Unter dir die Stadt

Jahr
2010
Laufzeit
105 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 27. April 2011

König David in der Chefetage. Christoph Hochhäusler versetzt die alttestamentarische Geschichte vom biblischen König, der die schöne und verheiratete Bathseba verehrte und deshalb ihren Mann Urija in den Krieg schickte, in das Börsenviertel in Frankfurt am Main. In "Unter dir die Stadt" schickt der Vorgesetzte Roland (Robert Hunger-Bühler) den aufstrebenden Banker Oliver (Mark Waschke) nach Asien, um ungestört mit dessen Frau Svenja (Nicolette Krebitz) zusammensein zu können.

Bereits in seinem Spielfilmdebüt "Milchwald" hat Christoph Hochhäusler seine Filmerzählung mit einem märchenhaften Überbau versehen. Damals nahm er sich der Grimmschen Version von Hänsel und Gretel an. Nun also das alte Testament. Und es ist sicherlich das Interessanteste an "Unter dir die Stadt", dass die biblische Vorlage fast mühelos in der kalten und abweisenden Welt der Banker und Börsenspekulanten aufgeht.
Hochhäusler versteht es, die Codes und Handlungsabläufe der Anzugträger und Geschäftsmänner subtil in Szene zu setzen. Die Kamera schwebt durch die Straßen Frankfurts, ihr Blick geht immer nach oben, entlang der verglasten Hochhausfassaden. Sie folgt den Protagonisten in die futuristisch anmutenden Fahrstühle und blickt dabei ständig in emotions- und ausdruckslose Gesichter. Die Jagd nach der Beförderung, der ständige Konkurrenzdruck, die langen Gespräche in der Chefetage über das weitere Vorgehen der Firma - mit all dem zeichnet Hochhäusler eine überaus konzentrierte Collage über den moralischen Zustand eines Arbeitsmilieus, das für die Finanzkrise verantwortlich ist.

Doch jenseits der kühlen Strenge der Inszenierung und dem perfekten Auge für eine Architektur der Gier und Arroganz schwächelt "Unter dir die Stadt" vor allem an der Art, wie hier die Dreiecksgeschichte behandelt wird. Rolands Verlangen für Svenja entspringt eher einem Machtimpuls. Er will sie haben, weil er sie haben kann. Weil Roland jemand ist, der nichts mehr fühlt. Deshalb lässt er sich von seinem Chauffeur zu Heroinjunkies fahren, die sich vor seinen Augen einen Schuss setzen. Roland besorgt sich einen Stellvertreterschmerz, so wie Svenja für ihn nur eine Stellvertreteraffäre ist. Wohingegen Svenjas Beweggründe wesentlich verborgener sind. Roland hat nur selten Zeit für sie, ist nicht gerade humorvoll, belügt sie und aus Geld macht sich Svenja eigentlich auch nichts. Warum dann diese Affäre? Das bleibt völlig unklar.
Da diese "Liebesbeziehung" aber der Motor der Erzählung sein soll, kommt der ganze Film nicht so richtig in Gang. Die gewollte Stille und Sperrigkeit, die bisher Hochhäuslers Markenzeichen waren, wirkt sich hier kontraproduktiv aus. Der offensichtliche Verzicht auf Gefühle und Leidenschaft lässt das ganze Projekt blutleer aussehen. Dadurch entsteht auch kein Zwang, der Geschichte zu folgen. Ziellos bewegt sich der Film einem Ende entgegen, das kryptisch anmutet und wohl so etwas wie ein biblischer Vorbote der Finanzkrise sein soll.
Hier wird viel gewollt und angekündigt, was am Ende nicht eingehalten wird. Hochhäusler scheitert so an seinem eigenen Konstrukt, das sich von seiner Künstlichkeit nie wirklich zu lösen vermag.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.