Almost Heaven

Jahr
2005
Laufzeit
96 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 5. Januar 2011

"Almost heaven, West Virginia, Blue Ridge Mountains...." und so weiter. Das kommt einem bekannt vor, und wer den ollen Gassenhauer von John Denver doch noch nicht kannte, machte halt vor ein paar Jahren damit Bekanntschaft durch die unsägliche Partyversion einer holländischen Spaßkapelle namens Hermes House Band. Den Anfang von "Country Roads" nun als Titel für ein eher ernstes deutsches Kinodrama zu verwenden scheint daher gewagt, hat man aber tatsächlich so gemeint und absichtlich gemacht. Denn die Country-Musik ist das Ein und Alles für Hobbysängerin Helen (Heike Makatsch), die davon träumt einmal in Nashville aufzutreten, und eines Tages auch die Chance dazu erhält. Allerdings landet sie zunächst im falschen Flieger und dann in Jamaika. Bei dem Versuch, sich in diesem sehr fremden Land durchzuschlagen, macht Helen die Bekanntschaft der zunächst wenig vertrauenswürdigen Rosie (Nikki Amuka-Bird) und gerät von einem Schlamassel in den nächsten. Den Ehemann daheim (Wotan Wilke Möhring) um Hilfe zu bitten kommt nicht in Frage, denn der war ja von vornherein gegen den unsinnigen Trip seiner Frau. Und hatte dafür auch ein nicht ganz unbedeutendes Argument, denn Helen ist todkrank und hat nur noch wenige Wochen zu leben.

Dicker und schmalziger kann es wohl kaum kommen. Wer das jetzt denkt hat Recht und auch wieder nicht. Denn diesem Film gelingt das nicht unbedingt erstrebenswerte Kunststück, gleichzeitig eine erfreuliche Leistung und einen kapitalen Fehlgriff zu erzielen. 
Zunächst einmal erzählt "Almost Heaven" die absolut konventionelle Geschichte zweier Frauen, die sich bei ihrer ersten Begegnung völlig fremd sind, einander misstrauen oder ausnutzen und schließlich doch zusammenfinden. Wenn das deutsche Countrygirl zunächst nur äußerst widerwillig in Jamaika fest hängt, dann aber einen verfallenen Strandclub entdeckt aus dem man "doch was machen könnte", ahnt man schon, wo hier demnächst die Party abgehen wird. 
Heike Makatsch scheint sich gern an ihren Gesangsausflug in der "Männerpension" zu erinnern, verzichtet zwar auf "Stand by your Man", bleibt aber dem einmal gewählten Genre treu. Dass es dabei kaum etwas Alberneres gibt als diese Art der bürgerlichen Country-Musik, gespielt von bundesdeutschen Möchtegern-Cowboys mit Hut, ficht ihre etwas naive Helen konsequenterweise nicht an. Im Laufe eines Films, der zusammenmischt was nicht zusammengehört, erhalten wir dann aber zumindest auch einen Einblick in die treibenden Reggae-Beats der Rastafaris und machen die Bekanntschaft eines ihrer alten Helden. 
Neben der routinierten Makatsch und der erfrischend natürlich aufspielenden Amuka-Bird bleibt da für Filmszene-Liebling Wotan Wilke Möhring (siehe "Eierdiebe" und "Antikörper") diesmal leider nur die undankbare Rolle der ewig besorgten Spaßbremse von Ehemann, aus der auch er nicht viel rausholen kann.

Trotz vorhersehbarer Charakterentwicklung und einem kruden Musik-Mix punktet "Almost Heaven" dann an eher unerwarteter Stelle. Gemeint ist die bemerkenswert schonungslose Darstellung der Lebensverhältnisse auf Jamaika. Erwartet hätte man bei diesem Film eher eine unreflektierte Bedienung der bekannten Klischees vom ewig kiffenden und gut gelaunten Rastamann, der sich nur gelegentlich aus seiner Hängematte erhebt um zum Tanz aufzuspielen. Hier verdingen sich die verdienten und eigentlich zu viel Besserem fähigen Musiker jedoch nur als Unterhalter der desinteressierten ausländischen Gäste in den Nobelhotels des Landes. Und es wird sehr deutlich gemacht, dass deren Kunstwelt nichts mit der Realität in den Straßen von Kingston und Montego Bay zu tun hat, in denen es für die Meisten kaum eine Möglichkeit gibt, dem Kreislauf von Kleinkriminalität und Drogenhandel zu entgehen. Die ersten Eindrücke vom Leben auf der Karibikinsel sind für den Zuschauer ähnlich verstörend wie für Helen, und es gelingt dem Film ausgezeichnet, sowohl Verständnis für ihre anfängliche Abscheu als auch für die spätere Annäherung an Land und Leute zu erzielen - dafür Respekt!

Doch welcher Teufel hat die beiden Drehbuchautoren geritten, als sie sich entschlossen, ihre Geschichte der Selbstfindung und Reifung zweier Frauen noch durch eine "tödliche Krankheit" zu dramatisieren? Die Story wird dadurch nicht nur unnötig überfrachtet, sondern letztendlich sogar banalisiert, denn was bedeuten all die kleinen Entwicklungen, Annäherungen und neuen Entdeckungen angesichts der Tatsache, dass ja völlig klar ist, dass Helen eh bald sterben wird? Da macht dann vieles nicht mehr wirklich Sinn und deshalb wird das im Hintergrund lauernde Damoklesschwert auch die meiste Zeit hübsch ignoriert. Nein, das hätte man doch besser gleich weglassen sollen und der ganze Film hätte um einiges besser funktioniert. So aber haben wir nur eine etwas merkwürdige Mischung aus starken und wenig gelungenen Elementen, die genauso wenig harmonieren wie die "Country Roads" im Reggae-Rhythmus. Die werden hier leider trotzdem so gespielt, und himmlisch ist das nun wirklich nicht - auch nicht beinahe.

Bilder: Copyright

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