicht genannt. 
Aber so etwas hat sich schon angedeutet, als im Januar Akademie-Mitglied Günther Rohrbach in einem furchtbar polemischen Artikel im SPIEGEL die Filmkritiker als Autisten darstellte und fragte, ob diese denn nicht den Kontakt zum Kinozuschauer verloren hätten, wenn verrissene Filme wie "Das Parfum" fünf Millionen Besucher anlocken und hoch gelobte Filmperlen wie "Sehnsucht" nicht mal 30.000. Und so sucht man Valeska Grisebachs Film vergebens unter den Anwärtern, wogegen Bernd Eichinger mit einigen Preisen rechnen kann. Aber wer braucht die Auszeichnungen mehr? Die Frage ist eigentlich keine, denn die Antwort liegt auf der Hand. Branchenriese Bernd Eichinger wird bei de Finanzierung seiner kommenden Großprojekte wohl kaum Schwierigkeiten haben. Für Regisseure wie Grisebach hingegen, die für die Finanzierung eines neuen Projekts so viel größere Anstrengungen unternehmen müssen, könnte schon eine Nominierung den entscheidenden Existenzunterschied ausmachen. Kein Geld, kein Film - diese Gleichung ist einfach.
Günter Rohrbachs Artikel als Lobbyarbeit zu enttarnen war keine große Schwierigkeit. Denn in so einer Akademie geht es natürlich auch um das Prestige von großen Verleihern. Besonders dann, wenn diese 2003 eine Ohrfeige bekamen, da nicht das groß gehypte Hitler-Drama "Der Untergang" gewann, sondern Dany Levys schlitzohriger "Alles auf Zucker". Die langen und ungläubigen Gesichter von Bernd Eichinger und Co. an diesem Abend können mit dem von Eddie Murphy bei der diesjährigen Oscarverleihung konkurrieren. 
Auffällig ist dieses Jahr, dass besonders die Filme aus Bayern dieses mal dominieren. Ein Trend, den schon Florian Henckel von Donnersmarck bei seiner Oscar-Dankesrede - "Ich danke Bayern" - erkennen ließ. Interessant ist auch, dass Dany Levys "Führer"-Komödie nur in einer Kategorie nominiert wurde. Nach Levys offenem Brief an sein Publikum (nach einer Welle von Verrissen forderte er die potentiellen Zuschauer auf, sich Filme nicht von Kritikern vermiesen zu lassen), der breiten Zuspruch bei Schauspielern und Produzenten geerntet hatte, hätte man mehr Nominierungen erwartet. Vielleicht hatten die Kritiker aber eben doch recht, und im stillen Kämmerlein hinter verschlossenen Türen haben das auch die Akademie-Mitglieder eingesehen. 
Schauen wir uns die wichtigsten Kategorien genauer an:

Beste darstellerische Leistung - weibliche Hauptrolle

Alle drei nominierten Frauen bringen schauspielerische Leistungen auf höchstem Niveau. Erstaunlich ist, dass zwei von ihnen gleich für ihr Leinwanddebüt für den höchsten deutschen Filmpreis nominiert wurden. Hannah Herzsprung ist die neue große Schauspielhoffnung und in "Vier Minuten" spielte sie sich schnell in die Herzen der Zuschauer; Jördis Triebel war in "Emmas Glück" ebenfalls eine wahre Entdeckung. Doch die beiden jungen Damen müssen der arrivierten Monica Bleibtreu (ja, sie ist die Mutter von Moritz Bleibtreu) an diesem Abend wohl den Vortritt lassen. Die alte verbitterte Klavierlehrerin, die ihrer tragischen Jugendliebe noch ein halbes Jahrhundert hinterher trauert, verkörpert sie furios. Mit tonnenweise Make-Up und dem berühmten Mut zur Hässlichkeit ist Monica Bleibtreu die sichere Siegerin in dieser Kategorie. Drüben in Hollywood gibt es für solch eine Leistung den Oscar, hier eben die Lola.

Monica Bleibtreu ("Vier Minuten")
* Hannah Herzsprung ("Vier Minuten")
*Jördis Triebel ("Emmas Glück")

Beste darstellerische Leistung - weibliche Nebenrolle

Zwar geht Frau Herzsprung in der Kategorie der weiblichen Hauptrolle wahrscheinlich leer aus, aber ganz ohne Preis geht sie nicht nach Hause, denn sie tritt ohne nennenswerte Konkurrenz in der Nebendarstellerinnen-Kategorie an. Sabine Timoteo hat einen tollen, aber wohl zu kurzen Auftritt in "Ein Freund von mir", und Barbara Auer in dem noch nicht in den Kinos angelaufenen Film "Liebeswunsch" darf sich über die Nominierung freuen, mehr aber auch nicht.

