33 Szenen aus dem Leben

Jahr
2008
Laufzeit
100 min
Genre
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Patrick Wellinski / 29. Mai 2010

Dieser Film ist ein unerwarteter Hoffnungsbringer. Binnen kurzer Zeit entfachte er bei den polnischen Filmjournalisten wieder neuen Glauben an die Kraft der eigenen Filmlandschaft. Endlich, so konnte man öfter lesen, haben wir einen Film von internationalem Format. Endlich haben wir wieder einen Filmemacher, der etwas zu sagen hat! Das Werk, das diese Euphorie entfesselt hat, kommt von Malgorzata Szumowska, die schon mit "Leben in mir" auf zahlreichen Festivals Erfolge feiern konnte. Auch ihr zweiter Spielfilm "33 Szenen aus dem Leben" hat schon einige bedeutende Preise einheimsen können, unter anderem den Spezialpreis der Jury in Locarno. Es ist zudem erstaunlich, dass diese vom Feuilleton gefeierte Wiederauferstehung des polnischen Autorenfilms ein Film vollbringt, der inhaltlich ein oft tabuisiertes Thema verhandelt: Das Sterben und die Trauer der Hinterbliebenen.

Die junge Künstlerin Julia (Julia Jentsch) steht mit beiden Füßen fest im Leben. Alles läuft wie am Schnürchen für die 33-jährige. Sie ist mit einem talentierten jungen Komponisten verheiratet und ihre Eltern sind stolz auf sie. Die ersten Bilder des Films sind daher lichtdurchflutet. Ein lauer Sommernachmittag, man sitzt am Tisch, streitet, lacht und trinkt. Am frühen Abend wird noch gemeinschaftlich in den Sternenhimmel geschaut. Doch dann gibt es eine lange Schwarzblende (eine von vielen in diesem Film), die mit einer beunruhigenden dissonanten Musik unterlegt ist. Die Stimmung schwenkt um, die lichtdurchfluteten Bilder sind verschwunden und werden auch nicht mehr wiederkommen. Julias Mutter (Malgorzata Hajewska) ist an Krebs erkrankt und wird es nicht überleben. Julia ist hoffnungslos überfordert, als sie ihre Mutter im Krankenhaus sieht und wie ihre Haare beim Kämmen ausgerissen werden. Das überwältigt diese junge Frau.

Bezeichnend für Julias Hilflosigkeit ist der Moment, wenn sie aus dem Krankenhaus rennen möchte, aber die Fahrstuhltür sich partout nicht schließen will. Kurz nach der Mutter stirbt auch Julias Vater, und zwar aus Kummer, da er den Verlust seiner Ehefrau nicht verkraften konnte. Zu guter Letzt lassen sich Julia und ihr Mann scheiden. Innerhalb eines Jahres hat sich ihr Leben völlig gewandelt. Julia ist überrumpelt und mit jeder einzelnen Situation überfordert.

Die Regisseurin Malgorzata Szumowska kennt Julias Situation gut. Auch sie verlor innerhalb eines halben Jahres beide Eltern und den Ehemann. In dieser Zeit schrieb sie ein Tagebuch, welches am Ende 33 Einträge zu verzeichnen hatte. Dieses Tagebuch war die Basis für das Drehbuch, das phasenweise etwas exhibitionistisch anmutet. In 33 wohl komponierten und sehr klug montierten Szenen schildert Szumowska schmerzlich genau die Phasen der Trauer. Das ist oft hart und kompromisslos. Hier wird nichts verkitscht, nicht überdramatisiert, nichts beschönigt. Die Kamera fährt tief in die Wunden dieser Familie.

Dabei steht natürlich Julias Ohnmacht angesichts dieser Lebenskatastrophe im Mittelpunkt. Julia Jentsch, die die Julia wunderbar charmant und unprätentiös verkörpert, ist ab und zu mit den hohen Ansprüchen der Regie überfordert und dennoch schafft sie es, den Film an sich zu reißen. Sie spielt eine Frau, die den desperaten Ausweg in der Kunst, der Arbeit, dem Alkohol, dem schnellen Sex sucht - und nicht findet.

"33 Szenen aus dem Leben" wurde mit deutschem, polnischen und dänischem Geld gedreht, was bedeutet, dass sich neben der deutschen Jentsch auch polnische und dänische Darstellern auf der Leinwand tummeln. Das führt leider dazu, dass die Synchronfassung zwangsläufig unzureichend ausfällt. In diesem Fall kommt noch eine etwas zu artifizielle Übersetzung hinzu, die einige Passagen etwas zu theatral wirken lässt.

"33 Szenen aus dem Leben" ist ein Film geworden, der das Tabu des Todes dekonstruiert und die Hilflosigkeit der Hinterbliebenen in den Fokus nimmt. Julia windet sich, sie schreit, lacht, weint - sie ist hilflos und überfordert. Indem Szumowska schonungslos die zweifellos schlimmsten Tage im Leben dieses Menschen aufzeichnet, bietet sie einen Raum für Reflexion. Das ist hart und mitunter unerträglich. Vielleicht will man so etwas nicht sehen, vielleicht gibt es Menschen, die "33 Szenen aus dem Leben" nicht zu Ende gucken können, doch kann man bei all der persönlichen Zurückhaltung nicht umhin zu bemerken, dass Malgorzata Szumowska als Regisseurin und Künstlerin einen eigenen, unverwechselbaren Stil entwickelt hat. Einer, der sich in der großen Liga des europäischen Autorenkinos zweifellos etablieren kann und wird.

Bilder: Copyright

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