Das Erbe

Originaltitel
Arven
Land
Jahr
2003
Laufzeit
107 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Anna Sola / 8. März 2011

Selbstmord, Erbschaft, Liebschaft, Intrigen, und das alles in Dänemark. Nein, es handelt sich nicht um eine Neuverfilmung des Hamlet, sondern um den neuen Film von Per Fly.
"Das Erbe" ist der zweite Film aus Flys geplanter Trilogie, in der er jeweils ein anderes Milieu darstellen will. Der erste Film dieser Reihe, "Die Bank", spielt im Arbeitermilieu, während er sich nun der traditionellen Oberschicht widmet. Dabei ist der Däne nie weit von Shakespeare entfernt: In seinem Portrait des Industrieimperiums geht es zu wie am Hofe Hamlets oder Lears. Mit ähnlicher Tragik wird sein Held in Konflikte verwickelt, die ihn immer öfter zu ungewollten Entscheidungen zwingen und ihn schließlich ins Verderben bringen.

Christoffer (Ulrich Thomsen, "Das Fest") lebt glücklich mit der Schauspielerin Maria (Lisa Werlinder) in Stockholm. Als sein Vater Selbstmord begeht, verlangt seine Mutter (Ghita Nørby, "Geister"), dass er die Leitung des Familienunternehmens in Dänemark übernimmt. Widerwillig stellt er sich der Aufgabe, als er mit der versammelten Arbeiterschaft konfrontiert wird. Damit macht er zwar seine Mutter, eine wahre Lady Macbeth, glücklich, aber ruiniert sein Glück mit Maria, die schließlich in Schweden leben will um ihre Karriere zu verfolgen. Außerdem verdirbt er es sich mit Schwager Ulrik (Lars Brygmann, "Stealing Rembrandt", "Die Bank"), der schon fest mit dem Chefsessel gerechnet hatte. Kurz gesagt, er kann es keinem Recht machen. Aber das ist nur der Anfang: Um das Stahlwerk zu retten muss er Hunderte von Arbeitern entlassen und damit gegen seine moralischen Grundsätze verstoßen. So sehr er versucht, seine Beziehung zur Familie und Maria von seiner Arbeit zu trennen, es gelingt ihm nicht. Seine Aufgabe frisst ihn förmlich auf und lässt ihn immer mehr zu dem kalten Unternehmensführer werden, den seine fädenziehende Mutter sich so sehr wünscht. Doch auch Maria lässt nicht nach und drängt Christoffer zur Entscheidung....

Mal wieder (siehe Rezension zu "Dänische Delikatessen") was Deprimierendes aus Dänemark. Ein Meisterwerk der Tragödie, das auch noch der ausgeglichensten Frohnatur aufs Gemüt schlagen wird. Ähnlich wie "Das Fest" beschreibt "Das Erbe", wie jemand an seiner Familie zu Grunde geht. Die Hauptrolle ging wohl auch nicht zufällig an den gleichen Schauspieler (Ulrich Thomsen). Abermals geht es um einen Mann, der verzweifelt versucht, seiner Pflicht als treuer Sohn zu entgehen und sich gegen seine manipulierenden Eltern zu wehren. Wie ein Königssohn übernimmt er die Thronfolge, ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein. Dabei spielt Thomsen die Rolle des Christoffer so eindringlich und mitreißend das man sich fast schuldig fühlt, seiner Misere als Konsument beizuwohnen. Helfen möchte man ihm, damit er zu seiner wundervollen und leidenschaftlichen Maria zurückfindet. Aber das Genre lässt ihn nicht.

Machtgier und wirtschaftliche Notwendigkeit zerstören noch jede Liebe und Harmonie, scheint Fly dem Publikum sagen zu wollen. Sein Film ist nicht nur Studie einer Gesellschaftsschicht, sondern Studie menschlichen Verhaltens im Allgemeinen, die einem sehr nah geht, eben weil sie die grausamen Seiten ungeschönt aufdeckt, und das fast mit dokumentarischer Genauigkeit. Da ist zum Beispiel die Mutterliebe, die dem Sohn nur schadet. Dann ist da der intrigante Schwager, der um jeden Preis an die Spitze will. Treue Arbeiter, die wegrationalisiert werden. Die Kälte die sich in der anfänglich leidenschaftlich verspielten Beziehung zwischen Christoffer und Maria breit macht, spiegelt sich im ultramodernen aber herzlosen Ferienhaus, in dem der Pflichtbewusste schließlich vom Menschen zur "Bestie Mensch" verkommt. Echos von Zolas Sozialstudien sind zudem deutlich spürbar in der Szene, in der Christoffer 900 Arbeitern vom Tod seines Vaters berichten muss.

Obwohl "Das Erbe" kein Dogma Film ist, ist er zum Teil eher spärlich belichtet. Dies schadet eher, als das es der Atmosphäre dient, besonders wenn man so gute Schauspieler hat, deren Mimik man gerne deutlicher sähe. Ob's nun am mangelndem Budget oder am persönlichen Stil liegt, schade ist es jedenfalls. Dafür sind besonders die Aufnahmen aus dem Stahlwerk eindrucksvoll, die das glühende Metall zeigen, mit dem Christoffer später die sprichwörtliche Hölle heiß gemacht wird.
Ein großartiger Film, gerade weil er einem den netten Abend verdirbt.


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