Ein neuer Anfang ... - Jetzt auch auf DVD: "Star Trek - Deep Space Nine" - Sechste Staffel

von Frank-Michael Helmke / 13. August 2011

Wie am Ende der Rezension zur fünften Staffel schon gesagt: Spätestens ab dem sechsten Jahr schrieb "Deep Space Nine" nur noch TV-Geschichte. Was sich hier an epischen Storylines, großartiger Dramatik und vollkommener Brillanz auf allen ebenen von der Erzählung bis hin zur schauspielerischen Umsetzung entfaltete, war und ist schlichtweg atemberaubend. Und das fängt schon zu Beginn der sechsten Season an: Nach der Evakuierung der Station am Ende von Staffel 5 folgt hier ein Storybogen über sechs Episoden, der gleichzeitig den Krieg außerhalb der Station als auch die wachsende Widerstandsbewegung auf Deep Space Nine dokumentiert, und dabei (bis auf den etwas schwachen Durchhänger "Söhne und Töchter") so intensiv, spannend und mitreißend erzählt, dass sich der Trek-Fan zurecht im Nirvana des Qualitätsfernsehens wähnt. Stiller Höhepunkt: Die zweite Folge "Entscheidungen" (Rocks and Shoals), in der die Defiant mit einem Jem Hadar-Schiff auf einem kargen Planeten strandet und sich ein grandioses Kriegsdrama über Ehre unter Soldaten entwickelt, das zudem viel für die Persönlichkeit der latent identitätslosen Jem Hadar tut, und eine der Kernbotschaften der so beeindruckend ambivalenten Betrachtung des Themas Krieg in dieser Serie unterstreicht: Selbst bei bestem und ehrenvollstem Willen gibt es Situationen, in denen "das Richtige tun" einfach keine praktische Option mehr darstellt. In kleinen, markanten Geschichten betont "Deep Space Nine" das Grauen des Krieges.
An der allgemein schlechten Lage hat sich dabei für die Föderation allerdings auch nichts geändert: Man steht permanent am Rande einer verheerenden Niederlage gegen das Dominion, und auch die spektakuläre Rückeroberung der Station inklusive Aufhalten der bereitstehenden Invasionsflotte auf der anderen Seite des Wurmlochs am Ende des eröffnenden Sechsteilers gelingt nur in letzter Sekunde - und mit quasi göttlicher Intervention.
Bedrohung gibt es dabei nicht nur von außen, sondern bald auch von innen: In "Inquisition" wird sehr effektvoll die mysteriöse, geheimbundartige Sektion 31 und ihr undurchschaubarer Anführer Sloane eingeführt, eine Gruppe, die für den Rest der Serie noch viel Ärger bereiten wird. Die bei Star Trek immer superb ausgeführte Methode, den Zuschauer gemeinsam mit dem jeweiligen Hauptcharakter der Folge (diesmal der der Spionage bezichtigte Doktor Bashir) konsequent in die Irre zu führen, gelingt auch hier perfekt, und wirft gleichzeitig die interessante ethische Frage auf, wie weit man in Krisenzeiten wie diesen zu gehen bereit ist - welche Mittel tatsächlich vom Zweck geheiligt werden. Gerade in Kombination mit dem folgenden "Im fahlen Mondlicht" eine beeindruckende Episode mit Nachhall. Diese "Im fahlen Mondlicht" wiederum ist vielleicht eine der großartigsten Trek-Folgen überhaupt, und sicherlich mit die beste Schauspielarbeit, die der famose Avery Brooks in dieser Serie geleistet hat. Auch hier startet man mit den besten Absichten: Um die Romulaner in den Krieg zu holen und so eine realistische Chance gegen das Dominion zu haben greift Sisko auf die Hilfe des konspirativ so begabten Garak zurück - und verliert dabei schneller als erwartet die Kontrolle der Situation aus seinen Händen. Eine beklemmende Geschichte über die einsamen Entscheidungen eines Kommandanten: Hinten dem Rücken all seiner vertrauten Offiziere muss Sisko den größten moralischen Kampf seiner Karriere ausfechten - eine Schlacht, die er nicht gewinnen kann.
Hoffnung für die Sternenflotte sieht auch eine Gruppe von genetisch verbesserten Menschen in "Statistische Wahrscheinlichkeiten" nicht, die aus ihrer psychiatrischen Anstalt für kurze Zeit auf Deep Space Nine verlegt werden, um den ebenfalls genetisch manipulierten Doktor Bashir zu treffen - und sich dort plötzlich mit ihren überlegenen Fähigkeiten als brillante Kriegsanalytiker entpuppen. Diese manchmal fast schon skurrile, ebenso komische wie beängstigende Star Trek-Irrenhaus-Show ist ein weiterer Höhepunkt dieser hervorragenden Staffel und betont gleichzeitig jene Weisheit, welche jede Analyse halbgar zurücklässt: Menschliche Gefühle und ihre Auswirkungen lassen sich nicht berechnen.
Die wohl beeindruckendste Episode der Staffel ist jedoch ganz sicher "Jenseits der Sterne", eine der von der Haupt-Storyline mehr oder weniger unabhängigen "Stand alone"-Folgen, in der Captain Sisko sich in die Existenz des SciFi-Schriftstellers Benny Russell im Amerika der 40er Jahre hineinträumt, der dann wiederum die Geschichte von Deep Space Nine erfindet. Abgesehen von der außergewöhnlichen Freude, alle Stamm-Darsteller der Serie einmal ohne ihr Make-Up als Akteure in Siskos Fantasie sehen zu können, liefert "Jenseits der Sterne" einen der besten Beiträge zu der großen Trek-Tradition von Parabeln über die tatsächliche Menschheitsgeschichte. Eine schon fast philosophische Story, die vor allem eine Huldigung des eigenen Genres und Star Trek's Position darin ist: Science Fiction, die eine Utopie der Zukunft zeichnet, in der sich die Menschheit tatsächlich von den meisten ihrer Übel - sei es Armut, Intoleranz oder Unterdrückung - befreit hat.
Bei so viel bitteren und dunklen Tönen ist ein wenig Auflockerung bitter nötig, und auch hier liefert die sechste Staffel wieder großartiges Material ab: Von der spaßigen Hochzeitsfolge "Klingonische Tradition" über "Das winzige Raumschiff" (wo die "geschrumpften" O'Brien, Bashir und Dax eine von Jem Hadar gekaperte Defiant befreien müssen) hin zu "Der großartige Ferengi", die wohl beste Ferengi-Folge der ganzen Serie, mit Punk-Legende Iggy Pop als Vorta. Auch beim Comedy-Faktor liefert diese Staffel also mit die besten Episoden der ganzen Serie, und toppt den Unterhaltungslevel mit der Einführung des sympathischen Hologramm-Crooners Vic Fontaine, der in "Auf seine Art" dem steifen Odo endlich ein bisschen Coolness und die richtige Methode beibringt, um Kiras Herz endgültig für sich zu gewinnen.
Auch die verbleibenden Episoden der sechsten Season stehen weit über Mittelmaß, wie das Tribut an den ebenso beliebten wie schweigsamen Stammgast des Quark's in "Wer trauert um Morn?", das packende Psycho-Kammerspiel "Das Gute und das Böse" oder das etwas überzogene, aber dennoch hoch spannende Teenager-Kriegsdrama in "Valiant".

