Der schwarze Falke

Originaltitel
The Searchers
Land
Jahr
1956
Laufzeit
114 min
Genre
Regie
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 20. Juni 2010

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Schon die erste Szene ist legendär: Eine Haustür wird geöffnet, und eine Frau tritt hinaus auf ihre Veranda, mitten im sandigen Nirgendwo von Texas. Man braucht einen Moment, um mit ihr die Gestalt zu bemerken, die sich in der Ferne aus der Prärie herauslöst. Der Eindruck drängt sich auf, dass der Mann und die Landschaft eigentlich eins sind, und es ist dieser Eindruck, der viele folgende Western diese Szene ehrfurchtsvoll zitieren ließ (wie zum Beispiel Wim Wenders in "Paris, Texas"). Kein anderer Film seines Genres zeichnete den Cowboy so nachhaltig als tragische Figur, zum Aussterben verdammt in einer sich neu ordnenden Welt und für immer auf der Suche nach einem Zuhause, dass er schließlich nur in dem offenen Land findet, durch das er unentwegt schweift.
Die scheinbar idyllische Heimkehr wird denn auch sofort gebrochen. Der Mann, der dort aus der Prärie kommt, ist Ethan Edwards (John Wayne), Südstaaten-Veteran aus dem Bürgerkrieg und seit Kriegsende auf der Flucht. Die Frau, die ihn empfängt, ist nicht seine Frau, sondern die seines Bruders Aaron. Es ist nicht sein Zuhause, nicht seine Familie, und Ethan wird sich hier auch nicht zuhause fühlen. Wenn Regisseur John Ford diese Einstellung am Schluss wiederholt, hat Ethans Mission ein Ende gefunden, seine Heimatlosigkeit jedoch nicht. Er wendet sich zurück zur Prärie, aus der er gekommen ist, für immer auf der Suche nach einer Haustür, die sich hinter und nicht vor ihm schließen wird. Der so simple wie perfekte Originaltitel "The Searchers" fängt die Dualität der Geschichte perfekt ein: Oberflächlich erzählt der Film die Geschichte der Suche nach einem gekidnappten Mädchen, doch als diese vorbei ist, geht die eigentliche, die ewige Suche des Helden weiter (der deutsche Titel "Der schwarze Falke" bezieht sich auf den Namen des Kidnappers und Indianerhäuptlings in der deutschen Synchronfassung und ist für den Film so dermaßen unpassend, dass er komplett ignoriert gehört).

Ethan wird von seinem Bruder und dessen Familie in Empfang genommen, und in wenigen Minuten erfahren wir alles, was wir je sicher über Ethan wissen werden. Er verschenkt seinen Säbel und seine Kriegsorden an die Kinder, Symbole einer verlorenen Schlacht, die für ihn wertlos geworden sind, obwohl Ethan den Kampf nie aufgegeben hat: Er beharrt darauf, dass sein Schwur auf die Südstaaten immer noch Geltung hat. Eine Weigerung, die verlorene Ordnung loszulassen, die nicht nur sinnbildlich für Ethans "Verdammnis" zum ewigen Umherwandern steht, sondern sich auch in seiner zweiten hervorstechenden Eigenschaft spiegelt: Ethan ist ein Rassist. Als Martin Pawley, der Adoptivsohn seines Bruders, den Raum betritt, mustert Ethan ihn mit schiefem Blick und stellt sofort abschätzig fest, dass Martin ein Mischblut ist, teils weiß, teils Indianer. Woher Ethans abgrundtiefer Hass auf Indianer herrührt, wird niemals erklärt, doch er wird zu seiner entscheidenden Triebkraft für den Rest des Films werden.
Niemals ausgesprochen wird auch die Liebe zwischen Ethan und Martha, der Frau seines Bruders. Da sind einzig der sanfte Umgang miteinander und die stillen Blicke, die die beiden teilen, aber das ist genug, um den Figuren weitere, traurige Tiefe zu verleihen. Die Tragik folgt auf dem Fuße: Während Ethan und Martin mit einem lokalen Suchtrupp aufbrechen, um indianische Viehdiebe zu stellen, werden Aaron und seine Familie von den Indianern überfallen. Die Eltern und der Sohn werden skalpiert, die Schwestern Lucy und Debbie verschleppt. Ethan verliert keine Zeit und bricht noch von der Beerdigung mit einem kleinen Trupp auf einen blinden Rachefeldzug auf, der schon nach wenigen Filmminuten die moralische Standfestigkeit dieses vermeintlichen Helden in ein zweifelhaftes Licht rückt: Als die Gruppe auf die frische Grabstätte eines Indianers stößt, schießt Ethan dem Leichnam beide Augen aus. Als ihn der Reverend fragt, was ihm das gebracht hat, erläutert Ethan eiskalt: "Nach dem, was Sie predigen, nichts. Aber nach dem, was dieser Comanche glaubt, kann er ohne Augen nicht in die ewigen Jagdgründe finden, und muss auf ewig zwischen den Winden umherirren."

