Makellos

Originaltitel
Flawless
Land
Jahr
1999
Laufzeit
110 min
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Frank-Michael Helmke / 5. März 2011

Zwei grundverschiedene Menschen, die sich auf den Tod nicht ausstehen können, müssen sich aufgrund widriger Umstände zusammenraufen, lernen sich zu schätzen und zu respektieren (bei einer Mann-Frau-Paarung für gewöhnlich auch zu lieben), und gehen als bessere und tolerantere Menschen aus der Sache hervor. Wie viele Aberdutzend Filme gibt es wohl, die auf diesem Grundschema basieren? Wie viele auch immer, jetzt gibt es einen mehr.

Bei „Makellos“ sind die beiden grundverschiedenen Menschen der pensionierte Sicherheitsbeamte Walt Koontz (Robert de Niro), ein erzkonservativer und eher mürrischer Zeitgenosse, und sein Nachbar/Nachbarin Rusty Zimmermann (Philip Seymour Hoffman), eine von New Yorks führenden Drag-Queens. Koontz ist generell nicht sehr gut auf Schwule, Transsexuelle und alles, was in diese Schublade gehört, zu sprechen. Daß Rusty direkt über seinem Fenster mit seinen Fummeltrinen-Kollegen Tag für Tag neue Nummern für ihren Revue-Club einstudiert, sorgt nicht gerade für Entspannung.
Das Zusammenraufen aufgrund widriger Umstände ergibt sich, als Walt einen Schlaganfall erleidet und daraufhin halbseitig fast gelähmt ist, worunter auch seine Sprachfähigkeiten enorm leiden. Der Arzt empfiehlt ihm eine Gesangstherapie. Doch weil Walt nur sehr eingeschränkt mobil ist, bittet er schweren Herzens Rusty um Gesangsstunden. Der ist natürlich wenig begeistert, braucht aber das Geld, um seinen Freund durchzufüttern und mit seiner Gruppe beim Transvestiten-Wettbewerb „Ms. Flawless“ mitmachen zu können.

Es ist bezeichnend für die Schwäche des Drehbuchs, daß der Film trotz zwei grandioser Hauptdarsteller und halbwegs vielversprechenden Charakteren mit dieser Handlung nicht auskommt. Ein sehr behelfsmäßig wirkender Subplot um einen beklauten Drogenboss, der irgendwo in Rusty’s und Walt’s Wohnhaus sein Geld vermutet, läuft völlig belanglos den ganzen Film über nebenher, nur um am Anfang und am Ende als enttäuschend platter Plot-Katalysator zu arbeiten. Das ist mehr als überflüssig, lenkt die ganze Zeit nur unnötig von der eigentlichen Handlung ab, und läßt den Autor und Regisseur nicht gerade gut da stehen. Bezeichnenderweise handelt es sich um Joel Schumacher, der Mann, der mit beeindruckender Zielgenauigkeit die Batman-Serie ruinierte. Als Regisseur mag man ihm ja noch gewisse Fähigkeiten bescheinigen, seine Versuche als Autor sind jedoch stets katastrophal. Man erinnere sich allein an den 80er-Brat Pack-Hit „St. Elmo’s Fire“, ein Film, dessen angeblich intelligente Mittzwanziger-Charaktere in ihrer konstruierten Reißbrett-Nichtigkeit eine Beleidigung für jeden Mittzwanziger waren. Diese offensichtliche schreiberische Unfähigkeit erklärt auch so ziemlich alle Schwachpunkte von „Makellos“, angefangen mit besagtem überflüssigen Plot-Katalysator, über eine Reihe mehr als dünner Nebenfiguren, hin zu den befürchteten uninspirierten Allgemeinplätzen über Transvestiten, Selbstfindung und dem Weg zur Toleranz.

Das ganze „Schwul und stolz darauf“/„Ich bin gefangen im falschen Körper“-Geschwafel, daß Rusty in den Mund gelegt wird, ist so abgegriffen, klischee-überfrachtet und plakativ, daß man mehr als deutlich spürt: Schumacher hatte vielleicht die heere Absicht, ein paar Vorurteile abzubauen, ist dabei aber leider an seinen eigenen Vorurteilen hängen geblieben.
Warum „Makellos“ trotzdem kein schlechter Film ist, liegt ganz allein an zwei Menschen: Robert de Niro und Philip Seymour Hoffman. Beide müssen sich von der schauspielerischen Herausforderung angezogen gefühlt haben, einen Schlaganfall-Patienten bzw. eine Drag-Queen spielen zu können (wieso sonst hätten sie sich mit diesem Drehbuch abgegeben?), liefern dementsprechend auch mehr als überzeugende Arbeit ab, und bilden ein so fulminantes Duo, daß sie zeitweise die eigentliche Irrelevanz des Ganzen vergessen machen. Während de Niro vor allem durch enorme Körperkontrolle beeindruckt, schafft es Hoffman (bekannt durch „Boogie nights“ und „Magnolia“) durch eine erstaunlich gefühlvolle Umsetzung seiner Rolle sogar die angesprochenen Klischee-Sprüche so überzeugend rüber zu bringen, daß sie zeitweise richtig frisch wirken. Seine Ansprache für mehr inter-homosexuelle Toleranz bei einem Treffen mit den „Schwulen Republikanern“ ist der eindeutige Höhepunkt des Films. Zusammen mit dem Abspann, während dem eine handlungslose Improvisationsszene von Hoffman und de Niro am Klavier läuft, die wundervoll verdeutlicht, wie tief diese beiden außergewöhnlichen Darsteller in ihre Rollen eintauchen. 
Mit einem halbwegs begabten Autor hätte „Makellos“ weit mehr sein können als eine schauspielerische Two-Man-Show. Aber so kann man seine gesamte Bewunderung wenigstens mal zwei Herren entgegen bringen, die sie mehr als verdient haben. Für Hoffman und de Niro die Bestnote, für Regisseur/Autor Schumacher: Setzen. Fünf.


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