Das einzige, was an dieser fast durch und durch perfekten Staffel nicht stimmt, ist das Ende: "Die Tränen der Propheten" markiert den wohl schwächsten Saisonabschluss der ganzen Serie, bedingt durch die notwendigen Änderungen für den Abtritt von Terry Farrell: Die Darstellerin von Jadzia Dax war damals nicht zu einem Verbleib für die letzte Staffel zu überreden. Eine Entscheidung, die außer ihr wohl niemand verstanden hat, und ihrer Karriere genauso wenig half wie der Serie. Die dramatische Hervorhebung ihres Abgangs hemmt die ganze Folge und passt dramaturgisch natürlich überhaupt nicht ins Konzept. Eine Behelfslösung, die gut gemeint war aber nicht funktioniert. Auch das neue mythische Element der Pah-Geister, welches das Ende der Serie mitbestimmen wird und in dieser Staffel eingeführt wurde, hatte durch die Verbindung mit diesem ärgerlichen Abschluss keinen sehr guten Start. Auch wenn am Ende das Wurmloch verloren scheint, Dax tot ist und Sisko mit argen persönlichen Zweifeln die Station verlassen hat (eine Entscheidung, die aufgrund ihrer überhasteten Umsetzung nicht wirklich nachvollziehbar erscheint): Der Schluss ist ziemlich anti-klimaktisch und so gesehen auch als Cliffhanger schwach und enttäuschend.
Schade, denn dies verpasst nicht nur dieser ansonsten geradezu makellosen Staffel den einzigen Fleck auf der weißen Weste, sondern sollte auch die ähnlich perfekte siebte Season unnötig hemmen: Gerade die Notwendigkeit der Einführung eines neuen Charakters (nämlich der neuen Trägerin des Dax-Symbionten) wirkte zunächst vor allem als Bremsklotz.

Über das DVD-Set der sechsten Staffel gibt es allerdings nichts zu meckern: In gewohnter Qualität in Bild und Ton präsentiert sich das Paket auch wieder mit den bekannt informativen und interessanten Special Features, die diesmal indes besonders extensiv ausgefallen sind und mit einem Extra-Schmankerl aufwarten: Eine zweiteilige Zusammenstellung aller (bekannten) Erwerbsregeln der Ferengi und ihrer entsprechenden Erwähnung in der Serie. Wundervoll und hoch amüsant.


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