Diese Szene raubt beim ersten Betrachten den Atem, so unfassbar erscheint die von abgrundtiefem, blindem Hass geschürte Geste gerade weil sie von keinem Geringeren als John Wayne kommt, diesem ewigen Denkmal rechtschaffener, amerikanischer Moral. Regisseur John Ford setzte den Mythos Wayne, den er selbst entscheidend mitgeprägt hatte, kongenial ein, um hier eben jenen Archetypen des Westernhelden zu brechen, den Wayne wie kein anderer versinnbildlichte. Wenig überraschend, dass John Wayne selbst hier die vielleicht beste schauspielerische Leistung seiner Karriere ablieferte, gab "The Searchers" ihm schließlich Dimensionen und Abgründe zu spielen, die seinen bisherigen (und späteren) Filmfiguren prinzipiell untergesagt geblieben waren.
Bald darauf findet Ethan die geschändete Leiche der jugendlichen Lucy, und der Suchtrupp reduziert sich schließlich auf ihn und Martin. Der Rassist und der Halbindianer gehen gemeinsam auf die letztlich über fünf Jahre dauernde Suche nach ihrer überlebenden Nichte und Schwester, immer auf der Fährte des Stammes von Kriegshäuptling Scar, der Debbie verschleppt hat. Es ist die lange Dauer dieser Suche, die Ethans Motive schließlich tragisch verschiebt: Nur in einer Szene deutet er an, dass sie Debbie finden müssen, bevor es "zu spät" ist. Auch dies wird nicht deutlich ausgesprochen, aber Ethan spricht nicht davon, dass Debbie sterben könnte. Das Mädchen ist noch ein Kind, als es entführt wird, aber Ethan weiß, dass sie zu einer Mätresse des Häuptlings werden wird, sobald sie alt genug ist. Derart "beschmutzt", wird Debbie in den Augen ihres Onkels selbst zu einem wertlosen Indianer, und verdient für diese Schande nur eins: den Tod.

