Hannah Arendt

Originaltitel
Hannah Arendt
Jahr
2012
Laufzeit
112 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Volker Robrahn / 8. Januar 2013

ha 1Hannah Arendt (Barbara Sukowa) verließ Nazi-Deutschland im Jahre 1933, erwarb sich in den folgenden Jahren einen Ruf als große Philosophin und wurde zu einer der meistbeachteten jüdischen Stimmen in der gebildeteren intellektuellen Gesellschaft. Als im Jahr 1961 dem vom Mossad aufgespürten und nach Israel entführten Kriegsverbrecher Adolf Eichmann der Prozess gemacht wird, überrascht es daher wenig, dass die Zeitschrift „New Yorker“ sie um eine begleitende Reportage bittet. Arendt reist trotz ungutem Gefühl ihres Mannes Heinrich (Axel Milberg) nach Jerusalem. Dort erkennt sie in Eichmann statt des erwarteten brutalen Unmenschen allerdings nur einen biederen Bürokraten, einen Schreibtischtäter, dem es lediglich wichtig war seine erhaltenen Befehle auszuführen und abzuarbeiten, ganz egal ob es dabei nun um die massenhafte Vernichtung von Menschenleben ging. Zurück in Amerika beginnt Arendt schließlich eine Artikelserie über „Die Banalität des Bösen“ sowie die fragwürdige Rolle des Judenrats während des Krieges. Hannah Arendt sorgt mit dieser Sichtweise nicht nur für einen empörten Aufschrei innerhalb der jüdischen Gemeinde inklusive handfester Bedrohungen, sondern riskiert dabei sogar, dass sich langjährige Freunde von ihr abwenden.
 

ha 2„Hier stehe ich und kann nicht anders“ wäre wohl ein passender Ausspruch für die damalige Situation der Publizistin und ihre Erkenntnis, dass es oftmals ganz „normale“ und ohne besonderen Antrieb oder gar Hass agierende Beamte waren, welche die beispiellosen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ während der nationalsozialistischen Herrschaft erst möglich machten (auch über diese Formulierung wird dabei im Film kräftig gestritten). Heute widerspricht dieser These kaum noch jemand und der Ausdruck „Banalität des Bösen“ ist praktisch in den Sprachgebrauch übergegangen, doch damals war das radikal und stellte für viele eine unzumutbare Verharmlosung der vermeintlichen „Bestie“ Eichmann dar. Die deutsche Filmemacherin Margarethe von Trotta („Rosenstraße“, „Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“) hat sich dieser Episode im Leben der Hannah Arendt angenommen und liefert somit weniger eines der typischen Biopics ab, als vielmehr eine sehr fokussierte Konzentration auf diese genauso schwierige wie prägende Phase im Leben der Philosophin.

ha 3Ein weiteres Mal nach „Rosa Luxemburg“ und zuletzt „Hildegard von Bingen“ verkörpert dabei von Trottas Stammschauspielerin Barbara Sakuwa eine historische Frauenfigur, die auch erneut dem Film seinen Titel gibt. Doch obwohl es sich hier zweifelsohne um einen der berüchtigten „Talking Heads“-Movies handelt, der stark von den Dialogen dominiert wird, ist er doch ein ganzes Stück interessanter gelungen als die recht zähe Abhandlung über die Kirchenfrau von Bingen. Eingebettet in zeittypische Braun- und Sepiatöne liefert von Trotta nicht nur eine spannende Geschichtsstunde, sondern ganz nebenbei auch noch ein Portrait der New Yorker Intellektuellenszene der 60er Jahre, die sich dabei als nicht eben wenig selbstgerecht und starrköpfig zeigt.

Gleichzeitig bringt der Film aber doch stets auch Verständnis für die Ausnahmesituation des Holocaust auf, auf die man eben kaum „angemessen“ reagieren kann und weckt somit stets Verständnis für beide Seiten und verschiedene Betrachtungsweisen. Sukowas Figur bleibt ebenfalls vielschichtig, wirkt keineswegs immer sympathisch sondern oft stur und nicht gerade mit emotionaler Intelligenz agierend, wenn sie selbst den Verlust enger Freunde in Kauf nimmt, anstatt auch nur einen Deut von ihrer Sichtweise oder einer umstrittenen Formulierung abzuweichen. Daran, dass sie letztlich aber einfach die faktisch besseren Argumente auf ihrer Seite hat, lässt die Inszenierung trotzdem keinen Zweifel.

 

ha 4Auch visuell agiert die Regisseurin klug und lässt Adolf Eichmann nicht etwa durch einen Schauspieler darstellen, sondern präsentiert Originalaufnahmen und Aussagen aus dem Prozess, wodurch im Ergebnis noch viel deutlicher wird, wie korrekt Hannah Arendt damals diesen Mann eingeschätzt hat, während die meisten anderen von Zorn und dem Wunsch nach Vergeltung getrieben zu einer solch distanzierten Betrachtungsweise nicht in der Lage waren. Allerdings setzt von Trotta auch einiges an historischem Wissen voraus, wem die Namen und die Geschichte von Arendts diversen Freunden nicht geläufig sind, der wird hier eher alleine gelassen, was sich besonders in dem nur kurz angerissenen Strang über ihr Verhältnis zum umstrittenen und der Nazi-Kollaboration beschuldigten Philosophen-Kollegen Martin Heidegger (Klaus Pohl) bemerkbar macht. Auch für Julia Jentzsch als guter Hausgeist und Quasi-Sekretärin Lotte Köhler, die Hannah offenbar eine große Stütze war und auf deren Aufzeichnungen auch das Drehbuch beruht, bleibt nur wenig Raum sich über die dezente Hintergrundrolle hinaus zu entfalten. Trotz seines Themas und der Abhandlung von im Grunde eher trockenen Fakten ist„Hannah Arendt“ aber ein insgesamt überzeugender Film, der definitiv das Anschauen lohnt.

Bilder: Copyright

4
4/10

Spannendes Thema, mäßige Umsetzung:
die unausgegorene Regie läßt die Schauspieler wie Textaufsager agieren, die Szenen wirken gekünstelt und waren wenig mitreißend.
Dazu gibt es fast keine Musikuntermalung, was dem Film eine gewisse Trockenheit verleiht.
Einzig die Originalaufnahmen des Eichmann-Prozesses und die Einblicke in die Philosophie Hannah Arendts haben mir gefallen.

Mit Herzblut hätte dies ein großartiger Film werden können, die schulbuchartig wirkende Herangehensweise hat dies leider verhindert.

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@Alexander: Danke für die Warnung! Ich hatte mir den Trailer angeschaut und so etwas schon befürchtet. Der von der "Hannah Arendt"-Rolle verwendete Sprachstil hat mich eher an Martina Gedecks Ulrike Meinhof in "Der Baader Meinhof Komplex" erinnert als an das, was ich aus Youtube-Videos von Hannah Arendt kannte. Deshalb bin ich auch nicht reingegangen.

Schade, denn Arendts Bericht vom Eichmann-Prozess (gibt's unter dem Titel "Eichmann in Jerusalem" für 13 Euro im Buchhandel und ist super zu lesen, wenn man das 50-Seiten-Vorwort von Hans Mommsen überspringt) fand und finde ich Spitzenklasse.

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