Betty Anne Waters

Originaltitel
Conviction
Land
Jahr
2010
Laufzeit
107 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Margarete Prowe / 27. April 2011

"Betty Anne Waters" basiert auf der wahren Geschichte des Unterschichts-Geschwisterpaares Betty Anne und Kenny Waters. Kenny war ein polizeibekannter Störenfried mit Neigung zu cholerischen Anfällen, der 1983 angeklagt wurde, eine Nachbarin brutal ermordet zu haben. Eine Tat, die er über all die Jahre im Gefängnis abstritt. Seine Schwester glaubte als Einzige an seine Unschuld und widmete ihm ihr Leben: Sie machte ihren High-School-Abschluss nach, ging aufs College und machte schließlich sogar ihren Abschluss als Juristin, um ihren Bruder selbst verteidigen und ihn wieder aus dem Gefängnis holen zu können. Dafür opferte sie ihre Ehe und sogar das Sorgerecht für ihre beiden Söhne.

Leider zeigt sich an "Betty Anne Waters", dass das wahre Leben eben nicht die besten Geschichten fürs Kino schreibt. Drehbuchautorin Pamela Gray hat diese eigentlich schöne Geschichte in Schmalz frittiert. Regisseur Tony Goldwyn ist eigentlich Schauspieler, der bisher eher dafür bekannt war, mal bei einigen Serienfolgen Regie zu führen, wie beispielsweise für "Dexter". Man wünscht sich Steven Soderbergh zurück, der es schaffte, aus "Erin Brockovich" keinen Kitsch zu machen, sondern eine kurzweiligen Film.
Goldwyn und Gray hingegen gehen aufs Ganze, bringen tränenrührige Kindheitsszenen der Geschwister, wechseln die Handlungszeiten so oft und konfus, dass der Zuschauer irgendwann keine Ahnung mehr hat, was jetzt gerade wann spielt, und überziehen das Ergebnis auch noch mit einem Schwall überzuckerter Filmmusik. So liegt "Betty Anne Waters" schließlich nur noch auf Niveau eines Fernsehfilms für die amerikanische Hausfrau irgendwo im Mittleren Westen.

Einzig das gute Ensemble hilft einem über diese schwer verdauliche Film-Melasse hinweg: So spielt die für "The Fighter" frisch Oscar-gekrönte Melissa Leo hier so unerbittlich die Polizistin, die Kenny unbedingt verurteilt sehen will, dass sie schon mir ihren Blicken allein Kenny umbringen könnte. Juliette Lewis hingegen porträtiert die Exfreundin von Kenny, die gegen ihn aussagt, als eindimensionale White-Trash-Alkoholikerin. Dies mag wie eine Karikatur wirken, ist jedoch die erfrischendste und wohl intensivste schauspielerische Leistung dieses tranigen Werkes.
Sam Rockwell spielt die Rolle des Bruders so durchgeknallt, dass wohl auch Christian Bale sich nicht besser hätte behaupten können. Sein Kenny Waters sieht so aus, als könne er jeden Moment explodieren und wieder um sich schlagen. Es wäre schön gewesen, wenn das Drehbuch ihm mehr Raum gegeben hätte und die Perspektive nicht zu sehr von der obssessiven Schwester mit dem Mantra "Er ist unschuldig. Er ist unschuldig. Er ist unschuldig…" beeinflusst wäre. Hier hätte es wahre Dramatik durch Unschlüssigkeit geben können, stattdessen wird diese Ebene platt gewalzt wie mit dem Nudelholz.
Die zweifach Oscar-ausgezeichnete Hilary Swank ("Boys don't cry", "Million Dollar Baby"), deren letzter Film "Amelia" schon einen Sturzflug hinlegte, schafft es auch hier nicht, durch schauspielerische Leistungen einem mittelmäßigen Film Flügel zu verleihen. Man wünscht ihr ein besseres Händchen bei der weiteren Auswahl ihrer Rollen. Doch auch Swanks nächstes Projekt, ein Abstecher ins Horrorgenre namens "The Resident", fiel leider so schlecht aus, dass er hierzulande nicht einmal ins Kino kam, sondern gleich als DVD herausgebracht wurde.

Wer eine schöne Geschichte im White Trash-Milieu um die Suche nach der Wahrheit sehen will, dem kann man nur empfehlen, auf "Winter's Bone" zu warten, der in Kürze ins Kino kommt. Wer nicht warten will, der kann ja noch mal seine "Erin Brockovich"-DVD herauskramen. Denn das wahre Leben liefert nur gute Geschichten fürs Kino, wenn man es vertrauensvoll in die Hände guter Drehbuchautoren und Regisseure legt - nicht in die Hände eines mittelmäßigen Schauspielers.

P.S.: - SPOILER-WARNUNG - Die Geschichte von Kenny Waters nahm im wahren Leben übrigens ein tragisches Ende, das der Film wohlweislich auslässt, da es die Stimmung ruiniert hätte: Kenny Waters starb nur sechs Monate nach seiner Freilassung, als er von einer Mauer fiel, die er nach einem Familienessen als Abkürzung überqueren wollte.

Bilder: Copyright

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