Exklusiv-Interview mit Regisseurin und Drehbuchautorin Marjane Satrapi

von Volker Robrahn / 3. Januar 2012

Filmszene:  Marjane, haben Sie eigentlich schon mitbekommen, dass man Ihre Comics bei uns jetzt anders nennt, nämlich „Graphic Novels“?

Marjane Satrapi: Ja, davon habe ich gehört. Um Leute anzulocken, die vor dem Wort „Comic“ vielleicht zurückschrecken, pappt man einfach ein anderes Label drauf. Ich finde das höchst albern. Und auch die Zeichner mit denen ich befreundet bin, wie Art Spiegelman oder Daniel Clowes würden nie auf die Idee kommen sich als Autoren von „Graphic Novels“ zu bezeichnen, obwohl Sie jetzt unter dieser Rubrik geführt werden – wir machen Comics, ganz klar.

Huhn PlakatSie machen aber auch Filme und „Huhn mit Pflaumen“ ist bereits Ihr Zweiter. Allerdings der erste mit realen Darstellern.

Es ist sozusagen mein zweiter erster Film, ja.  Natürlich kann man darin Elemente aus „Persepolis“ wiederfinden, vielleicht die Art eine Geschichte zu erzählen oder die Art des Humors. Aber ich möchte schon verschiedene Dinge ausprobieren, nicht auf einen einzigen Stil festgelegt werden. Daher wird jeder weitere Film den ich vielleicht mache immer wieder etwas völlig Anderes sein.

Es ist ja schon ungewöhnlich, dass jemand seine eigenen Vorlagen verfilmt. Und bei „Persepolis“ hätte man noch sagen können, gut, es ist Animation, also den Zeichnungen in der Vorlage sehr ähnlich.  Aber den Schritt zum Realfilm hätte man bei der neuen Adaption wohl nicht unbedingt erwartet.

Wobei schon Animation und Comics nicht allzuviel gemein haben, auch wenn viele Menschen das glauben weil das Endergebnis ähnlich aussieht. Aber die Filmsprache ist doch komplett anders als die der Comics. Ich wollte schon immer Comics machen und ich wollte auch gerne einen Animationsfilm machen. Das hab ich getan und nun bin ich neugierig auf andere Dinge.

War es denn schwierig für diesen nun völlig anderen Film die nötigen Mittel zusammen zu bekommen?

Oh ja! Erstens bin ich „die Comic-Zeichnerin“ und möchte plötzlich einen Realfilm machen. Dann stamme ich aus dem Iran und wenn man von dort kommt, muss man sich natürlich nur und ausschließlich mit Politik beschäftigen. Was ich als ziemlich respektlos gegenüber dem menschlichen Individuum empfinde. Als wenn alle Deutschen sich ständig nur mit Angela Merkel beschäftigen würden. Oder in Filmen immer nur als Nazis auftauchen dürfen. Das ist doch Quatsch, man beschäftigt sich doch mit tausend unterschiedlichen Dingen.

Das funktioniert nur leider innerhalb des Film- oder Buchgeschäfts nicht immer, wo man halt gerne in eine Schublade gepackt wird.

Ja leider, aber ich bin da so eine Art Bulle, der einfach immer nach vorne stürmt und sich nicht aufhalten lässt. Klar, nach „Persepolis“ wäre es einfacher gewesen einfach den zweiten Teil meiner Biographie hinterherzuschieben, dann wäre ich wohl schneller reich geworden. Aber da habe ich keine Lust zu. Ich bin eine Künstlerin, ich möchte die Dinge machen, die mich gerade interessieren. Und das werde ich auch, bis zum letzten Flüstern, bis zum letzten Tropfen Blut, um hier mal die Drama-Queen zu geben. Und deshalb gibt es jetzt von mir diese kleine naive Liebesgeschichte, beeinflusst von all denen, die ich verehre wie Lubitsch, Hitchcock oder all den anderen Kinomagiern. Das Leben ist kurz und ich will noch viel ausprobieren.

Robrahn SatrapiWas aber sicher nicht bedeuten soll, dass Sie nun gar keine Comics mehr machen möchten?

Nein, das heißt es überhaupt nicht. Ich werde nur nie wieder eine Adaption meines  eigenen Comics machen. Dass das jetzt zweimal hintereinander passierte war eher Zufall und daher bin ich jetzt auch mit dem Thema durch. Aus und vorbei.

Müssen wir uns dann auf längere Wartezeiten für weitere Comics oder Filme von Ihnen einstellen?

Das ist gut möglich. Denn erst einmal bereite ich jetzt eine Gemälde-Ausstellung vor, die nächstes Jahr stattfinden soll.  Ursprünglich komme ich ja aus der Malerei und bin hauptsächlich deshalb zu den Comics gewechselt um eine größere Masse Menschen zu erreichen. Comics und Film sind populäre Künste und das war für mich erst mal wichtig um bekannter zu werden. Jetzt werde ich die Leute aber mal mit etwas anderer Kunst beehren.

Das ist sicher spannend. Aber im Filmgeschäft würden Sie natürlich mehr verdienen.

Wenn es danach geht, müsste ich eher im Comicgeschäft bleiben. Denn mit meinen gezeichneten Werken habe ich deutlich mehr Geld verdient als mit den Filmen. Ungefähr zwanzig Mal so viel um das zu präzisieren. Allein „Persepolis“ hat mehr als zwei Millionen Exemplare verkauft, in vielen verschiedenen Ländern. Und ein Film macht nur ein paar Monate lang Geld, nachdem er rauskommt. Mit „Persepolis“ geht es aber immer noch weiter. Und auch „Huhn mit Pflaumen“ läuft ja nicht schlecht.

Persepolis Plakat

Wie muss man sich denn die Aufteilung der Regiearbeit zwischen Ihnen und Vincent Paronnaud vorstellen?

Im Groben so, dass Vincent mehr mit der Kamera und der Technik arbeitet und ich mich um die Schauspieler kümmere. Wir lachen zwar viel zusammen, streiten aber auch oft und natürlich hat jeder von uns sein eigenes künstlerisches Leben, es ist nicht so, dass wir eine untrennbare Einheit wären. Was mir persönlich aber im Vergleich zum Comiczeichnen oder Malen beim Filmemachen besonders gefällt ist die Dynamik die entsteht wenn man mit so vielen Menschen arbeitet, und das Gemeinschaftserlebnis einen Film zu schauen und darauf zu reagieren.

Was sagen sie zu den Leuten, die in ihrem Film gewisse stilistische und inhaltliche Parallelen zu den Werken von Jean-Pierre Jeunet und speziell zu „Amelie“ zu entdecken meinen?

Das betrachte ich als Kompliment, denn ich mag Jeunets Filme sehr. Aber ich sehe diese Gemeinsamkeiten eigentlich nicht. „Amelie“ ist total positiv, sehr süß, voller Liebe und findet am Ende ihr Glück. Meine Hauptfigur dagegen ist ein übelgelaunter Misanthrop, im Grunde ein richtiges Arschloch, auch wenn man später durchaus mit ihm leiden kann. Aber hey, lieber mit Jean-Pierre Jeunet verglichen werden als mit Inspektor Derrick.

Ich bin überrascht, dass Sie ausgerechnet den kennen…

Na ja, ich hab schließlich während meines Studiums ein paar Jahre in Österreich gelebt also war das unvermeidlich. Schlechte Beleuchtung, hässliche Sets und viele blasse Menschen – aber natürlich liebe ich trotzdem auch Inspektor Derrick.


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