* Barbara Auer ("Der Liebeswunsch")
Hannah Herzsprung ("Das wahre Leben")
Sabine Timoteo ("Ein Freund von mir")

Beste darstellerische Leistung - männliche Hauptrolle

Bei den Männern ist es mit einer Vorhersage schon viel schwieriger. Alle drei Schauspieler liefern in den Filmen eine tour de force ab. Ob Joseph Bierbichler als betrogener bayrischer Kleinfirmenbesitzer, Jürgen Vogel als Vergewaltiger oder auch der wunderbare Karl Markovic als Geldfälscher in Sachsenhausen. Markovics Chancen werden sicherlich dadurch noch profitieren, dass "Die Fälscher" gerade erst in den Kinos angelaufen ist, andererseits wurde Jürgen Vogel schon auf der Berlinale und auf dem Tribeca-Filmfestival in den USA für seine sehr gewagte Rolle ausgezeichnet. Bierbichler fällt da etwas ab, und so gibt es wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Vogel und Markovic, das Jürgen Vogel wahrscheinlich gewinnen wird, obwohl es Markovic eher verdient hätte.

* Josef Bierbichler ("Winterreise")
* Karl Markovic ("Die Fälscher")
Jürgen Vogel ("Der freie Wille")

Beste darstellerische Leistung - männliche Nebenrolle

In dieser Kategorie stehen sich ein SS-Offizier, Joseph Goebbels und ein verklemmter Dorfpolizist gegenüber. Eigentlich gelten alle Sympathiepunkte Hinnerk Schönemann, der in "Emmas Glück" wirklich hinreißend ist. Aber das Rennen entscheidet sich zwischen dem Kino-Comeback von Sylvester Groth und dem neuen Leinwand-Liebling Devid Striesow. Wahrscheinlich hat Groth die besseren Chance, da Comebacks gerne in der Filmwelt mit einem Preis ausgezeichnet werden, da unterscheidet sich Deutschland gar nicht von Hollywood, aber Striesows Leistung ist nun mal viel besser, und so sollte er sich über eine Lola freuen. Sollte es nicht so weit kommen, wird er vielleicht nächstes Jahr für seinen Auftritt in Christian Petzolds "Yella" einen Preis bekommen. 

* Sylvester Groth ("Mein Führer - die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler")
* Hinnerk Schönemann ("Emmas Glück")
Devid Striesow ("Die Fälscher")

Beste Regie

Eine der wenigen Kategorien, in der es eine größere Nominierten-Auswahl gibt. Aber man sollte sich nicht allzu viele Gedanken machen, denn Marcus H. Rosenmüllers Debüt war erfrischend und Matthias Glasners "Der freie Wille" glänzte durch einen radikalen Mut, aber gegen Chris Kraus und seine visionäre Umsetzung von "Vier Minuten" kommt nicht mal Tom Tykwer an. Die Sache sollte klar sein, alles andere wäre eine Frechheit.

* Matthias Glasner ("Der freie Wille")
Chris Kraus ("Vier Minuten")
* Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot")
* Tom Tykwer ("Das Parfum")

Programmfüllende Spielfilme

Im Gegensatz zum Oscar wird in der Hauptkategorie nicht nur ein Film prämiert, sondern drei. Zwei bekommen die silberne Lola und einer - der eigentliche Gewinner - bekommt die begehrte Lola in Gold (und entsprechend mehr Fördergelder). Letztes Jahr durfte sich Florian Henckel von Donnersmarcks "Das Leben der Anderen" über den Preis freuen, ein Siegeszug, der bekanntermaßen erst Anfang Februar bei der Oscar-Verleihung endete. Diesmal sollte der ebenfalls junge Regisseur Chris Kraus und seine Produktionsfirma ausgezeichnet werden. "Vier Minuten" besticht nicht nur durch eine ausgewogene und unheimlich detaillierte Figurenzeichnung, sondern auch durch seine künstlerische Umsetzung. Leider wird es sich nicht vermeiden lassen, dass auch "Das Parfum" mit wenigstens einer silbernen Lola ausgezeichnet wird. Neben dem Eichinger-Projekt sollte noch der Nazi-Krimi "Die Fälscher" zu Ehren kommen.

