Die letzte Festung

Originaltitel
The last castle
Land
Jahr
2001
Laufzeit
120 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 27. Februar 2011

Robert Redford wird älter. Das macht sich nicht unbedingt an mehr Falten bemerkbar, denn die zeichnen das Gesicht des legendären Blauauges schon etwas länger, sondern daran, dass er sich in seinem neuen Film ohne größere Gegenwehr erbarmungslos die Show stehlen lässt. Denn der König der titelgebenden Festung ist eindeutig James Gandolfini.
Bei diesem Mauerwerk handelt es sich um ein Militärgefängnis für US-Marines. Alle Insassen sind Elitesoldaten, die sich das eine oder andere haben zu Schulde kommen lassen. Geleitet wird der Knast mit eiserner Hand von Colonel Winter (Gandolfini), stolzer Besitzer einer eindrucksvollen Sammlung vom Militär-Memorabilia, die er emsig poliert. Neuester Insasse in Winter's Reich ist der Drei-Sterne-General Eugene Irwin (Redford), nach Befehlsverweigerung mit tödlichem Ausgang (alles mit heroischem Hintergrund, versteht sich) kurz vor seinem geplanten Ruhestand zu zehn Jahren verdonnert. "Sie sollten einen Stützpunkt nach dem Mann benennen und ihn nicht ins Gefängnis stecken" meint Winter ehrfürchtig vor Irwins Ankunft und will sogar um ein Autogramm in sein Buch bitten. Doch dieser Respekt verfliegt schnell. Winter hört mit, wie Irwin in Bezug auf seinen militärischen Krimskrams meint: "Wer solch eine Sammlung besitzt, hat nie wirklich auf einem Schlachtfeld gestanden." Stimmt zwar, trotzdem fühlt sich der Kommandant tief verletzt und hat Irwin von nun an auf dem Kieker. Dem wird von seinen Mitgefangenen schnell beigebracht, dass der sadistische Winter seine Insassen grundlos zu malträtieren neigt und es schon zu einigen tödlichen "Unfällen" gekommen ist. Irwin, anscheinend weder fähig noch willens seine Führungsrolle aufzugeben, beginnt mit der Redisziplinierung der Gefangenen und bildet eine einheitliche Front gegen den Direktor. Ziel: diesen zur Abdankung zu zwingen. Doch Winter gibt sich nicht leicht geschlagen, und so rückt ein offener Aufstand immer näher.

Gefängnisdramen gibt es genug, von daher erscheint das Konzept von "Die letzte Festung" nicht sonderlich einfallsreich, gewinnt dem Thema aber geschickt eine neue Variation ab, indem der Sonderstatus eines Militärgefängnisses deutlich herausgekehrt wird. Tatsächlich ist der zentrale Punkt des Films eben dieser, dass es sich hier nicht um ein gewöhnliches Gefängnis handelt und bei den Insassen nicht um gewöhnliche Gefangene. Denn während Winter in jedem der Eingesperrten primär den Verbrecher und somit den wertlosen Menschen sieht, besteht Irwin darauf, dass dies trotz allem immer noch Soldaten sind, die zwar falsches getan haben, aber dennoch zu respektieren sind. Wer hier jetzt mit dem üblichen amerikanischen Pathos rechnet und schon einmal den schnellsten Weg zum Ausgang eruiert, darf sich ruhig wieder zurücklehnen: "Die letzte Festung" schafft es, den Wert von Ehre, Disziplin und Respekt (auch als militärische Konzepte) glaubwürdig zu verkaufen, ohne dabei allzu sehr mit der Flagge zu wedeln. Auch wenn der Zuschauer nicht an diese Motive glauben mag, zumindest wirkt der Glaube der Filmfiguren daran akzeptabel.
Dank dafür gebührt sicherlich Regisseur Rod Lurie, dessen erster großer Wurf "Rufmord" (der aufgrund eines sehr zaghaften Verleihers erst im Januar in Deutschland startet) sich bereits dadurch auszeichnete, seine Figuren durch Glaubwürdigkeit aus simplen Stereotypen zu erheben. Eine Leistung, die damals wertvoll war, diesmal nötig ist, denn viele Details in "Die letzte Festung" wirken weit weniger ausgearbeitet. So wird Irwin z.B. durch einen kurzen Besuch seiner Tochter ein familiärer Hintergrund aufgedrückt, der für die gesamte Handlung ohne Bedeutung ist und auch den Charakter in keiner Weise weiterentwickelt. Und wenn es gegen Ende schließlich zum Aufstand kommt, kämpfen die Insassen mit einer Menge einfallsreicher Waffenkonstruktionen gegen die Übermacht des Wachpersonals - ohne dass jedoch auch nur eine Szene dafür aufgewandt wurde zu erklären, wo diese Utensilien überhaupt aufgetrieben wurden.
Das Endergebnis ist dementsprechend unstet: Auf der einen Seite fehlende oder überflüssige Hintergründe, auf der anderen Seite ein Geniestreich wie die Figur des Colonel Winter. Konzipiert als ein grandios erschreckender Zwitter zwischen kleinem Jungen, der seine Spielzeuge pflegt und bei der kleinsten Beleidigung sofort zu schmollen beginnt, und einem seine Macht auskostenden Sadisten, der seine Befriedigung aus provozierten Schlägereien gewinnt, wird er durch James Gandolfini in einer Art und Weise zum Leben erweckt, die den Star der in Deutschland sträflich vernachlässigten TV-Serie "Die Sopranos" nicht nur endgültig als Mime der A-Liga etabliert, sondern auch geradezu nach einer Oscar-Nominierung schreit. Umso bedauerlicher der unausgewogene Gegenpart: Aufgrund Redfords routinierter, aber energieloser Vorstellung bleibt General Irwin über die weiteste Strecke des Films ein militärischer Poster-Boy von Anstand, Würde und Ehre. Dass in diesem Charakter aber wesentlich mehr lauert und sein Verhalten durchaus als fraglich eingestuft werden kann, dringt leider nur in wenigen Szenen an den Vordergrund. Irwin trägt seinen ganz eigenen Machtkomplex mit sich herum, weiß diesen nur wesentlich besser zu verkaufen als Winter. Hier hätte die Substanz für ein wesentlich faszinierenderes Duell gelegen, die jedoch durch Simplifizierungen und mangelnde Charakterarbeit im Falle Redfords/Irwins zu einem zu einfach gestrickten Gut/Böse-Schema zerfällt.

Auch wenn "Die letzte Festung" mit seinen militärisch-moralischen Motiven weitaus eleganter und glaubwürdiger umgeht als die meisten anderen Armee-Filme aus Amerika und im letzten Drittel ungemein zu fesseln weiß, lugen doch an zu vielen Ecken verpasste Chancen und unausgegorene Skriptpassagen hervor, um von einem wirklich gelungenen Film sprechen zu können. So bleibt das Bemerkenswerteste eindeutig der große Wurf Gandolfinis, von dem wir von nun an hoffentlich (noch) mehr zu sehen bekommen.


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