Es gibt Filme, bei denen man sich auf keinen Fall vor dem Kinobesuch das Ende verraten lassen sollte, wenn man sich den Spaß an ihnen nicht komplett verderben lassen will. Und es gibt Filme, bei denen man von Anfang an weiß, wie sie ausgehen werden, weil das Happy End unausweichlich scheint. "Der Klang des Herzens" gehört zwar definitiv in die zweite Kategorie, der Film dürfte es aber dennoch schaffen, viele Zuschauer gleich mehrmals zu überraschen - allerdings kaum auf positive Weise.
Freddie
Highmore, in den letzten Jahren Hollywoods begehrtester
Kinderstar
("Charlie
und die Schokoladenfabrik",
"Wenn
Träume fliegen lernen"),
spielt hier den elfjährigen Waisenjungen Evan, der seine
Eltern
nie kennen gelernt hat. Dies ist nicht verwunderlich,
schließlich
wissen diese gar nichts von seiner Existenz. Evans Vater,
der irische
Rockmusiker Louis Connelly (Jonathan Rhys Meyers), und
seine Mutter,
die begabte Cellistin Lyla Novacek (Keri Russell), haben
einst nach
einer Party eine leidenschaftliche Nacht zusammen
verbracht. Lyla
wurde schwanger, erlitt aber kurz vor der Geburt ihres
Kindes einen
Unfall, nach dem sie ihr Vater - in dem Bestreben, ihre
Karriere
um jeden Preis weiter voranzutreiben - in dem Glauben
ließ,
sie habe eine Fehlgeburt erlitten.
Elf Jahre später haben die beiden ihre Musikerkarrieren
längst
aufgegeben und sich seit jener Nacht nicht mehr wieder
gesehen.
Ihr gemeinsamer Sohn lebt in einem Waisenhaus und hat
offensichtlich
die vereinigten musischen Talente seiner beiden
Elternteile geerbt:
Wo immer er sich aufhält, stets nimmt er um sich herum
Musik
war - das Rascheln der Gräser, das Zuschlagen von Türen
und andere Alltagsgeräusche verweben sich in seinem Kopf
zu
einem nur für ihn wahrnehmbaren Klangteppich. Obwohl er
nichts
von seinen Eltern weiß, reißt er eines Tages aus dem
Waisenhaus aus, um sich auf die Suche
nach ihnen zu machen. Mitten in New York trifft er
schließlich
auf einen Mann namens Maxwell "Wizard" Wallace (Robin
Williams), der obdachlose Kinder als Straßenmusiker für
sich arbeiten lässt. Dieser erkennt Evans musikalisches
Talent,
verpasst ihm den Künstlernamen August Rush und hofft, dass
der Junge ihm viel Geld einbringen wird. Doch Evan/August
hat andere
Pläne: Er glaubt, mit Hilfe seiner Musik auf wundersame
Weise
seine Eltern auf sich aufmerksam machen zu können, um sie
endlich
kennen zu lernen und mit ihnen als Familie vereint zu
sein.
Wie erwähnt ist "Der Klang des Herzens" einer der
Filme, bei denen von vornherein klar ist, dass alles auf
ein glückliches
Hollywood-Ende hinausläuft. Doch dass die Drehbuchautoren
es
wagen, auf dem Weg dahin eine so sehr mit Kitsch und
Pathos überladene
Story abzuliefern, die noch dazu mit einer unglaubwürdigen
Wendung nach der anderen aufwartet, das überrascht dann
schon
wieder und lässt selbst so manch realitätsferne
Liebesschnulze
im Vergleich dazu fast wie eine Dokumentation wirken. "Der
Klang des Herzens" lässt wirklich kein Klischee und keine
noch so konstruiert wirkende Story-Unwahrscheinlichkeit
aus. Dass
Evans Eltern zufällig beide gleichzeitig ihre alten
Musikerkarrieren
reaktivieren wollen und sich deshalb zur selben Zeit wie
ihr Sohn
in New York aufhalten, wirkt gegen die völlig unglaubhafte
Entwicklung, die Evans Leben im letzten Drittel des Films
nimmt,
noch wie ein genialer dramaturgischer Kniff.
Leider
ist die Handlung jedoch nicht das einzige, was bei diesem
Film gründlich
daneben gegangen ist. Regisseurin Kirsten Sheridan will
die Geschichte
mit all ihren emotionalen Höhepunkten dem Zuschauer so
nahe
wie möglich bringen und weiß zu diesem Zweck scheinbar
kein anderes Mittel einzusetzen, als fast im
Zehnminutentakt Szenenmontagen
einzubauen, die einen oder mehrere der drei
Hauptprotagonisten beim
Musizieren zeigen, umkreist von einer beim Kinobesucher
irgendwann
Schwindelanfälle erregenden Kamera. Spätestens, wenn zum
dritten Mal das voneinander getrennte Traumpaar aus
Rocksänger
und Cellistin auf diese Weise zusammen geschnitten und
diese Montage
mit einer Art Remix aus Klassik und Rock unterlegt wird,
hat auch
der letzte Zuschauer kapiert, dass die beiden sich
plötzlich
wieder ganz schrecklich nach einander sehnen.
Auch
von darstellerischer Seite gibt es leider wenig Positives
zu vermelden.
Keri Russell und Jonathan Rhys Meyers spielen beide
belanglos und
austauschbar; das liegt zugegeben aber zu einem nicht
geringen Teil
daran, dass ihre Rollen einfach viel zu platt sind und das
Bisschen
an Entwicklung, das ihre Figuren durchmachen, bis ins
letzte Detail
vorhersehbar ist.
Auch Freddie Highmore, der seine Schauspielkünste trotz
seiner
Jugend ja bereits eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat,
kann
gegen die Eindimensionalität, die seiner Figur durch das
Drehbuch
vorgegeben ist, wenig ausrichten. So darf er zwar
abwechselnd sehnsuchtsvoll
in die Kamera schauen und sich dann wieder an seiner
Gitarre ausleben,
wirkt dabei aber seltsam verloren. Für einen Lichtblick
sorgt
allenfalls Robin Williams als durchgedrehter Ex-Musiker,
dessen
Präsenz den Film für ungefähr eine Viertelstunde
aufwertet. Von ihm hätte man gerne mehr gesehen.
Hinsichtlich der voller unglaubwürdiger Entwicklungen steckenden Handlung und des überladen wirkenden Inszenierungsstils wäre weniger hier mal wieder mehr gewesen. Natürlich kann man sich bei "Der Klang des Herzens" im Kinosessel zurücklehnen und ein paar schöne Bilder genießen; man kann aber auch einfach nur den Kopf darüber schütteln, dass hier ein unausgegorener Mix aus Drama, Romanze und Märchen auf die Zuschauer losgelassen wird, den die Filmemacher in dieser Form auch noch ernst meinen.
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