*"Emmas Glück"
"Die Fälscher" silber
"Das Parfum" silber
"Vier Minuten" gold
* "Wer früher stirbt, ist länger tot"
*"Winterreise"

Die weiteren Nominierten in den verbleibenden Kategorien. Unsere Favoriten sind jeweils gefettet:

Programmfüllende Dokumentarfilme:
"Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez"
* "Workingman's Death"

Programmfüllende Kinder- und Jugendfilme:
"Hände weg von Mississippi"
* "Die Wolke"

Beste Kamera/Bildgestaltung:
* "Das Parfum"
"Vier Minuten"
* "Die Fälscher"

Bester Schnitt:
* "Das Parfum"
* "Wer früher stirbt, ist länger tot"
"Vier Minuten"
* "Der Liebeswunsch"

Bestes Szenenbild:
* "Das Parfum" 
* "Hände weg von Mississippi" 
"Die Fälscher"

Bestes Kostümbild:
* "Schwere Jungs" 
* "Die Fälscher" 
"Das Parfum"

Beste Filmmusik:
"Wer früher stirbt, ist länger tot" 
* "Das Parfum" 
* "Ich bin die andere"

Beste Tongestaltung:
* "Emmas Glück" 
"Das Parfum" 
* "Vier Minuten"

Bestes Drehbuch:
"Vier Minuten" 
* "Wer früher stirbt, ist länger tot" 
* "Die Fälscher"

 

Am vergangenen Freitag, dem 4. Mai, war es dann endlich soweit. Der deutsche Filmpreis, die Lola, wurde in Berlin vergeben. Die Gala hat überraschenderweise jegliche Bedenken über den Glamour-Faktor dieser Veranstaltung aus dem Weg geräumt. Der Gastgeber Michael "Bully" Herbig führte in gewohnt lustiger Manier durch den Abend mit selbstsicheren Laudatoren, und sogar der Bildregie kann man keinerlei Vorwürfe machen. Alles in allem gelang den Veranstaltern eine lupenreine Kopie einer Oscar-Verleihung. Dies war nach der peinlichen Nominierungszeremonie im Frühstücksfernsehen (wir berichteten) nicht wirklich zu erwarten. 
Die Verleihung hatte sogar wahre emotionale Höhepunkte zu bieten. Als Monica Bleibtreu den Preis für die beste weibliche Hauptdarstellerin gewann und der ganze Saal anlässlich ihres Geburtstags für sie sang, war das richtig ergreifend. Vor allem auch weil die Kamera ihren Sohn Moritz Bleibtreu zeigte, der seine Tränen nicht mehr bremsen konnte. Oder als Mario Adorf eine tolle Laudatio auf seinen langjährigen Freund und Wegbegleiter Armin Müller-Stahl hielt, der an diesem Abend die Lola für sein Lebenswerk erhielt. Diese beiden alten aber dennoch äußerst vitalen Männer des deutschen Kinos auf der Bühne zu sehen, zeigte sehr eindringlich, dass es auch noch deutsche Schauspieler gibt, die sowohl national als auch international sehr erfolgreich sind.
Doch leider hatte auch die Verleihung einen etwas bitteren Beigeschmack, der sich auch nicht durch noch so viel Glamour beheben lässt. Es war erstaunlich wie sehr die Presse zwei Tage vor der Vergabe der Preise gegen die Methoden der Akademie wetterte. Allgemein wurden sowohl das umstrittene Abstimmungsverfahren als auch die Akademie an sich kritisiert. Diesem Tenor schlossen sich auch einige sehr renommierte Filmschaffende an. Zum Beispiel unterstellte der Dokumentar-Regisseur Andreas Veiel der Akademie und ihren Mitgliedern Profillosigkeit, Hans Weingärtner ("Die fetten Jahre sind vorbei") , seines Zeichens selber Akademie-Mitglied, gab zu, dass man an der Nominierungspolitik durchaus noch arbeiten müsse. Schließlich meldete sich Fatih Akin ("Gegen die Wand") zu Wort. Er war vor einem Jahr aus der Akademie ausgetreten. Der deutsch-türkische Regisseur, dessen neuster Film "Auf der anderen Seite" im diesjährigen Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes laufen wird, bemängelte, dass die meisten Mitglieder die Filme zu Hause auf DVD gucken würden und so die Qualität dieser Kino-Filme nicht angemessen bewerten könnten. Wahre Worte.
Das Ergebnis der Verleihung wird von der Akademie denn auch als großer verteidigender Beweis geführt, dass man sich gar nicht so sehr dem Kommerz verkauft habe, wie kolportiert wurde. Mit dem Hauptpreis der Goldenen Lola für Chris Kraus' sehr gutes Gefängnisdrama "Vier Minuten" soll darüber hinweggetäuscht werden, dass bei den Nominierungen eine ganze bedeutende Strömung im deutschen Kino, nämlich die Berliner Schule, übergangen worden ist. 
Auch der erstaunliche Konsens, mit dem am Freitag alle Lolas in den technischen und gestalterischen Kategorien an Tom Tykwers Mega-Produktion "Das Parfum" gingen, war für viele Berichterstatter ärgerlich (auch wenn man zugeben muss, dass in diesem Falle viel Aufwand eben auch zu viel Klasse führte). Die eigentliche Überraschung und der heimliche Sieger des Abends war jedoch Marcus H. Rosemüllers Publikumsliebling "Wer früher stirbt, ist länger tot": Neben der Lola in Silber für den besten Film hinter "Vier Minuten" gab es auch noch die Preise für Regie, Drehbuch und Musik. Andere Außenseiter wie "Der freie Wille" (der vielleicht einzige nominierte Film mit einem experimentellen Charakter) oder auch "Die Fälscher" (sträflich abgefertigt mit nur einer Lola für Devid Striesow als bester Nebendarsteller) blieben allerdings weitgehend auf der Strecke.
Neben all den bewegten, erfreuten oder auch enttäuschten Gesichtern und auch neben den großen und kleinen Dankesreden darf nicht vergessen werden, dass sich der deutsche Filmpreis, also die Lola, von anderen nationalen Filmpreisen wie dem französischen Cesar oder auch dem amerikanischen Oscar unterscheidet, Hier sind die Preise mit hohen Geldsummen dotiert. Die Lola, das sei an dieser Stelle noch mal gesagt, ist ein Förderpreis, der auf Steuergeldern basiert. Und hier liegt das ganze Konstruktionsproblem der Akademie. Wenn sich die Branche selber feiert, ist dagegen prinzipiell nichts einzuwenden, doch wenn sie dann auch noch selber entscheiden darf, an wen das Geld geht und dann gut situierte Blockbuster ausgezeichnet werden, während Filme mit Etats kleiner als die Catering-Kosten von "Das Parfum" völlig übergangen werden, muss man leider den mahnenden Zeigefinger heben. Das geht so leider nicht und hier könnte ja vielleicht Hans Weingärtners Vorschlag greifen. Er plädiert für ein doppeltes Vergabesystem: "Die Lola als populärer Filmpreis nach dem Vorbild der Oscars. Und der mit öffentlichen Geldern verbundene Filmpreis als Förderpreis für den künstlerisch oder thematisch innovativen Film". Eine Forderung, die unbedingt Gehör finden sollte, auch bei der noch jungen Akademie mit ihren 900 Mitgliedern. Die will nach eigenen Angaben aber erstmal noch ihr Profil finden. Das reicht aber leider nicht.

