Vor einem Jahr kam in Österreich ein spektakulärer Rechtsstreit zu seinem Ende, der seit 1998 Medien und Öffentlichkeit beschäftigt hatte. Die öffentliche Empörung war groß: Die in Wien geborene Jüdin Maria Altmann klagte in Kalifornien gegen den Staat Österreich, um ihr zustehende Güter wiederzubekommen, die im Zweiten Weltkrieg von den Nazis gestohlen worden waren. Dabei ging es aber nicht um irgendwelchen Schmuck oder Häuser, das Objekt der Klage hatte für die Republik Österreich einen unschätzbaren ideellen Wert. Für Zeitungen, Fernsehsendungen und auch für die Politiker ging es um Teile der nationalen Identität. Fünf Bilder des österreichischen Malers Gustav Klimt musste Österreich hergeben, unter ihnen das damals teuerste Gemälde der Welt: "Adele Bloch-Bauer I." oder auch die "Dame in Gold". Die Dokumentation "Stealing Klimt" macht sich auf die
Suche nach den Hintergründen und begibt sich dabei auf eine
weite Reise. Sie will Erklärungen für den fast sieben
Jahre dauernden Prozess finden, aber auch Erklärungen für
die einseitige Betrachtungsweise der österreichischen Medien.
Dabei lässt sie den Zuschauer erstmal den Anlass des Films,
den juristischen Streit, vergessen und begibt sich mit einem melancholischen
Blick in das Wien um 1900, wo die Geschichte der Klimt-Bilder und
der Familie Bloch-Bauer beginnt. So dokumentiert "Stealing Klimt" nicht nur den Hintergrund des Prozesses, sondern rekonstruiert auch detailliert die Entstehungsgeschichte der Klimt-Bilder und die Geschichte der Familie Bloch-Bauer. Chronologisch begleiten die Filmemacher Jane Chablani und Martin Smith die Bilder durch das Jahrhundert, und erzählen dabei spannender als es mancher Spielfilm könnte. Immer wieder kommen Historiker und Kunstexperten zu Wort, die die persönlichen Erinnerungen von Maria Altmann ergänzen. Diese erzählt gefasst und deutlich, ohne anzuklagen oder um Mitleid zu heischen. Deutlich erklärt sie ihre Entscheidungen, verzichtet auf Sentimentalitäten und erhält dadurch Sympathie und Respekt der Zuschauer. Nicht nur ihre persönliche Geschichte liegt im Fokus der Dokumentarfilmer.
Sie arbeiten die gesamte Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert
auf und stellen dessen gerne verschwiegene Beteiligung an den Nazi-Verbrechen
ins Scheinwerferlicht. Diese ist größer, als es auch
hierzulande bekannt ist, die Begründung für die fehlende
Aufarbeitung liefern Chablani und Smith gleich mit: Österreich
sollte sich auf amerikanischer Seite im Kalten Krieg positionieren.
Entsprechend unwillig widmet sich die gegenwärtige Regierung
den Restitutionen. Erst 1998 machte ein auf Druck der USA entstandenes
Restitutionsgesetz es auch für Maria Altmann möglich,
ihre Bilder zurück zu fordern. "Stealing Klimt" ist eine gut recherchierte Dokumentation,
die trotz historischer Genauigkeiten nirgendwo staubtrocken wirkt.
Einziger Kritikpunkt: Die Gegenseite, sprich Vertreter der Republik
Österreich und der Österreichischen Galerie, kommen leider
wenig bis gar nicht zu Wort. Das liegt aber auch daran, dass diese
die Beteiligung an der Dokumentation verweigerten. Auf ein hohes
Ross sollten sich deutsche Zuschauer dennoch nicht setzen, denn
vor nicht allzu langer Zeit hätte man sich in Deutschland ebenso
verhalten. Auch hierzulande ist längst noch nicht alle Beutekunst
zurückgegeben worden. Unterm Strich bleibt ein spannender und leiser Film über eine laute und wichtige Sache, bei der man mal wieder frei von Anschuldigungen über den Wert von Kunst und Verantwortung für die eigene Geschichte nachdenken kann. |
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