Gerhard Richter Painting

Jahr
2011
Laufzeit
97 min
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 7. September 2011

„Über Malerei zu reden hat keinen Sinn“ sagte der heute international gefeierte deutsche Künstler Gerhard Richter schon 1965. Die Filmemacherin Corinna Belz hält sich in „Gerhard Richter Painting“ daran und zeigt, was Malerei ist, indem sie es filmt: So wird Gerhard Richter beim Malen von hinten über die Schulter geschaut. Man 

Richter und das Grüne Bildsieht zum ersten Mal, wie er malt, kratzt, nachdenkt, wegnimmt und auch mal übermalt und von vorne beginnt. In berückender Eindringlichkeit wird der Schaffensprozess sichtbar und sieht man nicht nur das Bild ganz neu, sondern auch den Mann dahinter. Da gluckst Farbe in Eimern, klatscht sie auf den Rakel (eine Holzleiste mit Plexiglas versehen zum Aufbringen, Verwischen und Abkratzen von Farbe), kratzt der Rakel über das Bild und legt dabei frei, was die Berühmtheit dieses Malers ausmacht: Seine Skepsis, sein Glaube an das Visuelle und die Wahrheit des Sehens an sich.

Viele kennen Richters Werke aus den 1960ern: verwischte „unscharfe“ graue Malereien, die auf Fotos aus den Massenmedien basierten und Ausdruck der begrenzten Erkenntnisfähigkeit sein sollten. Sie werden in „Gerhard Richter Painting“ ohne jegliche Erklärungen gezeigt, denn Belz geht von einem aufgeklärten Publikum aus, das Richters Oeuvre kennt wie zum Beispiel den Stammheim-Zyklus („18. Oktober 1977“). Diese vom MOMA gekaufte Serie von 15 Bildern von 1989 brachte ihm einen Skandal ein, weil es hieß, er habe mehr Mitleid mit den Tätern der RAF als mit ihren Opfern und würde alte Wunden wieder aufreißen, indem er die Fotos aus Stammheim nachmalte.
Interessant ist in „Gerhard Richter Painting“ seine Rezeption des gehängten Werkes in der Ausstellung „MOMA in Berlin“: „Das letzte Mal habe ich die in Berlin gesehen. Das fand ich grauenhaft. Das war so inszeniert.“ Es scheint fast unwirklich, so viel zu erfahren von einem notorisch zurückhaltenden Künstler, der vor Belz 15 Jahre lang jegliche Filmschaffende abwies und der so wenig Interviews und Medienauftritte mitmacht, wie er irgendwie kann.

Richter bei der ArbeitDrei Jahre lang begleitete Belz, die seit 20 Jahren meist für Arte Filme macht, den Maler für diesen Dokumentarfilm, der seinen Ursprung in einer filmischen Zusammenarbeit während seiner Arbeit am Kölner Domfenster nahm. Von April bis September 2009 wurde in Richters Atelier in Köln gefilmt. Es war nicht klar, ob er mit einer Kamera im Rücken malen könnte: Richter unterbricht anfänglich einmal das Malen und sagt, es ginge einfach nicht. „Wenn ich weiß, ich werde gefilmt, dann gehe ich anders, irgendwas ist dann anders.“ Er tut nicht so, als sei der Kameramann nicht da, und auch Belz selbst lässt ihre Fragen auf der Tonspur, was dem Film gut tut. Ein bis zwei, höchstens vier Stunden wurde an Drehtagen im Atelier gedreht. Zusätzlich zum Akt des Malens sieht man Richter und seine Assistenten auch beim Planen von Ausstellungen mit Miniaturmodellen aller Bilder, die in der Tate Modern in London, der Neuen Nationalgalerie in Berlin oder auch im Centre Pompidou in Paris gezeigt werden sollen.

Es ist ein wunderschönes Vermächtnis, das Belz geschaffen hat, denn man sieht den fertigen Bildern in den Ausstellungen nicht an, wie sie gemalt, gekratzt und immer und immer wieder weiterbearbeitet wurden. Richter kostet es viel Kraft, den Rakel über die großen Leinwände mit ihrer antrocknenden Farbe zu ziehen. Der physische Akt des Malens, der solch zarte Bilder hervorbringen kann mit fein zerkratzten Linien und ineinander gewobenen Flächen, ist wunderbar körperlich erfahrbar.
Sein eigener größter KritikerUnd zum ersten Mal sieht man das große Hindernis, das zwischen dem Bild und der Ausstellungseröffnung steht: Die Zeit, in der die Bilder im Atelier stehen müssen und immer wieder Richters kritischen Augen ausgesetzt sind. Dazu sagt sein Assistent Hubert Becker lakonisch: „Die müssen jetzt ein paar Wochen gut sein. Dann haben sie es überstanden. Wenn nicht, dann werden sie übermalt.“ In der nächsten Einstellung kommt Gerhard Richter herein, schaut sich um und sagt „Das da, das ist ja schrecklich! Lässt langsam nach, das da.“ Sein Assistent meint, er sage in dieser Phase möglichst wenig zu den Bildern, denn wenn er sie lobt, dann werden sie erst recht übermalt.

„Mich interessiert nur das, was ich nicht kapiere“ sagt Richter im Film. Er scheint es zu malen, bis er es versteht. Über Malerei zu reden, das hat vielleicht keinen Sinn. Aber das Malen stiftet Sinn und so ist in „Gerhard Richter Painting“ die Richtersche Welt wie eine Farbe, die man in Schichten aufträgt, um sie wieder abzukratzen – viel komplexer als zuvor und doch eigentlich so simpel.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.