Echoes

Originaltitel
Stir of Echoes
Land
Jahr
1999
Laufzeit
99 min
Regie
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Frank-Michael Helmke / 30. Mai 2010

 

Zu Beginn dieses Films sitzt ein kleiner Junge namens Jake in der Badewanne, während sein Vater Tom im Nebenzimmer auf seiner Gitarre klimpert. Jake scheint ein Gespräch zu führen mit einer nicht so richtig anwesenden Person, ein Verdacht der sich bald erhärtet, als Daddy runter geht, um Jake’s Schlafanzug zu holen. Der Kleine dreht sich in Richtung Fenster und fragt: „Tut es eigentlich weh, tot zu sein?“. Und schon jagt unvermeidbar der Gedanke in den Kopf, einen schlechten Abklatsch von „The sixth sense“ zu sehen. Aber auch wenn dieser Gedanke im Laufe des Films noch einige Male auftauchen wird, muß man der Fairness halber schon sagen, daß dies relativ zufällig ist. Beide Filme wurden fast gleichzeitig produziert, und „Echoes“ basiert auf einem Roman aus den Sechziger Jahren. Wenn überhaupt, dann hat also „The sixth sense“ hier geklaut. Das hilft aber alles nichts, denn im Vergleich schneidet „Echoes“ auf jeden Fall schlechter ab.

Tom Witzky, Jake’s nichtsahnender Vater, ist einer dieser Menschen, die sich als Jugendlicher so viel vorgenommen haben, und mit Mitte Dreißig feststellen, daß sie nichts davon erreicht haben, und die Zeit langsam knapp wird. Er wohnt mit seiner Frau Maggie in einer netten Vorortgegend von Chicago, wo alles irgendwie nach Kleinstadt aussieht, man sich in der Nachbarschaft noch beim Vornamen nennt und freitags zusammen zum High-School-Football geht. Diese absichtliche Plazierung außerhalb der Großstadt gibt dem Film einen realistischen Touch, der ähnlichen Streifen meistens fehlt. Wenn die Leute in New York anfangen zu spinnen, schickt man sie zum Psychiater. Als Tom anfängt zu spinnen, macht sich seine Frau Sorgen darum, daß er seinen Urlaub aufbraucht und gefeuert wird, wenn er am Montag nicht arbeiten geht.

Tom fängt erst an zu spinnen, nachdem er aus einer Partylaune heraus von seiner Schwägerin hypnotisiert wird. Als eifriger Verfechter der Auffassung, das Hypnose ebenso wie Astrologie totaler Nonsens ist, macht sich Tom natürlich höchst verdächtig für eine baldige Belehrung. Und siehe da, er springt voll drauf an, tritt völlig ab, und während seine Schwägerin zum Beweis seiner geistigen Abwesenheit eine Nadel durch seine Hand sticht, hat Tom sehr beunruhigende Visionen, die sich aber nicht gerade in brauchbaren Bildern manifestieren. Etwas verwirrt muß Tom alsbald feststellen, daß seine Schwägerin irgendeine Tür in seinem Kopf geöffnet hat, durch die es jetzt fröhlich in seine Wahrnehmung zieht. Auf seiner Wohnzimmercouch trifft er den Geist eines jungen Mädchens, und anschließend muß ihn sein Sohn erstmal beruhigen: „Hab keine Angst, Daddy.“ Dieses Mädchen ist es, mit dem sich der Kurze so angeregt unterhält, und der scheint das ganze wesentlich lockerer zu nehmen als unser kleiner Freund in „The sixth sense“.

