Er ist der Prototyp des verantwortungslosen Mannes, der sich weigert „erwachsen“ zu werden. Ulf Kramer ist dank seiner Talkshow bei einem kleinen Hamburger Lokalsender zumindest so etwas wie eine regionale Berühmtheit, hat soweit Spaß an seinem Leben und führt seit längerem eine eher unverbindliche Beziehung mit Anni (Jördis Triebel). Der ist das zwar irgendwann nicht mehr genug, doch Ulf nimmt ihren Abgang eher locker. Weniger witzig findet er aber die Ankunft von Aaron (Louis Hofmann), den das Jugendamt eines Tages einfach bei ihm abliefert. Der ist der Sohn seiner nach einem Unfall im Koma liegenden Schwester und hat sich in den Kopf gesetzt, fortan bei seinem Onkel leben zu wollen. Innerhalb kürzester Zeit bringt er Ulfs bis dahin wohlgeordnetes Leben ziemlich durcheinander und treibt den bisherigen Egoisten an den Rand der Verzweiflung.
Was durchaus wörtlich zu nehmen ist, denn im Gegensatz zu dem was Titel, Poster und Vermarktung des Filmes anpreisen, handelt es sich bei „Der fast perfekte Mann“ nicht um eine der leicht-belanglosen deutschen Komödien, wie sie hierzulande nach wie vor den größten Erfolg versprechen. Dabei klingt auch die Geschichte selbst vom großen männlichen Kind, welches erst lernen muss Verantwortung zu übernehmen und die wirklich wichtigen Dinge zu erkennen, nach nichts Anderem als dem schon oft durchgekauten typischen Til Schweiger-Stoff, und auch Matthias Schweighöfer spielt sich ja aktuell gerade wieder durch einen ähnlichen Plot. Dies allerdings auf wesentlich amüsantere und insgesamt auch wirkungsvollere Weise, denn all das ist dieser Film leider nicht. Leichte Unterhaltung war vermutlich auch von Anfang an nicht das, was Regisseurin Vanessa Joop („Engel & Joe“) im Sinn hatte – wogegen nichts zu sagen wäre, so man das Werk dann nicht aber später versucht als genau so etwas anzupreisen. Denn praktisch sämtliche verfügbaren Promo-Bilder deuten auf eine fröhliche Komödie hin und das ist schlicht Etikettenschwindel.
Stattdessen bekommt der womöglich unbedarfte Zuschauer hier ziemlich harten Stoff zu sehen, der sich mit Themen wie Selbstmord, Abtreibung und einem traumatisierten Kind beschäftigt. Selbst die eigentlich leicht satirisch gedachten und angelegten Szenen im Fernsehsender, bei dem Ulf seine Brötchen verdient, bieten letztlich vor allem einen Einblick in die doch sehr traurige Welt am unteren Ende des Entertainment-Business mit ihren Möchtegern-Sternchen und Trash-TV-Produktionen („61 % unserer Zuschauer möchten, dass Du öfter lächelst“). Auch beim Drehbuch hapert es zudem mit der Glaubwürdigkeit, denn es wird keinerlei Erklärung dafür gegeben, warum Aaron denn unbedingt bei seinem Onkel bleiben möchte, den er überhaupt nicht kennt und der ihn auch nicht gerade nett behandelt, sondern als „temporäres Problem“ betrachtet. Umgekehrt ist auch dessen Verhalten manchmal schwer nachzuvollziehen, denn der hier portraitierte Egomane würde auf das Zerschlagen der Motorhaube seines Autos wohl kaum damit reagieren, dass er daraufhin den Verursacher dieses Schadens dann doch bei sich aufnimmt.
Es wird viel gebrüllt und sich gegenseitig angeschrien in diesem Film, die Grundstimmung schwankt zwischen frustriert und aggressiv und Spaß macht das alles wirklich nicht. Benno Führmann gibt sein Bestes in einer schwierigen und fordernden Rolle, doch auch ihm gelingt es dabei nur vereinzelt tatsächlich berührende Momente zu erzeugen. Insgesamt überzeugen aber weder der dominierende dramatische Teil (der eben auch nicht besonders originell ist), noch die sporadischen Versuche, das Ganze mit ein paar humorvoll gedachten Sequenzen aufzulockern.Denn die wirken dann im Kontext wiederum oft unpassend, und dabei auf den grimassenschneidenden Ex-Dschungelkönig Ross Anthony in einer Nebenrolle als (natürlich) schwulen Maskenbildner zu bauen, war vielleicht auch nicht die beste Entscheidung. „Der fast perfekte Mann“ ist daher ein im Ansatz zwar engagierter, aber unglücklich umgesetzter Film, der es schwer haben dürfte sein Publikum zu finden.
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