Monsoon Wedding

Originaltitel
Monsoon Wedding
Land
Jahr
2001
Laufzeit
114 min
Regie
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Nadja Raweh / 5. März 2011

Über dem Punjab ziehen dunklen Wolken auf - die ersten Anzeichen für den sich nähernden Monsun. Das Fünfstromland, begrenzt von den Zuflüssen des Indus und dem Himalaya-Vorland, ist die Heimat der Regisseurin Mira Nair. Es ist eines der ältesten Kulturlandschaften Indiens. Jahrhunderte lang wurde das Land von Fremden belagert, bis 1947 Gandhis Protestbewegung Indien die Freiheit brachte. Gleichzeitig führte die Teilung dieses riesigen Gebietes, in ein weitgehend von Muslimen (Pakistan) und ein hauptsächlich von Hindus und Sikhs bewohntes Land (Indien), in eine Katastrophe, von der es sich bis heute nicht erholt hat.
Neu-Delhi, der Ort der Handlung von "Monsoon Wedding", ist dieser Ort der ständigen Grenzwanderung zwischen Tradition und Moderne: Religiöses Zentrum der Sikhs und Sommerpalast des Maharajas Ranjit Singh einerseits; wirtschaftlich florierende Hauptstadt mit elf Millionen Einwohnern, von denen viele den neuindischen Dialekt mit stark westlicher Ausprägung des Hindi sprechen, andererseits. In dieses Kaleidoskop der indischen Gegenwart und Gegensätzlichkeiten begibt sich Mira Nair mit ihrer Geschichte um Familie, Fortschritt und Tradition, Liebe und Verlust. Obendrein wagt sie den Schritt in das zentralste aller indischen Themen, egal ob im wahren Leben oder in einem Bollywood-Film - Shaadi, die Hochzeit. "Im Feiern", sagt Nair, "kennen wir keine Grenzen. Es wird getanzt, gesungen, gelacht und ordentlich auf die Pauke gehauen - manchmal gleich mehrere Tage lang. Die Kosten für so eine Hochzeit sind enorm hoch und bringen die Familien oft an den Rand des Ruins. Aber für eine ordentliche Hochzeitszeremonie ist man in Indien - zumindest im Film - zum Sterben bereit."
So wäre Chaos noch nicht ganz das richtige Wort für Lalit (Naseeruddin Shah) und Pimmis (Lillete Dubey) momentane Situation. Eigentlich befindet sich Familie Verma aus Neu-Delhi schon am Rande des Nervenzusammenbruchs und des Bankrott, denn sie bereitet gerade die Hochzeit für ihre einzige Tochter Aditi (Shefali Shetty) vor. Drei Tage sind es noch bis zum freudigen Ereignis, zu dem die über die ganze Welt verstreute Verwandtschaft der Punjabi-Sippe eintreffen wird. Und als wäre die Wettervorhersage (Dauerregen) noch kein ausreichender Grund, um nervöse Zuckungen zu bekommen, bringen die Gäste leider nicht nur gute Stimmung in Vermas ansehnliches Haus. Fast jede Person scheint auch ein lang gehütetes Geheimnis mit sich herumzutragen. Nur eine einzige Enthüllung würde genügen, um die gesamte Zeremonie wie eine Perle im ansteigenden Ganges versinken zu lassen.
Aber dies wäre nicht die Geschichte einer indischen Autorin und das Werk einer indischen Regisseurin, wenn die verschiedenen Generationen nicht mit ein wenig Krisenmanagement doch noch zu ihrem Fest kämen. Während der Film auf sein furioses Ende zuläuft, gibt sich der Zuschauer der farbenprächtigen und explosiven Mischung aus Saris und Gucci, Handy und Henna, rauem Dogma -und subtilem Robert Altman-Stil hin. Es ist ein wahres Bad der Sinne, nicht nur im Hinblick auf den reizvollen Soundtrack, in das uns Mira Nair entführt. Doch sie wäre nicht die oscarprämierte Filmemacherin von Werken wie "Salaam Bombay!" (Low-Budget-Doku-Variante von "Monsoon Wedding") oder "Kama Sutra", würde der Film nicht auch noch einige kritische Einblicke in das Indien von Heute eröffnen: Präzise beobachtet sie das Streben nach Modernität im Gegensatz zur Pflege uralter Traditionen und zeigt mutig zwischenmenschliche Tabus wie Kindesmissbrauch oder die Rolle der Frau in einer arrangierten Ehe auf.
Das "Monsoon Wedding" ebenso tragisch-rührend wie ungestüm-komisch ist, verdankt er vor allem seinem hervorragenden Schauspielerensemble. Allen voran der indische Superstar Naseeruddin Shah, dessen intensives und einfühlsames Spiel hier von der besorgten Vaterfigur bis zur Rolle des toughen Geschäftsmannes reicht. Aber das absolute Highlight in Sachen Akteure sind die Nachwuchsdarsteller Vijay Raaz und Tilotama Shome. Die beiden ‚Neuentdeckungen' glänzen auf so unverbrauchte, zauberhafte Weise in ihrer separaten kleinen Liebesgeschichte, dass es eine wahre Wonne ist, ihnen zuzusehen.
Diese wunderbare Liebeserklärung an Delhi und seine Menschen wurde zurecht auf der Biennale 2001 als Bester Film mit dem "Goldenen Löwen" ausgezeichnet und 2002 für den "Golden Globe" als bester ausländischer Film nominiert. Den ‚Löwen' widmete Regisseurin Nair gleich ihrer Heimat: "Das ist ein Preis für Indien, für die Schauspieler und für meine Familie. Ich wollte mit meinem Film eigentlich nur mein Publikum glücklich machen." Gratulation, Mrs. Nair, das gelingt ihnen perfekt.


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