Tom macht sich also an die Entwirrung des Problems. Wer ist das Mädchen? Was will sie? Wieso erscheint sie gerade mir, und wieso gerade hier? Seine Visionen bieten kleine Anhaltspunkte, ein deutliches Bild entsteht aber nicht. Der Zuschauer bleibt derweil ebenso im Unklaren wie Tom selbst. Es dauert eine geschlagene Stunde, bis man ansatzweise zu ahnen beginnt, was sich abgespielt hat, und dennoch ist es am Ende noch viel komplizierter. Das ist in gewisser Weise schon faszinierend, da man die geistige Unsicherheit des Protagonisten teilt, sein Bedürfnis, nach neuen Hinweisen zu graben (im wahrsten Sinne des Wortes) und endlich Ordnung in das Chaos der Bilder zu bekommen. Andererseits hat das natürlich auch eine ermüdende Wirkung, denn sich über eine Stunde lang fragen zu müssen, wohin das alles führen soll, kann schon ganz schön nerven. Da schweift die Aufmerksamkeit ab auf die bereits erwähnten Parallelen zu „The sixth sense“, die hier ebenso zahlreich wie weniger gut umgesetzt sind; auf die billige bis billigste Effekthascherei in der ersten halben Stunde, die mysteriös wirken und Schreckmomente provozieren soll, letztendlich aber nur lächerlich ist; oder auf die Einführung einiger Subplots, von denen manche völlig belanglos wirken und auch so behandelt werden, die sich am Schluß dann als essentiell heraus stellen, und von denen andere etwas Licht in die merkwürdigen Visionen von Tom und Jake zu bringen versprechen, dann aber in dem Moment fallen gelassen werden, als es richtig interessant wird. Die undankbarste Figur in dem ganzen Durcheinander ist, wieder parallel zu „The sixth sense“, die Mutter (und hier auch Ehefrau), der nichts weiter überlassen wird als die übliche Panikmache, die nichts von dem versteht, was mit ihrer Familie passiert, und obwohl sie ihrem Mann anscheinend glaubt, keinerlei Versuche unternimmt, ihm beim Lösen der Rätsel zu unterstützen. Eindimensional wie die meisten anderen Nebencharaktere wird sie durch die Handlung mitgezogen, und erhält auch von schauspielerischer Seite keine sonderlichen Akzente. Außer Kevin Bacon taucht hier kein berühmter Name auf, und wenn man sich die Leistungen hier so anschaut, dann wird auch aus keinem in nächster Zeit ein berühmter Name werden. Das Skript ist nicht wirklich überzeugend, aber die Darsteller geben sich auch keine sonderliche Mühe, etwas daraus zu machen.

„Echoes“ macht im Verlauf einige heftige Schwankungen durch. Nach einem mehr als langsamen und somit fürchterlich langweiligen Start, in dem jeder Schockmoment so dermaßen aufgesetzt wirkt, daß man ihn drei Meilen gegen den Wind riecht, entwickelt sich bedächtig eine interessante Aufklärungsgeschichte, die durch extrem spärliches Streuen von Hinweisen zumindest bis zum Ende fesselt. Tom’s letzte Etappe der Auflösung nervt hingegen wieder völlig. Nach einer erneuten Hypnose empfängt er eine recht eindeutige Botschaft, die in absolut überdrehtem und unnötig auf komisch getrimmtem Maße umgesetzt wird. Schlechte Erinnerungen an Richard Dreyfuss’ alberne Matschereien in „Unheimliche Begegnung der dritten Art“ werden wach, und hier ist es noch schlimmer. Das Ende schließlich ist sehr ordentlich gemacht, da es gekonnt einige offen gebliebene und sogar vergessene Zitate aus Tom’s Visionen zusammenfügt und so komplexer erscheint, als es letztendlich ist. Die Überraschung ist nur deshalb so groß, weil der Film dazu das unfairste Mittel überhaupt benutzt: Man kann eine Lösung nicht ahnen, für die es vorher keine Anhaltspunkte gab.

Am Schluß fehlt letzten Endes der vernünftige Umgang mit dem eigenen Konzept: Die mühsam aufgebaute Hypnose/Geister/Visionen-Geschichte verliert nach der Auflösung beinahe vollständig an Bedeutung, woher Tom seine entscheidenden Hinweise nahm und ob das überhaupt irgendjemand glauben würde, interessiert letztendlich keine Sau.

„Echoes“ ist kein schlechter Film, er ist aber auch nicht wirklich gut. Überzeugende Phasen wechseln sich ab mit drögen und langweiligen Sequenzen, der wahre Horror will sich schon gar nicht einstellen (aber vielleicht ist das auch nur eine Nachwirkung von „The sixth sense“. Man ist einfach abgehärtet). Dennoch entbehrt die langsame und schrittweise Aufklärung nicht einer gewissen Faszination, und zumindest die Auflösung an sich wird manch einen über schlechte Aspekte des Films hinweg täuschen. Was bleibt ist ein qualitativ sehr wechselwarmer Horror-Thriller, der mit Sicherheit besser rezipiert würde, wenn, ja wenn wir nicht alle vor wenigen Wochen schon einen ganz ähnlichen Film gesehen hätten, gegen den dieser Streifen einfach nicht bestehen kann.

 


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