Bel Ami

Originaltitel
Bel Ami
Jahr
2012
Laufzeit
102 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 18. März 2012

Um das gleich zu Anfang zu sagen: Die größte Überraschung an "Bel Ami" ist die Erkenntnis, dass Robert Pattinson ein richtig ordentlicher Schauspieler ist. Das sollte man sofort klarstellen, in der Hoffnung dass niemand den Fehler macht, aus den falschen Gründen - nämlich einem reflexartigen "Uach! Das ist doch dieser 'Twilight'-Posterboy! Der versaut bestimmt jeden anständigen Film" - einen weiten Bogen um dieses Werk zu machen. Denn tatsächlich ist "Bel Ami", die Verfilmung eines Roman-Klassikers von Guy de Maupassant aus dem Jahr 1885, handwerklich sehr gut gemachtes und schauspielerisch durchweg bemerkenswertes Kostüm- und Historienkino, wie es jedem geneigten Freund dieses Genres definitiv Freude bereiten wird. Bel AmiUnd das liegt auch an seinem überzeugenden Hauptdarsteller, denn von dem mit dem ewig gleichen, wachsweichen Gesichtsausdruck herumlaufenden, sensiblen Romantik-Vampir Edward aus der "Twilight"-Reihe ist Pattinson in diesem Film angenehm weit entfernt.

Tatsächlich kann man diesen bisherigen Posterboy der keuschen "Kein Sex vor der Ehe"-Moral von "Twilight" hier schon nach kaum fünf Minuten mit nacktem Hintern eine dralle Prostituierte rannehmen sehen, als sich der von Pattinson verkörperte George Duroy für einen unerwarteten Glücksfall belohnt: Der ehemalige Soldat führt ein mittel- und perspektivloses Dasein im Paris der 1880er Jahre und hat kaum einen Franc in der Tasche, als er in einem Bordell seinen ehemaligen Kommandanten Charles Forestier (Philip Glenister) wiedertrifft, nun Redakteur einer bedeutenden Zeitung. Aus Mitleid mit dem armen Duroy schenkt er ihm ein paar Münzen (die gleich in besagte Prostituierte investiert werden) und lädt ihn zu einem Abendessen in sein nobles Heim ein. Bei diesem Essen macht George die Bekanntschaft von Forestiers enorm intelligenter Ehefrau Madeleine (Uma Thurman), der anständig-zurückhaltenden Gesellschaftsdame Madame Rousset (Kristin Scott Thomas) und der jungen und erlebnishungrigen Clotilde de Marelle (Christina Ricci), und es entgeht George nicht, dass alle drei Damen von seinem attraktiven Äußeren mehr als angetan sind.

Bel AmiSo sind es denn auch diese drei Damen und ihre Neigung für George, die es dem cleveren und rücksichtslosen Taugenichts ermöglichen, sich seinen Weg hin zu Reichtum und dem süßen Leben zu bahnen. Wobei diese Geschichte nicht so gradlinig und eintönig verläuft, wie man als Zuschauer zunächst vielleicht denkt. Tatsächlich erweist sich "Bel Ami" als eine bemerkenswert vielschichtige und extrem wendungsreiche Geschichte, die nicht nur echte Lust macht, den Originalroman von de Maupassant zu lesen, sondern eben auch ein wirklich unterhaltsames Stück Kino ergibt. Denn die Allianzen und Sympathien gerade im emotionalen Verhältnis zwischen George und Madeleine Forestier, die das eigentliche Herz und Hirn hinter den politischen Machtspielen zwischen der französischen Regierung und der Zeitung ihres Mannes ist, sind einem stetigen Wandel unterzogen und tragen einen Löwenanteil dazu bei, dass aus dem vermeintlich einfach gestrickten George Duroy ein zunehmend komplexer und hochinteressanter Charakter wird. 

Dieser Duroy ist ein von seinen Instinkten und (oftmals simplen) Leidenschaften dominierter Mann, in seinen Egoismen und aufbrausenden Gefühlen sicherlich keine sympathische, aber faszinierende Figur. Das permanente Brodeln im Inneren dieses von Neid und Habsucht getriebenen Burschen weiß Robert Pattinson dabei sehr überzeugend darzustellen, und es ist gerade dieses düstere Facettenreichtum, dass einen nach Betrachten von ein bis vier "Twilight"-Filmen hier wirklich nachhaltig zu überraschen weiß. Sicher, Pattinsons Spiel ist wenig subtil, aber für die Feinheiten in Verhalten und Schauspiel sind hier auch andere zuständig. Charakterdarsteller wie Kristin Scott Thomas, Colm Meaney oder die grandios agierende Uma Thurman, deren Figuren etablierte Vertreter der Oberschicht sind, ein Leben lang trainiert und versiert in jener Welt distinguierter Höflichkeit und Manierismen, in denen kleinste Entgleisungen oder offen gezeigte Emotionen schon einen Skandal und den eigenen sozialen Tod bedeuten können. George Duory, der sein eigenes Wesen kaum bändigen kann und mit dieser vermeintlichen Durchschaubarkeit zum Spielball der gewieften Obrigkeit zu werden droht, steht in offensichtlichem Gegensatz dazu, und dieser Kontrast wird von Pattinsons ausdrucksstarkem Spiel sehr gut eingefangen.

Bel AmiDen Rest für eine sehr gelungene Romanadaption und eine überzeugende Umsetzung dieses gesellschaftlichen Schlachtfeldes aus Intrigen, Leidenschaften und Täuschungsmanövern besorgt das Regie-Duo Donnellan und Ormerod, zwei in England sehr etablierte Theaterleute, die hier zum ersten Mal das kreative Kommando über einen Kinofilm übernehmen. Angesichts ihrer langjährigen Theatererfahrung überrascht es wenig, dass die Schauspielerführung hier derart exakt und fein nuanciert ausfällt, was hingegen unerwartet heraussticht ist das sichere Gefühl für starke Bilder, mit denen Donnellan und Ormerod hier große Teile ihrer Geschichte sehr filmisch und eben nicht dialoglastig erzählen. Wenn man in den ersten Einstellungen von "Bel Ami" George Duroy als im Dunkeln stehende Gestalt vor dem hell erleuchteten Fenster eines noblen Restaurants sieht, in dem die "High Society" sündhaft teure Delikatessen verspeist, und als nächstes ein kümmerlicher Kerzenstummel Georges kleine Dachkammer von einem Zuhause beleuchtet und jenes kleine Stückchen Brot, das seine gesamten Speisevorräte darstellt, dann ist damit bereits alles gesagt über die Lebensumstände dieses Protagonisten und die Sehnsüchte, die ihn für den Rest des Films antreiben werden. 

Ergo: Hochkarätige Besetzung, superbe Regie, packende Geschichte - tolles Kino. Reingehen. Und zwar nicht trotz, sondern auch wegen Robert Pattinson.

Bilder: Copyright

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