Black Brown White

Jahr
2011
Laufzeit
107 min
Genre
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 28. Oktober 2011

Erwin Wagenhofer hat sich bislang vor allem als Dokumentarfilmer einen Namen gemacht und mit seinen grandios erarbeiteten Filmen "We feed the world" und "Let's make money" sehr wirkungsvolle Agitationshilfen für Globalisierungs- und Neoliberalismuskritiker vorgelegt. Sein erster fiktionaler Spielfilm bezieht seine Inspiration aus ähnlichen Gefilden, erweist sich aber leider als längst nicht so überzeugend. Vor allem, da es dem ausgezeichneten Dokumentaristen Wagenhofer an dramaturigschem Gespür für eine fiktive Geschichte mangelt.

Black Brown WhiteInspiriert wurde Wagenhofer für diesen Film bei seinen Recherchen zu "We feed the world" auf einer mehrtägigen Mitfahrt mit einem Truckfahrer von Spanien bis nach Österreich, und so ist der Protagonist von "Black Brown White" nun auch ein Brummifahrer, Peter, genannt Don Pedro (Fritz Karl), der sich zusammen mit seinem Boss als Schlepper verdingt: In einem kleinen Verschlag seines mächtigen LKW-Anhängers schmuggelt er Afrikaner von Marokko über die EU-Grenze nach Spanien und von dort weiter in seine österreichische Heimat. Soweit der Plan, die resolute Jackie (Clare-Hope Ashitey, "Children of Men") weigert sich mit ihrem Sohn Emanuel jedoch, in dem klaustrophobischen Versteck zu reisen, so dass Peter sie in seinem Fahrerhäuschen mitnimmt, und sich einen Trick überlegen muss, wie er Jackie und Sohn unbemerkt über die Grenze bekommt. Auf europäischer Seite angekommen, gehen die Probleme jedoch erst los, als trotz aller cleverer Ablenkungsmanöver doch die Polizei auf Peter und seine Ladung aufmerksam wird....

Was gut ist an "Black Brown White": Die zurückhaltend und deswegen authentisch agierenden Darsteller, allesamt in ihren Rollen sehr überzeugend. Die bedachte Erzählung in ihrer lobenswerten Absicht, eine kleine, trotz des hochpolitischen Themas "Menschenschmuggel" nicht effektheischende Geschichte zu erzählen. Die sehr schön komponierten Bilder der kargen Landschaften von Nordafrika und Südspanien, mit den bizarren Spuren, welche die Globalisierung in ihnen hinterlassen hat (die endlosen Gewächshausebenen Andalusiens und menschenverlassene Neubaustädte bestehend aus spekulativen, leerstehenden Immobilien). Und die Einblicke in die Trickkiste des geschickten Schmuggelns, z.B. als Peter sich vor der Überfahrt nach Afrika extra eine läufige Hündin besorgt, um mit dieser dann auf der Rückfahrt am Zoll den neugierig schnüffelnden Grenzhund von seiner Ladung ablenken zu können. 

Black Brown WhiteWas nicht so gut ist an "Black Brown White", das geht schon mit dem Titel los: Was dieser bedeuten soll, bleibt ein großes Fragezeichen, der Film selbst bietet hierzu jedenfalls keinen Erklärungsansatz. Ähnlich unausgegoren wirkt dann schlussendlich der gesamte Film, denn trotz vieler guter Ansätze und Möglichkeiten ist "Black Brown White" am Ende nichts so richtig. Er hätte eine ungewöhnliche Liebesgeschichte werden können zwischen dem Truckfahrer und seiner "Schmuggelware", doch das schwierige Verhältnis zwischen Peter und Jackie braucht zu lange, um bedeutsam aufzutauen, und die Möglichkeit einer Annäherung zwischen den beiden wird letztlich nur zaghaft angespielt. Er hätte ein spannungsreiches, tragisches Drama werden können, ein Katz- und Maus-Spiel zwischen der Polizei und Peter, der mit wachsender Verzweiflung versucht, Jackie und ihren Sohn vor dem Zugriff der Behörden zu beschützen. Das passiert hier zwar auch, aber so richtig fokussiert sich "Black Brown White" nicht auf dieses Spannungselement, obwohl er es rund um die Filmmitte sehr gekonnt anzieht. Und er hätte ein aufwühlender Betroffenheitsfilm werden können, der ein Schlaglicht auf die Paradoxien und Unmenschlichkeiten wirft, die der Menschenschmuggel hinein in die Festung Europa tagtäglich zutage bringt. Doch gerade in dieser Hinsicht bleibt "Black Brown White" zu sehr Theorie, zu harmlos. Schon allein wegen der sehr eigentümlichen Entscheidung, die Afrikaner, die hier tagelang in einem stickigen Metallverschlag in Peters Anhänger ausharren müssen, nicht ein einziges Mal zu zeigen. Sie bleiben eine gesichtslose Verhandlungsmasse, und ihr Schicksal und Leiden darum völlig abstrakt. 

Black Brown WhiteWagenhofer schwächt seinen Film zudem durch weitere handwerkliche Fehler, die einem erfahreneren Fiktion-Filmemacher nicht unterlaufen wären. Der eklatanteste: Sein Protagonist Peter bleibt ein relativ unbeschriebenes Blatt, und obschon er der Hauptakteur der Geschichte ist, fehlt es ihm an einem eigenen emotionalen Entwicklungsbogen. Seine Hintergrundgeschichte wird angedeutet, doch was ihn letztlich dazu verleitet hat, das einsame Schicksal des Autobahn-Cowboys zu wählen, ist eine Frage, die zwar gestellt, aber nicht beantwortet wird. Und zu dem Spannungsfeld, dass sich hier ein Guter in kriminellen Machenschaften als Schlepper verdingt, sagt der Film auch nicht viel, außer dem holzhammerigen Botschafts-Statement gegen Ende: "Du denkst ich bin ein Krimineller. Bin ich aber nicht. Kriminell ist das System, das uns in diese beschissene Lage bringt."

Es sind Momente wie diese in denen man merkt, dass Wagenhofer hier doch wieder mehr eine Weltsicht predigen als wirklich eine mitreißende Geschichte erzählen will. Symptomatisch dafür eine Szene, in der Peter Jackie in einer menschenleeren Siedlung aus pittoresken Neubau-Immobilien versteckt, wie sie die Immobilienblase in Spanien massenhaft produziert hat. Jackie starrt ungläubig über das Bilderbuchstädtchen und meint: "Die Besitzer dieser Häuser müssen sehr glücklich sein". Anstatt die beißende Ironie dieses pointierten Satzes einfach für sich stehen zu lassen, kann Wagenhofer nicht widerstehen und lässt Peter einen kleinen Sermon darüber halten, warum diese Häuser überhaupt gebaut wurden, und dass das mit Glücklichsein nicht viel zu tun hat. 

So versandet "Black Brown White" trotz einiger vielversprechender Ansätze leider in der undankbaren Mittelmäßigkeit: Ein Film mit hehren Anliegen, aber ohne die Fähigkeit, diese auf wirklich packende Weise zu transportieren. Das Wagenhofer'sche Problemkino ist in Dokumentar-Form jedenfalls weitaus wirksamer. 

Bilder: Copyright

Wie wohltuend, dass dieser film nicht von einem erfahrenen " fiktion-filmemacher" gemacht wurde. Wie gut, die Schmuggelware der Fantasie des Zusehers zu ueberlassen. Insgesamt widerspreche ich 90% der kritik. Auch der Titel ist fuer mich sehr aussagekraeftig. Weiter so!

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