Herr Figo und das Geheimnis der Perlenfabrik

Originaltitel
El ratón pérez
Jahr
2006
Laufzeit
94 min
Genre
Release Date
Bewertung
4
4/10
von René Loch / 1. Januar 2010

Was uns hier, gleich zu Jahresbeginn, erwartet, ist nicht weniger als der erfolgreichste Familienfilm aller Zeiten in seiner Heimat Argentinien, der mit einem Goya, dem spanischen Filmpreis, ausgezeichnete "Beste Animationsfilm" des vergangenen Jahres sowie eine "Hommage an die Phantasie und ein Plädoyer für das Bewahren der Kindheit", sagt die Filmbewertungsstelle Wiesbaden und verleiht ihm das Prädikat "Besonders wertvoll". "Ratatouille" war gestern, "Herr Figo" ist heute? Leider nicht ganz. Was zunächst fast nach einer Animations-Perle klingt, entpuppt sich beim Anschauen als fast schon groteskes, nur der Zielgruppe zu empfehlendes Werk.

Autsch, das hat sicher weh getan. Die kleine Lucia (Delfina Varni) ist in Erwartung eines leckeren Abendmahls, doch statt Freude für den Gaumen gibt es Aua in der Backe: Lucia schlägt sich einen Zahn aus. Ist aber nur halb so wild, schließlich weiß sie ja, dass es Herrn Figo (Stimme: Jaecki Schwarz) gibt, die Zahnmaus, die nachts, wenn die Kinder schlafen, unters Kopfkissen greift und den verlorenen Zahn gegen eine Münze austauscht. Lucias Zahn hat die Maus in der Nacht nach dem Unglück bereits im Gepäck, doch zu mehr kommt der gute Herr Figo nicht, denn plötzlich wird er entführt. Mit-Mäuserich Fugaz und Pipo (Diego Gentile), der Neffe des Juweliers Morientes (Joe Rigoli), sind die Übeltäter. Sie verfolgen einen hinterlistigen Plan, doch Lucia und ihr Freund Ramiro (Nicolás Orcanowsky) setzen bereits alle Hebel in Bewegung, um diesen zu durchkreuzen und Herrn Figo aus der Gefangenschaft zu befreien.

Der Beginn ist übel: Wie Vater und Tochter da gemeinsam in der Küche stehen und miteinander reden, das entspricht genau dem klischeehaften Bild des Familienfilms und hat nichts mit wunderschönen modernen Varianten wie "Hände weg von Mississippi" oder "Brücke nach Terabithia" zu tun. Dann ein Hoffnungsfunke: Herr Figo, die animierte Maus, betritt die Bühne, überquert Straßen und durchläuft Röhren, führt uns ein in seine kleine Welt. Was sich dann jedoch nach kurzer Zeit durchsetzt, ist eine merkwürdige Mischung aus Entsetzen, Ungläubigkeit und Amüsement.
Denn die Animationen sind alles andere als gelungen; nein, sie sind grottenschlecht. Setzt man den eingangs erwähnten "Ratatouille" dagegen, der passenderweise über artverwandte Vierbeiner verfügt und an der technischen Perfektion kratzt, so wird die Schlichtheit der Animationen hier erst richtig deutlich. Verschwommen, detailarm, selbst die Bewegungen wirken nicht wirklich flüssig. Manchmal meint man ein leichtes Stocken auszumachen. Stand der Technik dürfte hier etwa Anfang der 90er sein. Fairerweise sei natürlich angemerkt: Zwischen dem aktuellen Pixar-Werk und einer Produktion vom südamerikanischen Kontinent liegen vor allem in finanzieller Hinsicht ein paar Welten.

Versprüht das grottig animierte Mäuse-Lager jedoch noch einen gewissen Charme (wie das so häufig bei Elementen, die in Richtung "Trash" gehen, der Fall ist) bringt die Handlung um eine entführte Maus, zwei kleine Möchtegern-Detektive, finstere Machenschaften und einen Vater, der gern ein großer Koch wäre aber nur in einem kleinen Schuppen landet, nur eines hervor: Langeweile. Das ist alles so vorhersehbar und stellenweise - selbst für einen Familienfilm - hanebüchen, dass die einzige Rettung groteskerweise eben im Animations-Kuriositätenkabinett liegt.
Wirklich witzig sind auch nur wenige Momente, die Lucias Vater bei seiner Kochtätigkeit zeigen, sonst ist da nichts. Der Höhepunkt der ganzen Veranstaltung, wo man sich dann wirklich fragen muss "Nicht im Ernst, oder?", ist wiederum Lucias Mutter, die die Moral von der Geschicht' am Ende - einleitend mit den Worten "Ich glaube, es geht darum..." - einfach mal selbst Richtung Publikum wirft. Plumper geht's nicht.

Das alles sind natürlich Ansprüche und Maßstäbe, die ein erwachsener Kinogänger an einen Film, auch einen Familienfilm richtet. Alles, was unter zehn ist, dürfte hingegen schon seinen Spaß haben. Ist ja auch pädagogisch wertvoll, schon klar. An den Rest jedoch geht die klare Empfehlung: Fern bleiben! Es werden andere Familienfilme folgen, die ihrem Namen dann wirklich alle Ehre machen und Jung und Alt gleichermaßen entzücken. So wie "Ratatouille" eben.


10
10/10

Leider der bisher einzige Kommentar...

Wir (eine Familie!) fanden den Film excellent. Gerade die Mischung aus Animation und Puppenfilm hat uns begeistert. Sehr erfrischend. Ebenfalls sehr erfrischend war die Erzählweise die (uns wär's jedenfalls entgangen)NICHT nach dem Disney/Pixar Mainstream gestrickt war. Insgesamt ist der Film vielleicht wirklich nur denen zu empfehlen die sich zumindest ein Stück Kindheit bewahrt haben. Man sollte eben genau lesen auf was man sich einlässt bevor man hier solche Kommentare hinterlässt.

Mein Tipp: UNBEDINGT anschauen und eine eigene Meinung bilden!

Permalink

"Man sollte eben genau lesen auf was man sich einlässt bevor man hier solche Kommentare hinterlässt."

Dann empfehle ich folgenden Satz in der Rezension nachzulesen.

"Das alles sind natürlich Ansprüche und Maßstäbe, die ein erwachsener Kinogänger an einen Film, auch einen Familienfilm richtet."

"UNBEDINGT anschauen und eine eigene Meinung bilden!"

Wenn es kostenlos wäre, gern. Aber bei einer so ausführlichen und meiner Meinung nach gut geschriebenen Rezension - mit Sicherheit nicht.

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