Machuca, mein Freund

Originaltitel
Machuca
Land
Jahr
2004
Laufzeit
120 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Moritz Piehler / 5. März 2011

 

Einen politischen Film zu drehen ebenso wie einen über Freundschaft, ohne ins Pathos abzugleiten, ist nicht einfach. Am besten gelingt das, indem man sich fern hält von all zu deutlichen Botschaften. Dem Film "Machuca, mein Freund", der 1973 während des Militärputsches in Chile spielt (als sich der spätere Diktator Pinochet die Macht an sich riss und den sozialistischen Präsidenten Allende ermordete), gelingt es, ein einprägsames Bild der politischen Unruhen jener Tage zu geben, indem er sich eng an seine Geschichte hält.

Es ist die Geschichte von zwei Jungen und einem Mädchen, von der Freundschaft und Liebe zwischen diesen drei und von ihrer unterschiedlichen Herkunft. Gonzalo Infante, ein lieblos erzogener Junge aus der Oberschicht, herrlich vorsichtig und trotzig gespielt von Matías Quer, lernt den gleichaltrigen Pedro Machuca (Ariel Mateluna) kennen, als der englische Priester seiner Schule im sozialistischen Überschwang der Zeit unter Allende Jungen aus der nahe gelegenen Armenvierteln - den Favelas - an die Schule holt. Sehr einfühlsam nähert sich Regisseur Andrés Wood der Freundschaft der beiden, in grobkörnigen Bildern in den nostalgischen Gelb- und Brauntönen der Siebziger. Der Zuschauer erlebt gemeinsam mit den Kindern Demonstrationen beider politischen Seiten, auf denen sie Fähnchen verkaufen, sieht ihre erste Party und beobachtet sie beim Schummeln in der Schule. Pedro und Gonzalo teilen sogar ihre ersten Küsse mit der dritten im Bunde, Silvana (Manuela Martelli), die auch aus der Favela stammt. Doch immer wieder wird die Freundschaft der drei durch ihre unterschiedliche Herkunft auf die Probe gestellt.

Mit den Zerreißproben, die der Film den Bund seiner drei Protagonisten unterzieht, wirft "Machuca, mein Freund" die essentielle Frage auf, welche Hindernisse eine Freundschaft überwinden kann. In dem Moment, als die Soldaten Pinochets in die Favela einrücken, steht nur noch Gonzalo vor der Entscheidung, zu seinen Freunden zu stehen oder sich mit seiner Herkunft zu retten. Pedro und Silvana haben diese Wahl niemals gehabt. Es ist eine sehr eindrucksvolle Szene und es ehrt Wood, dass er sich nicht der Versuchung eines Happy End hingegeben hat. Gleichzeitig beinhaltet der Film dadurch eine Parabel auf die chilenische Geschichte, die unter Allende voller Hoffnungen auf Gleichberechtigung und klassenübergreifende Freundschaft war, die mit dem Militärputsch bitter enttäuscht wurden.
In der Geschichte der Kinder finden sich diese Elemente wieder, und doch kann man den Film durchaus auch einfach als Erzählung einer Freundschaft betrachten. Durch die wenigen Abschweifungen auf den größeren zeitgeschichtlichen Kontext und die intensive Konzentration auf die drei Kinder leistet der Film eine ehrliche Behandlung des Themas und wird ihm gerecht. Andrés Wood verzichtet auf malerische Landschaftsbilder und farbenfrohe Massendemonstrationen, er begleitet stets seine Protagonisten und versucht, ihre Perspektive wiederzugeben. Vieles wird nur angedeutet, nichts übertrieben. Das hat "Machuca", der 2004 als chilenischer Beitrag in Cannes für Aufsehen sorgte, beispielsweise dem Che Guevara-Roadmovie "Die Reise des jungen Che" voraus, dessen Geschichte allzu oft in den wunderbaren Landschaftsbildern verloren ging und in dem mit bemühten Schwarz-Weiß-Bildern auf die Missstände der Bevölkerung hingewiesen wurde. Wood traut dem Zuschauer zu, vieles in seine Bilder hineinzudeuten. Nur in einer einzigen Szene, bei der Verabschiedung des von den Militärs vertriebenen Paters, gleitet "Machuca" kurz in einen "Club der toten Dichter"-Pathos ab, fängt sich aber sofort wieder.

Das Ende ist bitter und könnte einen traurig stimmen, weil die Unterschiede zwischen Pedro und Gonzalo zu gewaltig waren, um von ihrer Freundschaft überwunden zu werden. Oder aber man wird durch ihre Geschichte ermutigt, weil sie es trotzdem versucht haben. Andrés Wood ist die Verknüpfung der Freundschaftsgeschichte mit dem politischen Zeitgeschehen gelungen, ohne dabei falsche Sentimentalitäten zu bemühen.

Bilder: Copyright

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