Capote

Originaltitel
Capote
Land
Jahr
2005
Laufzeit
114 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Volker Robrahn / 28. Juni 2010

Ende der 50er Jahre ist der Schriftsteller Truman Capote (Philip Seymour Hofman) der neue Liebling der New Yorker Society. Die liebt nicht nur sein "Frühstück bei Tiffany's", sondern auch den egozentrischen Künstler selbst, trotz oder gerade wegen dessen eher unattraktivem Äußeren und der offen gelebten Homosexualität. Bei der Suche nach einem neuen Thema stößt Capote auf eine Zeitungsnotiz über einen brutalen Mehrfachmord in Kansas. Er beschließt darüber zu schreiben und macht sich gemeinsam mit seiner besten Freundin Nelle Harper Lee (Catherine Keener) auf den Weg in die Provinz. Dort stößt er mit seinem Gehabe zunächst auf nicht allzu viel Sympathie, schafft es aber trotzdem sich mit dem örtlichen Sheriff (Chris Cooper) anzufreunden. Als die Mörder schließlich gefasst werden, ist dies ein Wendepunkt im Leben des Schriftstellers: Aus der geplanten Reportage soll nun ein Tatsachen-Roman werden, und er beginnt, sich intensiv mit den Tätern zu beschäftigen - nicht ahnend, dass ihn dieses Thema über Jahre beschäftigen und belasten wird. Das Endergebnis "Kaltblütig" wurde schließlich zu einem Welterfolg und dem Grundstein eines neuen literarischen Genres. Aber Truman Capote hat danach nie wieder einen weiteren Roman geschrieben.

Stattdessen starb er im Alter von nur 59 Jahren an den Folgen seiner Alkohol- und Tablettensucht. Soweit die Fakten, die in dieser Form nicht im Film genannt werden. Denn bei "Capote" handelt es sich nicht um das übliche Biopic, welches im Schnelldurchlauf die wichtigsten Episoden seiner Hauptfigur abhandelt. Dieser Film beschränkt sich auf nur eine handvoll Jahre, die aber Truman Capote ganz entscheidend prägten und wohl auch für die noch folgenden schwierigen Jahre verantwortlich sind.
Dieser Ausschnitt aus seinem Leben genügt jedoch voll und ganz, um sich von dieser schillernden Persönlichkeit ein gutes Bild machen zu können. Und das ist natürlich das Verdienst von Philip Seymour Hoffman, dem Unglaublichen. Liebling der Cineasten, aber in der Wahrnehmung der breiten Masse bisher noch nicht so recht angekommen. Seine Nebenrollen veredeln seit Jahren die Werke von Paul Thomas Anderson (besonders "Magnolia"), machen ohnehin schon wunderbare Filme noch ein Stück wunderbarer ("Almost Famous") oder geben mittelmäßigen Mainstream-Produktionen zumindest eine besondere Note ("...und dann kam Polly").
Obwohl auch "Capote" sicher keine Millionen von Zuschauern anlocken wird, hat sich die Aufmerksamkeit für Hoffman aber beträchtlich erhöht und zumindest die Nominierung für den Oscar scheint eine klare Sache zu sein. Zu Recht, denn wem es gelingt einen Film so zu dominieren wie er, der hier komplett hinter seiner Rolle verschwindet und förmlich zu Capote wird, der verdient dafür alle Anerkennung, und sei es eben in Form einer medienwirksamen Auszeichnung. Die Gestik, die Körperhaltung, das äußere Erscheinungsbild. Und die Stimme, vor allem anderen die Stimme. Wer jemals den echten Truman Capote genossen hat (zum Beispiel als Schauspieler in der amüsanten Krimi-Parodie "Eine Leiche zum Dessert") wird kaum glauben, dass jemand auch noch genauso sprechen kann. Hoffman kann, und es muss wohl fast gar nicht mehr extra erwähnt werden, dass die Originalfassung hier Pflicht ist und eine ebenbürtige Synchronisation selbst beim besten Bemühen kaum möglich sein dürfte. Trotz der Auffälligkeit seiner Vorstellung hat das hier nichts mit Übertreibung oder Chargieren zu tun, sondern einzig und allein mit der einhundertprozentigen Annektierung einer Vorlage.

Ein Nachteil der dominanten Titelfigur ist das dahinter fast zwangsläufige Verblassen des unterstützenden Ensembles. Die vielseitige Catherine Keener ("Being John Malkovich", "Jungfrau (40), männlich, sucht...") macht dabei als Trumans unentbehrliche Ratgeberin noch die beste Figur, während für einen Chris Cooper in der Rolle des Gesetzeshüters nur wenig Raum bleibt. Nicht völlig überzeugen kann auch Clifton Collins jr., dem es doch ein wenig an der dämonisch-charismatischen Ausstrahlung fehlt, die Capote an dem wahren Mörder Perry Smith so faszinierte.
Diese enge Verbundenheit ist dann auch das bestimmende Element der zweiten Filmhälfte. Die hier betriebene Art von eingebundenem, auch den Täter begleitenden Journalismus ist heutzutage sicher nichts Besonderes mehr, war zum Zeitpunkt der Handlung aber mehr als ungewöhnlich. Eine Seelenverbundenheit sieht der Schriftsteller zwischen sich und dem intelligenten Täter aufgrund einer ähnlich verlaufenen Kindheit und Jugend ("Es scheint mir, als wären wir Beide in dem selben Haus aufgewachsen, nur während ich irgendwann vorne raus ging, nahm Perry die Hintertür"). Eine sehr ungleiche Seelenverbundenheit allerdings, die Capote von einer intellektuellen Warte aus analysiert, während Perry verzweifelt hofft, mit der Hilfe seines "Freundes" dem Todesurteil noch zu entgehen. Es wird nie so ganz klar, ob es sich denn hier tatsächlich um eine Art Freundschaft, eine vielleicht sogar unterdrückte Liebesbeziehung oder doch nur um das Ausnutzen eines Schwächeren für eigene Zwecke handelt.
Capote selbst macht dieses moralische Dilemma schließlich immer mehr zu schaffen, fast gelähmt durch die endlose Prozedur von Berufungen und Neuverhandlungen belügt er Perry und sehnt sich eine Entscheidung herbei, selbst wenn sie den Tod seines "Schützlings" bedeuten könnte. Dabei zeichnet der Film ein sehr zwiespältiges Bild seines Protagonisten, und genauso wie sich Capote immer mehr quält, so quält auch die langsame und schwerfällige Inszenierung einer immer trüber und grauer werdenden Umgebung zusehends den Zuschauer. Das kann man dann sogar als gewolltes Stilmittel betrachten, welches es seinem Publikum eben ausdrücklich nicht leicht machen will. Es täuscht aber doch nicht komplett darüber hinweg, dass die Erzählung im letzten Drittel zerfasert und sich ein wenig in sich selbst verliert.

Letztendlich ist "Capote" daher zuallererst ein Werk, das von der atemberaubenden Vorstellung seines Hauptdarstellers lebt und in dieser Beziehung auch für einiges Staunen aus der Rubrik "Haben wir so noch nicht gesehen" sorgt. Hoffman allein ist also die Beschäftigung mit dem Film schon wert, der aber trotz kleinerer Schwächen auch sonst noch eine meist interessante und auf jeden Fall bewegende Geschichte zu erzählen hat. Und dabei das Bedürfnis weckt, sich demnächst mal einen alten Roman zur Hand zu nehmen: "Kaltblütig" von Truman Capote.


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