Vision - Aus dem Leben der Hildegard von Bingen

Jahr
2009
Laufzeit
110 min
Release Date
Bewertung
5
5/10
von Volker Robrahn / 3. Juni 2010

Die Dame lebte im 12. Jahrhundert, doch im 21. ist sie nun populär wie nie. Bereits in den 70ern als Vorreiterin der Emanzipation wieder entdeckt, entwickelte sich das moderne Bild der Hildegard von Bingen zuletzt fast in Richtung "Popstar". Denn das Multitalent aus Seherin, Heilkundiger und Komponistin eignet sich einfach zu gut als Vorbild für die selbstbewusste und selbstbestimmte Frau von heute. Wenn jetzt also noch der große Kinofilm zum Leben der Äbtissin ansteht, riecht das zunächst mal ein wenig nach der bisher noch fehlenden Glasierung des Merchandise-Kuchens. Wenn man dann aber bemerkt, dass der Name "Margarethe von Trotta" für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, darf man wieder recht sicher sein, dass wir es hier wohl doch nicht mit einem allzu oberflächlichen Marketing-Gimmick zu tun bekommen. Dass dem dann tatsächlich so ist, hat allerdings ähnlich viele schlechte wie gute Seiten.

Seit ihrer Kindheit wächst Hildegard (Barbara Sukowa) in einem Benediktinerkloster auf, einem Ort des Glaubens, des Schweigens und vor allem des Gehorsams. Erst nach dem Tod Ihrer langjährigen Mentorin und nach einer Ermutigung durch den ihr wohlgesonnenen Mönch Volmar (Heino Ferch) macht sie daher ihre ständig wiederkehrenden Visionen öffentlich und erlangt so schnell eine gewisse Berühmtheit, von der auch das Kloster insgesamt profitiert. Als die selbstbewusste Frau daher schließlich die Gründung eines eigenen neuen Klosters plant, stößt ihr von der Kirche im Allgemeinen und dem Abt Kuno (Alexander Held) im Besonderen großer Widerstand entgegen. Doch Hildegard lässt sich von ihrem Vorhaben nicht mehr abbringen und gründet zusammen mit ihren Getreuen im Jahre 1150 schließlich das Frauenkloster Rupertsberg in Bingen am Rhein.

Wer bisher nur eine vage Vorstellung vom Leben und Wirken der Hildegard von Bingen hatte, der erfährt durch diesen Film nun Einiges darüber, wenn auch längst nicht alles. Das ist von einem zweistündigen Film auch kaum zu erwarten, aber das Drehbuch von Trottas konzentriert sich schon etwas einseitig vor allem auf von Bingens "Gesichte", also ihre religiösen Visionen und deren damalige Außenwirkung. Ein Aspekt der viele heute weit weniger interessieren dürfte als die weiteren Talente der Titelfigur, welche hier aber größtenteils außen vor bleiben. So sieht und hört man wenig von ihrem musikalischen Schaffen und so gut wie gar nichts von den Errungenschaften auf dem Gebiet der Kräuter- und Heilkunde.
Statt dessen viele innere Streitereien und Eifersüchteleien im Kloster, bei denen es vor allem um die Emanzipation der Schwesternschaft von denen sich als "Bestimmer" aufführenden Mönchen geht, mit denen Frau sich zunächst das Kloster teilt. Denn diese verführen und schwängern gerne mal ungestraft eine der theoretisch enthaltsamen Damen, was den wachsenden Zorn der Hildegard auf sich zieht. Bis auf den gutmütigen Volmar, mit dem Heino Ferch hier einmal gegen sein übliches Raubein-Image anspielt, wird die männliche Population dann auch recht einhellig negativ dargestellt. Das dürfte auch nicht überraschen, in einem Werk der Expertin für starke Frauenfiguren der Güteklasse "Rosa Luxemburg", oder den Bewohnerinnen der "Rosenstraße". Genau dass war es offensichtlich was von Trotta an dieser Figur gereizt hat, nämlich deren Kampf um Selbstbestimmung gegen einen Wall vorwiegend männlichen Widerstands, sowohl im Bezug auf die Verbreitung ihrer "Visionen" als auch die Gründung eines eigenen Frauenklosters.
Dass die Person von Bingen dabei nicht durchgehend sympathisch agiert und sich keinesfalls frei von Egoismus zeigt, wird besonders in der Episode um ihre leidenschaftliche junge Anhängerin Richardis von Stade deutlich, die Hannah Herzsprung gelegentlich etwas zu überzogen naiv und devot anlegt. Für diese Richardis könnte der Begriff "Fan" mal erfunden und in einen Zusammenhang mit dem Adjektiv fanatisch gebracht worden sein. Als ihr die glühendste und anhänglichste Schülerin weggenommen werden soll, reagiert Hildegard wie ein störrisches und beleidigtes Kind und erntet um sich herum plötzlich nur noch wenig Verständnis. Außerdem verfällt die Chefin auch gern mal in eine Körperstarre oder stellt sich scheintot, bis endlich jemand ihren Willen erfüllt. Für von Trotta anscheinend ein Stilmittel zum Zweck die Ikone von Bingen als auch nicht ganz fehlerfreie und selbstlose Person zu zeigen, welches aufgrund der sehr abrupt auftretenden charakterlichen Wandlungen dann aber eher etwas befremdlich rüberkommt.

Auch Action und Dramatik sind nicht die Sache der Filmemacherin von Trotta, und so erschöpft sich der Film in einer bemüht akkuraten Schilderung der damaligen Lebensumstände in all ihrer Schlicht- und Einfachheit, die aber nur mit wenig Leben gefüllt wird. Denn wenn die betont deutlich gesprochenen Sätze der Charaktere gelegentlich wie steif aufgesagtes Schultheater wirken, dann ist das höchstwahrscheinlich nicht die Schuld der durchgehend begabten Darstellerriege, an deren Spitze eine motivierte Barbara Sukowa nach der "Entdeckung der Currywurst" nun erneut eine starke Figur in einem nur mittelmäßigen Film abgegriffen hat. Nein, dieser fatale Eindruck ist wohl eher die Konsequenz aus der Vorgabe in Form eines einfach ziemlich drögen Drehbuchs. Und so ist es dann zwar nicht der befürchtete kommerzielle Ausverkauf eines angesagten Themas mit dem wir es hier zu tun haben, es handelt sich aber andererseits auch nicht gerade um eine besonders spannende oder gar einen bleibenden Eindruck hinterlassende Angelegenheit. Insgesamt also ein nur mäßiges Vergnügen, so es denn überhaupt eines sein soll.

Bilder: Copyright

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