Abgeschnitten

Jahr
2018
Laufzeit
131 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 9. Oktober 2018

Der Rechtsmediziner Paul Herzfeld (Moritz Bleibtreu) lebt ein stressiges Großstadtleben: Immer gefragt, stets beschäftigt, das Privatleben ungeordnet und das Verhältnis zu seiner Tochter Hannah schwierig. Aber richtig problematisch wird es erst als Paul eines Tages bei der Autopsie einer Leiche einen darin versteckten Zettel mit einer Telefonnummer findet – und zwar der Handynummer seiner Tochter. Die ist von Unbekannten entführt worden, die nun mit ihrem Vater eine makabre Schnitzeljagd veranstalten. Weitere Spuren zu Hannah finden sich in weiteren Leichen, auch auf der Insel Helgoland, wo die junge Comiczeichnerin Linda (Jasna Fritzi Bauer) zufällig und ungewollt in den Fall verwickelt wird. Da die Insel aufgrund eines heftigen Sturms aktuell vom Festland abgeschnitten ist, ist Paul auf die Hilfe von Linda angewiesen, was spätestens dann zu einer heiklen Angelegenheit wird, als er von ihr verlangt in weiteren Leichen nach Hinweisen zu suchen um seine Tochter noch rechtzeitig retten zu können.

Richtig rasantes, aufwändiges Genre-Kino macht bei uns in Deutschland vor allem einer, und der heißt Christian Alvart. Seit dem beeindruckenden Thriller „Antikörper“ vor nunmehr bereits dreizehn Jahren bewegt sich Alvart im Genre-Kino und erreicht dabei mit seinen (nicht unumstrittenen) Til Schweiger-„Tatort“-Filmen ein Millionenpublikum. Zuletzt mochten ihm die Kinzuschauer allerdings nur noch in überschaubarer Anzahl folgen, was sowohl für den Kino-Ausflug von Nick Tschiller galt, als auch für seine True Crime-Story „Banklady“ oder den Echtzeit-Thriller „Steig.Nicht.Aus!“ mit Wotan Wilke Möhring.

Welche Konsequenz zieht der Filmemacher daraus? Nun, er macht alles einfach noch mal eine Nummer größer. Denn für die Adaption von Sebastian Fitzeks Roman „Abgeschnitten“ wird nun richtig schweres Gerät aufgefahren, vor allem was die Inszenierung der peitschenden Stürme auf Deutschlands einziger Hochseeinsel angeht. Helgoland war bisher nur selten als Kulisse im Kino zu bewundern und wenn dann nicht als Hintergrund für ein derartiges Gewitter von Spezialeffekten, was dann auf der großen Leinwand auch durchaus Wirkung erzielt - schon die sich langsam der umtosten Insel nähernde Kamera in der Eröffnungsszene kommt ziemlich imposant daher.

Auch sonst haben wir es in visueller Hinsicht mit einem edlen, sogar ein wenig „gelackten“ Produkt zu tun, bei dem stets erkennbar ist, dass man bei der Ausstattung geklotzt hat, sei es bei den Aufnahmen im Moloch Berlin oder in der Provinz, bei den Fahrzeugen und Hubschraubern. Ganz und gar nicht glatt und gelackt kommt man allerdings bei der Präsentation der diversen Leichen daher, die für die Hauptfigur zwar aufgrund seines Berufes eine alltägliche Erscheinung sind, dem etwas empfindlicheren Zuschauer aber doch Einiges abverlangen, wenn da die Körper bearbeitet und geöffnet werden um aus dem Inneren die eine oder andere Kleinigkeit ans Tageslicht befördern zu können. Dass diese Aufgabe dann im Verlauf der fachfremden Linda zufällt sorgt aber zumindest in Form der sich daraus entwickelnden Dialoge mit dem resoluten Dr. Herzfeld für einige amüsante Momente. Für die war sicher auch Fahri Yardims Einsatz als örtlicher Hausmeister gedacht, doch der gibt hier im Grunde lediglich eine weitere Variante seiner Stammfigur des gutmütigen Kumpels mit Schnodderschnauze und schrammt dabei doch gelegentlich haarscharf an der Karikatur vorbei.

Die beiden Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu und Jasna Fritzi Bauer absolvieren ihre Reise ins Abründig-grausame dagegen souverän, was auch für den perversen Schurken von Lars Eidinger gilt. Die Hauptattraktion soll hier neben der reizvollen Kulisse aber die verschachtelte Handlung sein, denn trotz des schon sehr früh bekannt werdenden Entführers von Herzfelds Tochter bleibt zunächst absolut unklar, was und wer aus welchem Grund sonst noch dahinter steckt. Dabei nutzt der fürs Kino zwangsläufig zusammengekürzte und von Christian Alvart selbst in ein Drehbuch verwandelte Stoff jedoch den Faktor Zufall bis ans Absurde grenzende aus und strapaziert den Realismus bis aufs Äußerste.

So haben wir es hier also mal wieder mit einen ausgeklügelten Masterplan zu tun, der zwar für sich genommen durchaus faszinierend wirkt, bei dem aber so vieles nach einem zuvor genau geplanten Muster ablaufen muss, dass es eigentlich nicht funktionieren kann. Denn würde auch nur eine der hier versammelten Figuren sich in einer bestimmten Situation anders entscheiden oder – noch simpler – oft nur Sekunden später an einem bestimmten Ort auftauchen, würde auch die für die raffinierte Schnitzeljagd gesponnene Kette einfach mal ganz schnell abgeschnitten (Stichwort: klingelndes Handy).

Das muss man also einfach so hinnehmen und kaufen, wenn man diesen Film genießen möchte. Zumal das zu ausführliche Nachdenken zusätzlich die Gefahr birgt dabei die eine oder andere Hintergrundinformation zu verpassen, denn so simpel ist die von Fitzek erdachte Story in der Tat nicht, als das man ihr nicht schon aufmerksam folgen sollte. Belohnt wird man dafür mit einen Stück Genrekino das durchaus dem oft zitierten internationalen Standard genügt. Fürs Erste wären aber Christian Alvart und sein Team wohl schon ganz froh, wenn zumindest das nationale Publikum für „Abgeschnitten“ ins Kino strömt. Verdient hätte sein Film es allemal.

Bilder: Copyright

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