Der kleine Nick

Originaltitel
Le petit Nicolas
Land
Jahr
2009
Laufzeit
91 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Volker Robrahn / 3. September 2010

 

Wenn es nach dem kleinen Nick (Maxime Godart) geht, müsste sich an seinem Leben im beschaulichen Frankreich der späten 50er Jahre eigentlich überhaupt nichts ändern. Für seine Eltern (Kad Merad, Valerie Lemercier) ist er ihr Ein und Alles, er hat ein paar tolle Freunde und selbst beim Lernen in der Schule ergeben sich genug Möglichkeiten für Späße, auch wenn diese die gutmütige Lehrerin (Sandrine Kiberlain) schon ab und zu leicht verzweifeln lassen. Dieses schöne Leben droht jedoch aus den Fugen zu geraten, als Nick plötzlich eindeutige Hinweise dafür zu erkennen glaubt, dass bei seinen Eltern ein weiteres Baby im Anmarsch ist. Aus den Berichten anderer Kinder, denen das Gleiche widerfuhr, weiß er bereits, dass die auf einmal dann nicht mehr im Mittelpunkt standen. Man munkelt sogar, dass der eine oder andere einfach ausgesetzt und zurückgelassen wurde. Um diesem grausamen Schicksal zu entgehen, müssen nun also fleißig Pläne geschmiedet werden.

Rene Goscinny war ein Genie. Der bereits 1977 im Alter von nur 51 Jahren verstorbene Autor besaß die seltene Gabe über ein Humorverständnis zu verfügen, welches wie bei kaum einem anderen so ambivalent Kinder und Erwachsene gleichzeitig begeistern konnte, da es auf mehreren Ebenen funktionierte. Je nach eigenem Alter und Entwicklungsstand des Lesers standen Goscinnys Schöpfungen wie "Asterix" oder "Lucky Luke" daher entweder für unbeschwerte, einfach nur witzige Unterhaltung oder eben auch für ein geistreiches, mit zahllosen Anspielungen gespicktes Spiel mit der Kulturgeschichte. In den rund 20 Jahren, in denen Goscinny sich auf dem Zenit seines Könnens befand, hat er diese Kultur daher selbst um unzählige unvergessliche Kleinodien bereichert.
Es ist jedoch bisher nie gelungen, diesen ganz speziellen Humor auch nur annähernd überzeugend auf das Medium Film zu übertragen. Ob nun als Zeichentrick- oder Realverfilmung, stets gingen entscheidende Teile verloren, so dass das Ergebnis dann halt im besten Falle nur noch ein netter, aber oberflächlicher Spaß und viel zu oft leider einfach eine furchtbar platte Klamotte war. Eine Tatsache, welche mit dem kürzlich bei uns auf DVD erschienenen und auch im TV ausgestrahlten, unsäglichen Realfilm zu seiner dritten großen Comic-Serie "Isnogud" gerade erst wieder überzeugend untermauert wurde
Es gibt aber noch ein weiteres, sehr erfolgreiches Goscinny-Werk, das als von Jean-Jaques Sempe illustrierte Kinderbuchreihe etwas aus dem Rahmen fällt, nichts desto trotz aber in Frankreich ebenfalls Millionen Exemplare verkaufte, nämlich den "Kleinen Nick". Und siehe da: Diesmal ist sie dann auch endlich gelungen, die Umsetzung in einen wundervollen Kinofilm.