"The Searchers" ist der unbestreitbare Höhepunkt sowohl im Schaffen von John Ford als auch von John Wayne, die gerade durch ihre zahlreichen gemeinsamen Arbeiten das Western-Genre prägten wie kein anderer Regisseur und kein anderer Darsteller. Nicht nur das manifestiert seine Ausnahmestellung in der Filmgeschichte, sondern auch und vor allem seine Geschichte von einem ewig getriebenen Mann, der Ordnung in eine Welt zu bringen versucht, die ihn bereits vergessen hat. Dieses Grundthema von "The Searchers" ist seitdem viele Male zitiert und neu interpretiert worden, am Berühmtesten von Martin Scorsese und seinem Autor Paul Schrader in "Taxi Driver". Auch Travis Bickle (Robert de Niro) kehrt dort als Veteran aus einem verlorenen Krieg zurück (in seinem Fall Vietnam) in eine Welt, die für ihn die Ordnung verloren hat. Und genau wie Ethan unternimmt Travis einen verzweifelten (sinnlosen) Versuch, durch die Errettung eines geschändeten Mädchens die Ordnung wieder herzustellen.
Ethans innerer Antrieb ist aus Verzweiflung geboren, die Errettung (oder, falls "zu spät": die Ermordung) von Debbie ist seine einzige und letzte Gelegenheit, ein letztes Bisschen jener "alten Ordnung" zu bewahren, die für ihn sinn- und identitätsstiftend ist. Es ist so gesehen ein sinnloses Unterfangen, ist Debbies Schicksal für Ethan doch nur ein psychologisches Substitut für eine Welt, die für ihn längst verloren ist. So bleibt Ethan eine tragische Gestalt, für die es vielleicht Erlösung, aber kein Glück mehr gibt. Zu sehr ist er in seiner alten Ordnung und damit auch in seinem Rollenbild verfahren, gefangen im Schicksal eines echten Cowboys, die wahren Tiefen seiner Person hinter einer fast ritterhaften Fassade von Unerschütterlichkeit verbergen zu müssen.

"The Searchers" ist in vielen Belangen ein grandioses Meisterwerk, von der Schauspielleistung John Waynes über das hervorragende Drehbuch von Frank S. Nugent, das mit seiner kargen Sprache und markanten Onelinern einige Sätze enthält, die selbst heute noch als endlos cool durchgehen würden, bis hin natürlich zu John Fords Inszenierung, der einen Großteil des Films an Originalschauplätzen im Monument Valley drehte und die atemberaubende Schönheit dieser Gegend in ebenso atemberaubenden Bildern einfing, die in der Geschichte des Westerns ihresgleichen suchen.
Ein makelloses Meisterwerk ist der Film allerdings nicht, davor steht der Subplot um Martin und seine Angebetete Laurie, die während der jahrelangen Suche nach Debbie daheim verzweifelt auf Nachricht oder Besuch von Martin wartet. Obwohl dieser Subplot strukturell und erzählerisch teilweise kongenial eingeflochten ist und der Geschichte einen interessanten Aspekt zufügt, indem er auch die Auswirkungen der obsessiven Suche auf Martin und sein Leben illustriert, vergreifen sich Ford und Nugent hier im Tonfall: Mit nettem, trockenen Humor und sogar etwas Slapstick soll der Strang als komische Auflockerung dienen, was aber gerade angesichts seiner dramatischen Schlussnote eine unglückliche Wahl ist und sich auch nicht vernünftig in den restlichen Film einfügt.
Dies bleibt allerdings auch der einzige, leicht verzeihbare Schwachpunkt eines ansonsten durchweg genialen Ausnahmewerks, welches quasi im Alleingang sein Genre in eine neue Richtung stieß und den Weg für ähnlich brillante Spätwestern wie Sam Peckinpahs "The Wild Bunch" oder Clint Eastwoods "Erbarmungslos" bahnte. Und wie häufig kommt es schon vor, dass sich große Filmemacher auch fast ein halbes Jahrhundert später noch ehrfürchtig vor solch einem Vorgänger verbeugen?

