Die Versuchung des Padre Amaro

Originaltitel
El crimen del Padre Amaro
Land
Jahr
2002
Laufzeit
118 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 23. Dezember 2010

Zwei mexikanische Filme sorgten im letzten Jahr für internationalen Aufruhr: Der erste, die tiefsinnige Teenager-Komödie "Y tu Mama tambien", wegen seiner schieren Qualität (weswegen er auch unisono von allen großen amerikanischen Kritikern zum besten ausländischen Film des Jahres gekürt wurde), der zweite, eben diese Literatur-Verfilmung "Die Versuchung des Padre Amaro", wegen seiner prestigeträchtigen Vorlage und dem - zumindest für gute Katholiken - sehr skandalösen Inhalt. Bei der zuständigen mexikanischen Institution hat man sich wohl gedacht, dass man mit einem Priester-Drama bei der Oscar-Akademie mehr Chancen hätte als mit einer Teenie-Komödie, und schickte ergo die Geschichte von Padre Amaro ins Rennen um den Preis für den besten fremdsprachigen Film. Glück für Caroline Link, die - mit dem härtesten Konkurrenten bereits aus dem Rennen - den Oscar einsackte, Pech für Mexiko, das sich durch diese engstirnige Entscheidung selbst um den Preis brachte.

Die portugiesische Roman-Vorlage dieses vermeintlichen Skandalwerkes stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde für die Verfilmung erst einmal komplett runderneuert: Die Übertragung der Handlung ins mexikanische Hier und Heute ließ von den Details wohl nicht mehr viel übrig, ist aus der Perspektive des heutigen Zuschauers aber sicher leichter zu verfolgen. Der junge, idealistische und aufstrebende Padre Amaro wird zur Vervollständigung seiner Ausbildung vom Bischof in die ländliche Gemeinde von Padre Benito versetzt, die eigentlich nur eine Durchlaufstation darstellen soll, bevor Amaro die höheren Ämter antritt, zu denen er berufen zu sein scheint. Im idyllischen Örtchen angekommen, stellt Amaro indes bald fest, dass hinter der gutgläubigen und hochmoralischen Fassade doch so einiges bröckelt am festen Mauerwerk des Katholizismus: Padre Benito benutzt kirchliche Fonds, um das dreckige Geld eines lokalen Drogenbarons zu waschen, und errichtet von den Gewinnen ein neues Gemeindekrankenhaus. Gleichzeitig pflegt er eine lang anhaltende Liebesaffäre mit Sanjuanera, Besitzerin der örtlichen Gaststätte. Verwirrt von dieser Doppelmoral seines neuen Vorgesetzten, findet sich Amaro allerdings bald in seinem ganz eigenen Herzensdilemma wieder: Er verliebt sich in die bildhübsche und erzgläubige Amelia, die Tochter Sanjuaneras, und ihre Affäre wird Amaro bald in Probleme stürzen, die mit keiner einfachen moralischen Lösung mehr aus der Welt zu schaffen sind.

Ein recht anspruchsvolles Unterfangen, das Regisseur Carlos Carrera hier versucht hat, denn die Aktualisierung eines Skandalromans des 19. Jahrhunderts muss in der heutigen Zeit nicht zwangsläufig dieselben Reaktionen auslösen - und das tut sie auch nicht. "Die Versuchung des Padre Amaro" krankt vor allem an der Tatsache, dass er für die meisten Zuschauer schlichtweg nicht skandalös ausfallen wird. Es hat schon mehr als genug Filme und Miniserien (man erinnere sich nur an "Die Dornenvögel") gegeben, die sich mit dem priesterlichen Zölibat und den daraus entstehenden Konflikten beschäftigt haben, so dass das Dilemma Amaros hier nichts wirklich Neues zu sagen hat, und ergo keine wirkliche Empörung auslösen kann - es sei denn, man ist überzeugter Katholik.
Denn für diese spezielle Zielgruppe wird "Die Versuchung des Padre Amaro" auf ganzer Linie funktionieren. Wenn Amelia z.B. in der Beichte gesteht, dass sie bei der Selbstbefriedigung an Jesus Christus denkt, oder Amaro seine Geliebte in ein Mariengewand hüllt, bevor er mit ihr ins Bett geht (und somit symbolisch Sex mit der heiligen Jungfrau hat), dürfte das bei den meisten Zuschauern keine besonderen Reaktionen hervorrufen, während sich die gut katholischen Teile des Publikums hier angewidert abwenden werden. Der gesamte Film basiert in seiner Dramaturgie auf explizit katholischen Symbolen und Konflikten, so dass sich die tatsächliche Schwere von Benitos und Amaros speziellen Sündenfällen und deren Auflösung für einen Nicht-Kenner der vatikanischen Institution nur schwer erschließen wird. Dass ein solcher Film sowohl bei der katholischen Kirche selbst als auch in Ländern mit stark christlichem Gesellschaftsfundament teils heftige Proteste hervorruft, ist verständlich. In tendenziell eher humanistisch veranlagten Gemeinschaften wird das Aufheben weitaus geringer ausfallen.
So begeht "Die Versuchung des Padre Amaro" aus nicht-katholisch filmkritischer Perspektive denn auch den Fehler, sich zu sehr auf die Konflikte Amaros zu konzentrieren, und den Skandal um das gewaschene Drogengeld zu schnell aus den Augen zu verlieren. Eine Antwort auf die von Benito vorgebrachte, pragmatische Entschuldigung seines Handelns (gegen die Drogen kann er nichts machen, also kann er wenigstens mit dem Geld etwas Gutes für die Gemeinde tun) liefert der Film nicht und verspielt somit leichtfertig die Chance auf eine interessante moralische Diskussion jenseits des Dogmas.

Das sind alles recht unglückliche Umstände für einen Film, der an sich von kenntnisreicher Hand inszeniert ist und in seinem begrenzten, selbstgesteckten katholischen Rahmen auch durchaus die gewünschte Wirkung zeigt, auch wenn ein anfangs reichlich behäbiges Pacing eindeutig verbesserungswürdig gewesen wäre. Besondere Erwähnung hat sich auch Amaro-Darsteller Gael Garcia Bernal verdient, der nach "Amores Perros" und "Y tu Mama tambien" bereits in der dritten international beachteten Produktion Mexikos binnen zwei Jahren eine Hauptrolle spielt. Dass er sogar von der Oscar-Akademie eingeladen wurde, um einen Preis zu übergeben, lässt erahnen, dass diesem Jungen noch eine interessante Karriere bevor steht.
Trotzdem bleibt der entscheidende Faktor für die Wirkung von "Die Versuchung des Padre Amaro" der ethisch-religiöse Hintergrund seines Publikums, und deshalb bleibt das erörterte Fazit bestehen: Ein empfehlenswerter Film für Katholiken, alle anderen Konfessionen können zuhause bleiben.


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