Es ist natürlich ein sehr künstlicher, in sich geschlossener autarker Kosmos, in dem diese Geschichten angesiedelt sind. Derart friedlich, harmlos und seltsam unberührt von Fernsehen, Radio oder gar Verbrechen, war diese Welt eigentlich schon zu ihrer Entstehungszeit hoffnungslos veraltet. Und doch verbreitet sie ein Flair und einen Zauber, bei dem sich wohl so ziemlich jeder einbildet, genau so eine Kindheit erlebt zu haben - oder sich das zumindest wünscht. Aus Kindersicht in eher einfachen Sätzen erzählt, registriert man nur als Erwachsener, was da meistens wirklich vor sich geht, während es an den ständig mit neuen Aufregungen beschäftigten Kindern mehr oder weniger vorbeiläuft.
Das gilt auch für den als Aufhänger gewählten Handlungsstrang um das angeblich bevorstehende zweite Baby, von dem wir als Zuschauer sehr schnell wissen, dass es dieses gar nicht gibt und es sich bei Vater und Mutter in Wahrheit gerade um ganz andere Dinge dreht. Dieses Element dient aber sowieso nur als dünner roter Faden, denn mit einer wirklichen Geschichte im Sinne eines Plots mit Anfang und Ende haben wir es hier eh nicht zu tun, viel mehr mit einem kurzen Einblick in eine sehr liebenswerte Welt, die für den äußeren Betrachter noch dazu wesentlich komischer und witziger daherkommt, als für die darin Involvierten. Es ist der feine, fast zurückhaltende Humor, der sich zudem fast nie über seine Figuren selbst lustig macht, der diese Goscinny-Adaption so wohltuend von allen bisherigen Versuchen unterscheidet.

Ohne eine auch in den Nebenrollen nahezu perfekt ausgewählte Besetzung hätte das alles aber nicht funktioniert, und so müssen auf jeden Fall auch über die Darsteller noch ein paar Worte verloren werden. Bei den - zugegebenermaßen meist auf nur eine herausragende Eigenschaft reduzierten - kindlichen Nebendarstellern war die Besetzung wohl noch am Einfachsten, bei der Hauptfigur Nick vermutlich schon weniger. Mit dem netten (aber nicht zu netten) und hübschen (aber nicht zu hübschen) zehnjährigen Debütanten Maxim Godart hat man aber eine gute Wahl getroffen, denn der legt seinen Nick zwar liebenswert, aber auch nicht zu süß und naseweis an. Bei den Erwachsenen ragen zwei Darsteller heraus: Der seit "Willkommen bei den Sch'tis" auch hierzulande recht bekannte Charakterkopf von Kad Merad als Nicks von den Mühen mit Familie und Beruf oft etwas überforderte Vater, und vor allem Sandrine Kiberlain als stets etwas verkrampfte und um Strenge bemühte Klassenlehrerin, die aber natürlich in Wahrheit alle ihre Schüler ins große Herz geschlossen hat.
Alle diese Gestalten tummeln sich dann in einer übersichtlichen, pittoresk anmutenden Kleinstadt, die das Ausstattungsteam mit viel Aufwand entworfen und stimmig umgesetzt hat, ohne die daraus zwangsläufig resultierende Künstlichkeit des Ganzen leugnen zu wollen. Diese stets vorhandene Liebe zum Detail zeigt sich auch in der Szene, in der Nicks Bande versucht an Geld zu kommen, indem sie den anderen Kindern einen angeblich superstark machenden Zaubertrank verkauft und somit einen augenzwinkernden Gruß in Richtung der Goscinny-Schöpfung "Asterix" schickt.

"Der kleine Nick" ist in der Tat derart bezaubernd, dass man dieses Adjektiv hier auch noch ein zweites Mal verwenden darf, und es ist einfach rundherum erfreulich, wenn eine Adaption tatsächlich mal so überzeugend gelingt. Für jeden, der sich nicht gerade am gleichen Tag seine Lippen hat operieren lassen, dürfte es daher praktisch unmöglich sein, den Saal nach der Vorstellung nicht mit einem Lächeln auf dem Gesicht zu verlassen.

Bilder: Copyright

Da werden Kindheitserinnerungen wach! Habe selber 3 Bücher aus der Reihe gelesen und sie haben mich in der ganzen Grundschulzeit begleitet. Bin echt gespannt!

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9
9/10

Ein fantastischer Film. Wird den Büchern in allen Punkten gerecht. Verdiente 9 Augen.

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es lohnt sich immer wieder eure rezessionen zu lesen, denn da stößt man auf perlen von denen ich sonst nie etwas gehört hätte, und wie ihr da untertrieben habt ich musste sehr lachen in dieser film perle wie schon lange nicht mehr, vielen dank

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10
10/10

Ein wunderwunderwunderschöner Film im besten Sinne französisch! War mit meinem 6jährigen Sohn im Kino, und wir beide sind danach total geflasht rausgestolpert!
Perfekte Unterhaltung für die ganze family mit trotzdem hohem künstlerischem Wert!
Die vollen zehne von mir also, weils besser nicht geht...

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