Die andere Seite des Mondes

Originaltitel
La face cachee de la lune
Land
Jahr
2003
Laufzeit
105 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 6. Januar 2011

 

Im ersten Moment ist man sich nicht mal sicher, ob das nun ein Männlein oder Weiblein ist. Wenn Philippe einsam im Waschsalon die Trommel voll stopft und uns das drehende Bullauge kurz darauf als eine Art Raumschiff mit auf den Mond nimmt, kristallisiert sich allerdings recht schnell heraus, womit wir es hier zu tun haben. Mit einem verschrobenen, rund vierzigjährigen Träumer, dessen Leidenschaft der Weltraum und die russischen (!) Kosmonauten sind und der daher nicht gerade fest mit beiden Beinen auf der Erde und in seinem Apartment im kanadischen Montreal steht. Philippes Gegenstück ist sein Bruder Andre, ein von sich selbst eingenommener und demonstrativ erfolgreicher Mensch vom Planeten Fernsehen, wo er als Wetterfrosch arbeitet. Durch die Nachlassverwaltung ihrer kürzlich verstorbenen Mutter sind die beiden Ungleichen gezwungen, sich nach Jahren mal wieder etwas mehr miteinander zu beschäftigen. Es ist die Zeit für Erinnerungen an eine schwierige gemeinsame Kindheit mit einer egoistischen Mutter und die Suche nach einem Platz im Leben. Dabei macht schließlich nicht nur der verträumte Philippe ganz neue Erfahrungen, auch sein sonst so oberflächlicher Bruder beweist, dass er noch eine andere Seite hat.

Denn die dunkle Seite des Mondes sieht man nicht, und als die Wissenschaft dies mit Hilfe einiger technischer Tricks schließlich doch irgendwann möglich machte, war das, was uns die von der Sonne unbeschienene Seite offenbarte, eher trübe und hässlich. Doch zum Gesamtbild gehört auch diese Seite, wie uns Erzähler Philippe in seinen äußerst amüsanten Kommentaren klar macht, in denen er sein ganz eigenes Bild vom Zustand der menschlichen Zivilisation entwickelt. Der frustrierte Philippe wird schließlich sogar einige kleine Erfolge haben. Nicht bei der Arbeit in einem trüben Callcenter und auch nicht unbedingt bei den Frauen, aber seinen russischen Kosmonauten wird er treffen und seinem Bruder etwas näher kommen. Viel mehr wird nicht passieren in diesem versponnenen, aber äußerst unterhaltsamen kleinen Film, der auf der Berlinale den Preis der Filmkritik gewann und daher nun mit fast dreijähriger Verspätung noch zu uns in die Kinos kommt.

Zeit mitbringen, sich entspannt zurück lehnen und die Bereitschaft mitbringen, sich ein wenig verzaubern zu lassen, das ist sicher die richtige Einstellung mit der man für "Die andere Seite des Mondes" ins Kino gehen sollte. Dann kann man sie recht schön genießen, die One-Man-Show des Robert Lepage. Der kanadische Theatermacher zeichnet nämlich nicht nur für Regie und Drehbuch verantwortlich, sondern übernimmt auch gleich beide Rollen der ungleichen Brüder. Und wenn man das nicht schon vorher weiß, wird man es zunächst kaum bemerken, was natürlich als Kompliment zu verstehen ist. Eine hervorragende Leistung, diese zwei Charaktere sowohl äußerlich als auch von ihrer Körperhaltung und ihren Bewegungen her so überzeugend (und unterschiedlich) darzustellen. Wobei die Figur des Philippe allerdings klar dominiert und Andre deutlich schlichter charakterisiert ist, in erster Linie ist er sogar nur für zahlreiche Lacher gut.

Absurde Situationen und einige tragikomische Momente bilden die Höhepunkte dieser mitunter etwas ziellosen Reise ins Ich. Dazu gehören ein eingefrorener Goldfisch und ein gelangweilter Barkeeper, der auf Philippes engagierten Vortrag über den Wettlauf zum Mond mit der lapidaren Frage "Wie, die Russen hatten auch ein Raumfahrtprogramm?" reagiert. Ab und zu ist man dann ganz nah bei dem liebenswerten Loser, der vielleicht gar nicht unbedingt einer ist. Aber manchmal ist es doch eher mühselig ihm zu folgen, seine Gedanken alles andere als schlüssig und die plötzlich präsentierte attraktive Exfreundin auch eher unglaubwürdig. Zudem kann man einige ungewollt komische Spezialeffekte auch unter Berücksichtigung des schmalen Budgets nicht wirklich tolerieren.

Die allermeisten Szenen sind dem Allroundtalent Lepage aber ausgezeichnet gelungen, und mit seinen magischen Momenten, seinen Bildmontagen und der gesamten lakonischen Inszenierung erweist er sich als eine Art kanadischer Kaurismäki, denn die Tonart des finnischen Meisters der Melancholie trifft Lepage doch ziemlich genau. Ob dies nun bereits sein Opus Magnum darstellt oder er uns noch mehr zu sagen hat, bleibt abzuwarten. Für "Die andere Seite des Mondes" sprechen wir aber auf jeden Fall eine Empfehlung aus.

Bilder: Copyright

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