Casablanca

Originaltitel
Casablanca
Land
Jahr
1942
Laufzeit
102 min
Genre
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010

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Es ist einer dieser ganz seltenen Filmmomente, die einem auch bei zwanzigsten Ansehen noch eine Gänsehaut verpassen: Wenn Major Strasser in "Rick's Café Americain" mit seinen Nazi-Kompagnons "Die Wacht am Rhein" schmettert, und dann das Orchester unter Leitung Victor Laszlos die Marsellaise anstimmt, um die Deutschen in Grund und Boden zu singen, dann bleibt kein Quadratzentimeter Körperoberfläche ruhig. Es ist eine der kraftvollsten und unvergesslichsten Szenen in einem Film, der beinahe nur aus unvergesslichen Szenen besteht, und auch das beste Beispiel dafür, dass "Casablanca" zwar kürzlich völlig zurecht vom American Film Institute zum besten amerikanischen Liebesfilm aller Zeiten gewählt wurde, aber in Wahrheit noch viel mehr zu bieten hat.

Die heute unsterbliche Geschichte des Liebesdreiecks aus dem desillusionierten Amerikaner Rick Blaine (Humphrey Bogart), der in der marokkanischen Flüchtlingsmetropole Casablanca während des Zweiten Weltkriegs den wichtigsten Nachtclub der Stadt leitet, der Norwegerin Ilsa Lund (Ingrid Bergman) und ihrem Ehemann, dem tschechischen Freiheitskämpfer Victor Laszlo (Paul Henreid), war während seiner Entstehung 1942 als nicht viel mehr als eine typische Stangenproduktion des damals noch florierenden Studiosystems in Hollywood geplant, mit Vielfilmer Michael Curtiz (der durchschnittlich vier Filme pro Jahr inszenierte) auf dem Regiestuhl und den routiniertesten Darstellern, die die Warner Studios zu der Zeit unter Vertrag hatten. Das alles ein wenig anders kam ist wohl vor allem der einzigartigen historischen Situation zu verdanken, denn "Casablanca" ist so etwas wie die Schnittmenge dreier Strömungen, die in den 40ern Hollywood beherrschten und nachträglich umkrempeln sollten: Als erstes das besagte Studiosystem, welches für die reibungslose Produktion mit großen Namen sorgte. Als zweites die in ihren Anfängen liegende dunkle Ära des amerikanischen Films, die retrospektiv als "Film noir" bekannt wurde und mit dem einsamen Wolf Rick Blaine einen ihrer ersten Charakter-Prototypen perfektionierte. Und schließlich die hochaktuelle politische Brisanz des Zweiten Weltkriegs, für die Hollywood einerseits als Propaganda-Maschine genutzt wurde, andererseits aber auch ganz selbständig Statements für Widerstand und Moral produzierte. So wie in "Casablanca".
Wenn in Rick's Café die Marsellaise erklingt und die anwesenden Nazis von der schieren Leidenschaft der eigentlich schon besiegten Franzosen ruhig gestellt werden, ist das eine der ergreifendsten Gesten des passiven Widerstandes, die es im Kino zu bewundern gibt, und war damals - zusammen mit der verächtlichen Versenkung einer Flasche Vichy Wassers im Papierkorb durch den örtlichen Polizeichef Renault - eine deutliche Absage an die mit Deutschland kollaborierende Marionetten-Regierung des noch unbesetzten Teils Frankreichs.
So wie in "Casablanca" alle filmischen Strömungen der Zeit zusammen kamen, so kommen in Casablanca alle Nationalitäten zusammen. Wie die schnörkellose Exposition zu Anfang verrät, ist das nordafrikanische Wüstenstädtchen entscheidender Etappenort auf einer Flüchtlingsroute nach Amerika, und damit ein Schmelztiegel, der nicht nur geschickt Parallelen zur amerikanischen Bevölkerung aufbaut, sondern auch essentielle Quelle des ganz eigenen Charmes dieses Films ist. Beinahe jede noch so kleine Nebenfigur bekommt ihre eigene prägnante Szene, was zusammen mit dem unvergleichlichen Dialogwitz eine der legendärsten und harmonischsten Ensemble-Leistungen der Filmgeschichte zur Folge hat. Schon allein die internationale Belegschaft von Rick's Café mit dem russischen Barkeeper Sascha, dem österreichischen Kellner Carl und dem unvergesslichen Pianisten Sam ist in ihrer Schlagfertigkeit das beste Beispiel. Apropos Sam: Der berühmteste Musik-Wunsch aller Zeiten, Ilsa's Aufforderung "Spiel's noch einmal, Sam" (gemeint ist der Klassiker "As time goes by"), ist gar keiner: Diese Dialogzeile kommt im Film überhaupt nicht vor - und teilt sich so gemeinsam mit "Schau mir in die Augen, Kleines" (richtig: "Ich schau dir in die Augen, Kleines") zumindest im deutschsprachigen Raum die Ehre des hartnäckigsten Zitat-Verdrehers.
Ein verzeihlicher Fehler bei einem solchen Feuerwerk an denkwürdigen Dialogzeilen. Der trockene Humor und die ernsten Mienen, mit denen sich hier alle Beteiligten im Minutentakt grandiose Bonmots der geschliffenen Redekunst zuspielen ist eine endlose Freude, und nicht umsonst stammen aus "Casablanca" mehr geflügelte Worte als aus jedem anderen Film ("Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen" und "Uns bleibt immer noch Paris" seien hier nur als zwei Beispiele unter vielen genannt). Ein Abonnement auf die besten Momente hat dabei Claude Rains als Captain Louis Renault, Polizeichef von Casablanca und der charmanteste Opportunist, dem man je begegnet ist. Seine makellose Vorstellung macht ihn zum heimlichen Helden dieses Meilensteins.

