Die Geschwister Savage

Originaltitel
The Savages
Land
Jahr
2007
Laufzeit
114 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Moritz Piehler / 31. Juli 2010

Tod und geistiger Verfall, Demenz, der Verlust der Würde, die Unfähigkeit mit Verlust umzugehen - das sind Themen, die eher in einem aktuellen Gesellschaftsdiskurs im Feuilleton erwartet würden als in einer Hollywoodkomödie. Wie schafft man es bloß, Leichtigkeit in dermaßen schwer im Magen liegende Themen zu bringen (ohne dabei Jack Nicholson und Morgan Freeman auf ein Motorrad setzen zu müssen)? Voraussetzung dafür ist ein exzellentes Ensemble aus glaubwürdigen Darstellern. Diese hat Regisseurin und Drehbuchautorin Tamara Jenkins erfüllt, indem sie mit Philip Seymour Hoffman und Laura Linney zwei der besten Charakterdarsteller von der traurigen Gestalt mit ins Boot geholt hat, die Amerika zu bieten hat. Lange führten beide ein eher unbeachtetes Schattendasein, doch das hat sich spätestens seit Hoffmans Oscar-Auszeichnung (für "Capote", 2006) und Linneys dritter Nominierung in diesem Jahr geändert. In "Die Geschwister Savage" dürfen beide voll ausspielen, was ihre Schauspielkunst ausmacht. Jenkins hat mit dem Geschwisterpaar Savage zwei skurrile Figuren mit leicht verkorksten Leben und einem feinen Gespür für die richtigen Töne geschaffen, die mit Hoffman und Linney ideal besetzt sind. Die Handlung des Films ist relativ einfach gestrickt: Die distanzierten Geschwister befinden sich beide in Midlife-Krisen, als die Lebensgefährtin ihres Vaters Lenny stirbt und sie vor dem Problem stehen, was sie mit dem an Demenz erkrankten Vater anfangen sollen. Auch der knurrige alte Lenny ist übrigens mit Philip Bosco stark besetzt. Bosco, der auf eine lange Karriere an Neben- und Kleinstrollen zurückblickt, schafft es, den dementen Mann glaubwürdig zu verkörpern, nie gleitet seine Performance in bemitleidenswerten Kitsch ab. Die beiden Geschwister müssen sich mit ihrer Familiengeschichte auseinandersetzen, nachdem sie ihren Vater aus dem surreal wirkenden Sun City abgeholt und in einem nahe gelegenen Altersheim untergebracht haben. Dabei begeht Jenkins aber nicht den Fehler, die nur angedeutete düstere Vergangenheit zum Hauptmotiv des Films werden zu lassen. Vielmehr bildet die Vergangenheit lediglich eine Zusatzinformation für die Zuschauer, um die aktuelle Handlung und das Verhalten der Figuren nachvollziehen zu können. Während Jon seine Pflicht erfüllt sieht, nachdem der Vater im Heim untergebracht wurde, plagen die sensiblere Wendy arge Gewissensbisse. Sie versucht über die Zuneigung zu ihrem Vater die verlorenen Jahre wieder wettzumachen und ihr eigenes stagnierendes Leben zu verdrängen. Die Beziehung der Geschwister und das zurückhaltende aber eindringliche Spiel der beiden Hauptdarsteller machen den Film aus. Aus einer kindlichen Abneigung gegeneinander, die ihren Ausdruck in der gegenseitigen Abwertung der Lebensleistung findet, wird langsam ein freundschaftliches Interesse aneinander. Auch hier wird der Bogen nicht überspannt, keine kitschigen familiären Vereinigungsszenen an Weihnachten oder gegenseitige Liebesbekundungen. Hoffman und Linney sind Experten für die kleinen Gesten und leisen Momente und können ihr Talent hier voll ausspielen. Die Annäherung der Geschwister, die erst durch die schwierige Situation entsteht, wird gekonnt und mit Humor dargestellt. Ein erster erleichternder Moment kommt beispielsweise, nachdem sich Jon den Hals verrenkt hat und in einer Schlinge an der Tür hängen muss, während Wendy ihn mit einem Sandwich füttert. Die Absurdität dieses Moments spiegelt nicht nur das merkwürdige Verhältnis der beiden wieder, sondern sorgt in seiner Komik auch für eine emotionale Verbindung zwischen Jon und Wendy. Am Ende wird der Film so auch eine Geschichte über das späte Erwachsenwerden der beiden Geschwister erzählt haben. "Die Geschwister Savage" ist kein aufgeregter Film, der die allzu bekannten emotionalen Druckknöpfe betätigt, um einen Effekt zu erzielen. Ruhiger, etwas verquerer Humor und leise Bilder sorgen dafür, dass die komplizierte Familiengeschichte mit den noch komplizierteren Themen Alter und Tod zusammen erzählt werden kann, ohne aufgesetzt oder banal zu wirken. Jenkins stellt ihre skurrilen Charaktere nicht bloß und sorgt damit für eine der Thematik angemessene Ernsthaftigkeit.

Bilder: Copyright

8
8/10

philip seymour hoffman und laura linney spielen wirklich phantastisch. der filmszene-kritik ist eigentlich nichts mehr hinzu zu fügen. außer dem appell vielleicht, sich diesen film unbedingt anzuschauen – und das, wenn irgendwie möglich in der originalfassung oder als OmU.

7 punkte für den film und einen zusatzpunkt für das wunderschöne filmplakat.

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8
8/10

@zelig: ist es nicht traurig, dass 4 Wochen nach dem Start, du immer noch der Einzige bist, der diesen Film zu würdigen weiss?!
8 Augen ebenfalls von mir, obwohl ich direkt nach dem Kinobesuch kritischer war. Die Nachwirkung des Films ist jedoch nicht zu leugnen.

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8
8/10

Auch wenn ich diesen Film in deutscher Fassung sah und Philip Seymour Hoffmans Synchronstimme als Fehlgriff werten muss, finde ich ihn insgesamt sehr sehenswert. Auch wirklich immer wieder schön zu beobachten, wie Hoffman schauspielerisch weiter wächst. Sein Potential ist enorm.

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10
10/10

der film hat volle 10 verdient. er ist intensiv und bewegent ohne depressiv oder gefühlsduselig zu sein. das thema finde ich auch super, handelt es sich doch um etwas alltägliches und unumgängliches. nett sind auch die kleinen botschaftrn in manchen szenen. schade das es nicht mehr filme gibt wie diesen. every day is a new beginning...

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