Der Kaufmann von Venedig

Originaltitel
The Merchant of Venice
Jahr
2004
Laufzeit
138 min
Genre
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Kay Sauer / 22. März 2011

 

"Der Kaufmann von Venedig" ist ein Stück von William Shakespeare, das Kontroversen ausgelöst hat, seit es existiert. Ist es anti-semitisch? Kritisiert es Anti-Semitismus? Zeigt es Anti-Semitismus ohne ihn zu befürworten oder ihn zu verurteilen? Shakespeare konnte zur damaligen Zeit jedenfalls noch nicht erahnen, welche Möglichkeiten und Probleme eine multikulturelle Gesellschaft mit sich bringen würde. Es ist unwahrscheinlich, dass er jemals Kontakt mit Juden gehabt hatte, denn im 16. Jahrhundert waren alle Menschen, die nicht dem christlichen Glauben angehörten, aus weiten Teilen Europas verbannt worden. Venedig war eine große Ausnahme als Umschlagplatz für Güter aus Asien, die von hier nach Westeuropa verschifft wurden. Die Stadt war bevölkert von den verschiedensten Nationalitäten und Glaubensrichtungen. Die Juden wurden dennoch schon hier gezwungen in einem abgetrennten Ghetto zu leben, dessen Tore nachts abgesperrt wurden und welches sie tagsüber nur mit einer roten Kappe, die sie sofort als Juden identifizierte, verlassen durften.

In diesem historischen Umfeld spielt "Der Kaufmann von Venedig" im Jahr 1594. Zwischen den christlichen Kaufleuten und den Juden herrscht ein schwelender Konflikt, der immer wieder in Protestversammlungen der Kaufleute zum Ausdruck kommt. Die Juden betätigen sich als Geldverleiher, die hohe Zinsen verlangen, aber notwendig für den Handel sind. Die Christen missbilligen dies und verleihen selbst untereinander zinslos Geld, was wiederum die Juden aufbringt, da das ihr Geschäft verdirbt. Der Kaufmann Antonio (Jeremy Irons), der eigentlich ein gutmütiger Mensch ist, lässt sich durch die hasserfüllte Atmosphäre auf dem Marktplatz dazu anstacheln, den Juden Shylock (Al Pacino) zu demütigen und ihm ins Gesicht zu spucken. Als der leichtlebige Bassanio (Joseph Fiennes) die reiche Portia (Lynn Collins) heiraten möchte, bietet sich Shylock die Chance, Antonio sein schändliches Verhalten zurückzuzahlen, denn Bassanio bittet Antonio um Geld. Da der Kaufmann aber zurzeit knapp bei Kasse ist, will er für seinen Freund bei Shylock einen Kredit aufnehmen. Dieser verlangt merkwürdigerweise keine Zinsen, aber sollte Antonio das Geld nicht zurückzahlen können, so steht es Shylock frei ein Pfund Fleisch aus Antonios Körper herauszuschneiden. Antonio sieht den zinslosen Kredit als Großherzigkeit des Juden an und nimmt die Rückzahlungsklausel nicht ernst.
Während Bassanio in Belmont bei Portia weilt, werden Shylock und Antonio von Schicksalsschlägen ereilt. Shylocks Tochter Jessica (Zuleikha Robinson) verlässt den Vater aus Liebe zu einem Christen, und Antonio wird in den finanziellen Ruin getrieben, weshalb er seine Schulden bei Shylock nicht begleichen kann. In einer Gerichtsverhandlung soll Shylocks Anspruch geprüft werden. Dieser scheint kein Mitleid zu empfinden und besteht auf sein Recht: ein Pfund Fleisch von Antonios Körper.

Während Belmont von Regisseur Michael Radford als eine Art Zauberwelt inszeniert ist, voll von Licht und Farben, wirkt Venedig düster und grau. Auf den Gesichtern der Menschen liegen Schatten, die ihre Zerrissenheit und ihren Kummer widerspiegeln. Die originalgetreue Ausstattung trägt ihren Teil dazu bei, Venedig als glanzlosen, dreckigen Ort darzustellen. Radford, der auch das Drehbuch schrieb, legt somit den Schwerpunkt darauf, die Stadt als Schauplatz von gesellschaftlichen und menschlichen Konflikten zu zeigen. Die Christen handeln zwar offensichtlich nach christlichen Maßstäben, die sie aber nur bei ihresgleichen anzuwenden scheinen. So ist Antonio zwar bereit aus Nächstenliebe seinem Freund Bassanio Geld zu leihen, das er selbst gar nicht hat, aber von Nächstenliebe oder Toleranz gegenüber Juden ist nichts zu spüren.
Im Kino gab es "Der Kaufmann von Venedig" bisher nur als Stummfilm. Nebenher existieren - wie bei allen Shakespeare-Dramen - noch zahlreiche, zumeist britische Fernsehproduktionen. Höchste Zeit also, dass der Stoff nun noch einmal auf der Leinwand zu sehen ist, mit hochkarätiger Besetzung. Shylock, grandios gespielt von Al Pacino, wird gezeigt als isolierte, sich grämende Figur. Verlassen von seiner Tochter die er über alles liebt, gedemütigt aufgrund seiner Religion, die er ebenso liebt. Er erleidet Schmerzen, die sein grausames Verhalten rechtfertigen. Er will kein Mitleid schenken, weil ihm und seinesgleichen auch kein Mitleid zuteil wird. Irons und Fiennes, die beide für die Royal Shakespeare Company auf der Bühne standen, zeichnen sich aus durch perfektes, unauffälliges Spiel, das Shylock den nötigen Raum gibt. Shakespeares Verse bleiben dabei bis auf sinnvolle Kürzungen ziemlich wortgetreu erhalten, was für den ungeübten Zuschauer allerdings etwas gewöhnungsbedürftig sein dürfte.

Auf der einen Seite kritisiert der Film mit der menschlichen Figur von Shylock den Anti-Semitismus. Auf der anderen Seite sind aber gerade seine Gegenspieler Bassanio, Portia und der bemitleidenswerte Antonio die Sympathieträger des Stückes. Als gelungene Interpretation von Shakespeares Drama zeigt "Der Kaufmann von Venedig" also, wie schwer die gesellschaftlichen Konflikte sind, die selbst die Menschlichkeit versagen lassen, bei Juden und Christen gleichermaßen.

Bilder: Copyright

8
8/10

Ich wusste zuerst nicht, was ich von dem Film halten soll.
Generell finde ich, dass der "Kaufmann von Venedig" wahnsinnig schwer zu inszenieren ist(im Film und im Theater).

Warum besitzt das Stück einen fünften Akt?
Dieser ist vollkommen überflüssig.
Shylock wird bei der Gerichtsverhandlung "zerstört"
und dann nie mehr erwähnt.
Antonio bleibt blass.

Was soll uns die Handlung heute noch mitteilen?
Zinsen nehmen ist kein Wucher mehr!

Zudem ist Shylock äußerst schwierig darzustellen.
- Bösewicht oder hat er ein Recht auf Rache als gedemütigter Mensch?

Und eben das kaum Vorstellbare schafft Pacino!
Er spielt Shylock bewegend, wie auch Jeremy Irons
es schafft, Antonio zweidimensional erscheinen zu lassen.

Es ist der Film dieser beiden Schauspieler und sie
erfüllen ihre Rollen exzellent.

Im übrigen geben auch die anderen Schauspieler gute Leistungen ab.

Inszenatorisch allerdings fehlt die Würze!

Wir sind nicht mehr in den Fünfzigern!
Filme dürfen wagen
- erst dann gewinnen sie auf voller Länge!

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