Die Sieger des deutschen Filmpreises 2007 im Einzelnen:

Lola in Gold (Bester Film):
"Vier Minuten" (Regie: Chris Kraus)

Lola in Silber (Bester Film):
"Das Parfum" (Regie: Tom Tykwer) &
"Wer früher stirbt, ist länger tot" (Regie: Markus H. Rosenmüller)

Beste weibliche Hauptrolle:
Monica Bleibtreu ("Vier Minuten")

Beste männliche Hauptrolle:
Josef Bierbichler ("Winterreise")

Beste weibliche Nebenrolle:
Hannah Herzsprung ("Das wahre Leben")

Beste männliche Nebenrolle:
Devid Striesow ("Die Fälscher")

Bester Dokumentarfilm: 
"Workingman's Death" (Regie: Michael Glawogger)

Bester Kinder- und Jugendfilm: 
"Hände weg von Mississippi" (Regie: Detlev Buck)

Beste Regie: 
Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot")

Bestes Drehbuch: 
Christian Lerch, Marcus H. Rosenmüller ("Wer früher stirbt, ist länger tot")

Beste Kamera/Bildgestaltung: 
Frank Griebe ("Das Parfum")

Bester Schnitt: 
Alexander Berner ("Das Parfum")

Bestes Szenenbild: 
Uli Hanisch ("Das Parfum")

Bestes Kostümbild: 
Pierre-Yves Gayraud ("Das Parfum")

Beste Filmmusik: 
Gerd Baumann ("Wer früher stirbt, ist länger tot")

Beste Tongestaltung: 
Stefan Busch und Kollegen ("Das Parfum")


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