Das wird auch im Bonus-Material der inzwischen erschienenen Special Edition-Doppel-DVD von "The Searchers" deutlich, die den Film komplett restauriert in atemberaubend kräftigen Bildern wieder aufleben lässt. In der Dokumentation "Der schwarze Falke: Eine Würdigung" analysieren und erläutern Martin Scorsese, Curtis Hanson ("L.A. Confidential") und John Milius (Autor von "Apocalypse Now"), allesamt große Bewunderer von John Ford und seinem Werk, den Film ehrfurchtsvoll und geben Einblicke in Bildsprache, Aussagen und Nachwirkungen von "The Searchers". Ähnliches leistet auch der begleitende Audiokommentar von Regisseur Peter Bogdanovich.
Der Rest des Materials fällt hingegen weniger interessant aus: Etwas umständlich und irreführend betitelt, vermengt die unbeholfen montierte, 30-minütige Dokumentation "A Turning of the Earth: John Ford, John Wayne und Der schwarze Falke" Bildmaterial von den Dreharbeiten mit Zitaten von Schauspielern und den damals ebenfalls anwesenden Söhnen Fords und Waynes. Der Versuch, auf diese Weise eine retrospektive Entstehungsgeschichte des Films zu erzählen, ist zwar löblich, verliert sich aber eher in einer nur bedingt interessanten Anekdotensammlung.
Unter dem Titel "Hinter den Kulissen" verbirgt sich schließlich ein dreiteiliges Special aus dem Rahmenprogramm, mit dem Kinovorführungen in den 50ern noch angereichert wurden, um Werbung für weitere Produktionen zu machen. Dieses Material ist höchstens als Kuriositätenkabinett sehenswert, mit seinen Eindrücken der frühen Formen von Making-of-Promotion, einem rauchenden Moderator, der mitten in der Sendung Zigarettenwerbung macht, und einem bedenkenlosen Rassismus, wenn der Moderator und die junge Natalie Wood über Indianer scherzen.


Definitiv kein schlechter Film und gewiss stilbildend, ABER: Reaktionär bis zum Anschlag. Die Indianer sind mordende Horden, die trotz Überzahl immer wieder von den "guten Weißen" niedergeschossen werden. Die Frauen verhalten sich wie Dienerinnen, die sofort losheulen/-kreischen, wenn etwas Schreckliches passiert ist.
Und was die Schauspielleistung von John Wayne angeht, so ist sie sicherlich sehr gut, allerdings nur für sein Niveau. Der Mann war nie ein richtig guter Schauspieler und ist es auch in diesem Film nicht, zumal das Drehbuch nur markige Sprüche und eine fiese Miene fordert.
Kein schlechter Film, aber ein Meisterwerk???

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6
6/10

So richtig gefallen hat mir der Schwarze Falke auch nicht. Ich habe da bessere John Wayne Filme im Auge, wie, Der letzte Befehl und noch einige andere! Der Schwarze Falke, und überhaupt Filme mit Indianer(ich bin einfach kein Fan der Indianer, egal ob gut oder Böse), gefallen mir einfach nicht, so einfach ist das! :-)

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6
6/10

Ich kann ehrlich gesagt nicht nachvollziehen wie dieser Film in die Gold!-Liste aufgenommen werden kann. Auch wenn der Film sicherlich sehr starke Momente hat, die vielleicht sogar die Filmgeschichte geprägt haben und mit beeindruckenden Landschaftsaufnahmen überzeugt, so ist doch die Story sehr trivial und steckt voller platter Klischees. Ein amerikanischer Heldenepos (auch wenn John Wayne eine eher ambivalente Heldenrolle spielt),in dem zwei Männer einen ganzen Indianerstamm verfolgen (einfach lächerlich!). John Wayne ist (trotz seiner charakterlichen Schwächen) der Mann, der alles im Griff, sich vor rein gar nichts fürchtet und vermutlich könnten seine Feinde zu Hunderten auftreten, er würde sie immer noch besiegen. Die Indianer sind die Bösen und auch nicht intelligent genug zwei sie verfolgende Weiße zu töten (obwohl es sicherlich ein leichtes gewesen wäre). Ethan und Martin kommen nach jahrelanger Suche natürlich gerade in dem Moment zurück als die Hochzeit zwischen seiner Angebeten Laurie stattfinden soll, was für ein Zufall??
Hinzu kommt dass einige eingeschobene Gags , wie oben in der Kritik erwähnt doch eher deplaziert wirken.
Aus meiner Sicht ist der Film mit sechs Augen gut bedient.

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