Hochaktuelle Politik, unvergessliche Darsteller, brillanter Dialogwitz, und dabei ist der Kern von "Casablanca" noch gar nicht erwähnt. Denn es ist wirklich eine der größten Liebesgeschichten, die das Kino hervorgebracht hat. Das schicksalsträchtige Liebesdreieck Rick-Ilsa-Victor wandelte sich völlig zurecht zu einem der meistzitierten Plot-Motive, auch wenn keines der Plagiate auch nur annähernd an die emotionale Kraft des Originals heranreichen konnte. Den größten Anteil daran hat eindeutig Humphrey Bogart, der für diese Rolle aus gutem Grunde unsterblich wurde. Sein desillusionierter Trinker Rick Blaine, der seine eigene Gefühlswelt für lange tot und begraben hält, nur um vom plötzlichen Auftauchen seiner ehemaligen Geliebten Ilsa in seinen Grundfesten erschüttert zu werden, ist der Archetyp des harten Kerls mit dem weichen Kern - der ultimative smarte Macho, der sich von nichts und niemand aus der Fassung bringen lässt, aber allein und ungestört wie ein frisch verliebter Junge über sein gebrochenes Herz weint. Es ist die Undurchsichtigkeit von Rick's Motiven und Absichten, die "Casablanca" bis zur letzten Minute spannend hält, wenn ein Flugzeug und zwei Transit-Visa in der berühmtesten Schlußszene der Filmgeschichte darauf warten, dass eine Entscheidung darüber fällt, welche zwei Liebenden sich jetzt gemeinsam nach Lissabon retten ("Casablanca"-Trivia-Anekdote Nr. 254: die Verwirrung in Bergman's Gesicht in dieser Szene ist echt. Bis zum letzten Drehtag wurde ihr nicht verraten, mit wem Ilsa letztendlich ins Flugzeug steigen würde).

Auch "Casablanca" ist kein perfekter Film, doch seine Fehler sind klein und nebensächlich und tragen sogar irgendwie zum ganz besonderen Charme dieses größten aller Filmklassiker bei. Und so stimmt dann irgendwie doch alles. Wer Kino liebt, der muss auch "Casablanca" lieben. Das ist einfach so. Kein anderer Film ist so gut gealtert, blieb bei all seiner besonderen historischen Situation auch Generationen später so wirksam, und ist bei jedem Anschauen ein zeitlos schönes Erlebnis, das man - ein letzter Superlativ sei hier gegönnt - nach dem besten Schlußsatz der Filmgeschichte ("Louis, ich glaube dies ist der Beginn einer wundervollen Freundschaft") am liebsten direkt noch einmal sehen möchte. Manche Dinge vergehen einfach nicht, und vielleicht ist es gar kein so großer Zufall, dass Sam uns genau davon ein Lied zu singen weiß:

You must remember this
A kiss is still a kiss
A sigh is just a sigh
The fundamental things apply
As time goes by


10
10/10

Frage: Wer hat je einen schöneren Film gesehen ?
Vielleicht noch "Verdammt in alle Ewigkeit" !

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10
10/10

Es gibt keinen emotionaleren, schöneren Film als Casablanca ! Auch nach dem x-ten mal ansehen, bekomme ich bei bestimmten Szenen eine Gänsehaut.....
Bogart ist unsterblich, die Bergmann eine Göttin ....
So long

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10
10/10

"here's lookink at you kid" heisst es im englischen Original.

Ich habe den Film wohl schon über 20 mal gesehen, und könnte mir das bei keinem anderen Film vorstellen. Und trotzdem, kann man genug davon kriegen? Kann einem dieser Film jemals langweilig werden? Ich glaube nicht. Gäbe es nur einen Film, es wird Casablanca sein. Und werden einmal Aliens uns verstehen wollen, Sie müssten Casablanca sehen.

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10
10/10

Er ist für mich zusammen mit " Die Katze auf dem heissen Blechdach"
( mit Elizabeth Taylor und Paul Newman )"le grande Illusion ( mit
Jean Gabin und Erich von Stroheim) "Spartacus" (Kirk Douglas,Lawrence Olivier,Charles Laughton)"Philadelphia Story" (Katherine Hepburn,Cary Grant,James Stewart) der beste und interessanteste Film der
je gemacht wurde.
Leider wird in Hollywood im Moment nur der allerletzte Schrott
gedreht.Wer interessiert sich für Comicfilme ?

Grüsse an alle Filmfans

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10
10/10

Gibt da auch diesen einen Song von THE GASLIGHT ANTHEM - HERE'S LOOKING AT YOU, KID
...sehr schöner Song, der ähnlich aufgebaut ist wie der Film. Wenn euch Casablanca gefällt wird euch der Song bestimmt auch gefallen.
Dem Film kann ich nur eine 10 von 10 geben. Ist und bleibt der beste Film des 20. Jh. Und nun gute Nacht. (:

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