Was geht - Die Fantastischen Vier

Jahr
2001
Laufzeit
85 min
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Frank-Michael Helmke / 23. Dezember 2010

Es war der wohl schlimmste Tag meines Fan-Daseins. Da saß ich im Jahre 1993, fröhlich vor mich hin pubertierend, kam mal wieder mies gelaunt von der Schule nach Hause und erwartete, daß die so eben erworbene neue CD der Fantastischen Vier den Sonnenschein zurück bringen würde. Denkste. Bei besagter CD handelte es sich um das dritte Album der Begründer des deutschen HipHop, "Die 4. Dimension", und wie wohl die meisten anderen ahnungslosen Teenie-Fans dieser Zeit, die einen weiteren ultra-spaßigen Burner wie die beiden Vorgänger-Platten erwartet hatten, war ich vom neuesten Werk nicht nur enttäuscht, ich war sozusagen entsetzt. Das waren nicht meine Fantas, was fiel denen überhaupt ein, was soll das? Es dauerte eine ganze Weile, bis die Erkenntnis sich ihren Weg zu mir gebahnt hatte und mir klar wurde, was diesen krassen Stilbruch bedingt hatte, was die Band damit sagen wollte und was er wirklich bedeutete. Seit dieser Erkenntnis genießen die Fantastischen Vier künstlerische Credibility auf Lebenszeit, und das zurecht: Seit über einem Jahrzehnt dominiert die Band jene Stilrichtung, die sie selbst sozusagen im Alleingang aus der Taufe gehoben hat. Nicht nur, weil sie die wichtigsten deutschen HipHopper sind, sondern auch, weil sie einfach immer noch die Besten sind.
Daß dem endlich einmal in filmischer Form Rechnung getragen wird war schon längst überfällig. Auftritt des Dokumentarfilmers Dieter Zimmermann, der die Fantas über zwei Jahre während der Entstehung ihres letzten Studioalbums "4:99" und auf der anschließenden Tour begleitete. Aus dem so entstandenen Material schnippelte er ein 85-minütiges Feature zusammen, das die vier Fantastischen ausreichend von allen Seiten beleuchtet, mit ordentlichem Tempo durchaus zu unterhalten weiß aber leider für den Fan wenig Neues bietet.

"Was geht" sieht, trotz aller Mühe von Regisseur und Kameramann, immer noch aus wie viele andere Musik-Dokus. Die Band auf der Bühne, die Band im Studio, die Band backstage. Alles wild durcheinander. Aufgelockert wird das Ganze durch einige viel zu kurze Einblicke ins Privatleben: And.Ypsilon mit seiner fotografierenden Ehefrau, das sind selbst für den Fan überraschende Momente, hält sich das Produzentengenie der Band doch generell vornehm im Hintergrund. Wer sich aber endlich mal ein bißchen mehr über ihn versprochen hat, wird enttäuscht: Schweigsam wie eh und je, und ansonsten darf Smudo's Mama noch erzählen, daß der Andi früher auch schon so ein Ruhiger war. Und das bleibt er dann wohl auch.
Schon etwas mehr gibt es von Thomas D. auf seiner Selbstfindungstour im Wohnmobil und von seinem jetzigen Wohnsitz, ein Bauernhof in der Eifel. Wenn er dann verbittert von seiner kurzen Affäre mit Jenny Elvers erzählt und wie damals alle nur was über Jenny, aber nichts über seine Platte wissen wollten, dann blitzt für einige Augenblicke Thomas' innere Wut auf über das Dilemma zwischen ihm und der Welt: Ein Mensch, der wahnsinnig viel zu sagen hat, aber auf Teufel komm raus niemanden findet, der ihm richtig zuhören will. In Momenten wie diesen steht Zimmermann kurz davor, hinter die Fassade zu dringen, die Band wirklich so zu zeigen, wie man sie noch nicht gesehen hat. Tut er aber leider nicht. Ob er es einfach nicht gemerkt hat, oder ob er sich nicht getraut hat nachzuhaken, sei dahingestellt. Aber wenn DJ Hausmarke lapidar in den Raum stellt, daß er und Thomas D. musikalisch eigentlich völlig konträr zueinander stehen, und darauf überhaupt nicht eingegangen wird, dann springt die verpasste Chance von der Leinwand und verkrümelt sich traurig nach draußen.
Zimmermann war seinen Protagonisten gegenüber wohl eine Spur zu ehrfürchtig. Symptomatisch dafür eine Szene, in der die Fantas nach einem Konzert unter die Dusche hüpfen: Die Kamera bleibt züchtig immer über der Gürtellinie, um dann schließlich brav vor der einen Spalt breit auf stehenden Duschraumtür zu verharren. Wenn dann einige Minuten später der Manager der Band eine alte Privataufnahme der Band unter der Dusche vorführt, "the full monty", dann macht das im Kontrast deutlich, daß sich Zimmermann vielleicht doch nicht getraut hat, den Stars so richtig zu Leibe zu rücken.

So bleibt letztendlich eine kurzweilige und unterhaltsame Collage über die Band, die man sich zwar vor allem als Fan sehr gerne ansieht, aber ohne mehr über seine Stars zu erfahren. Weil er keinen Aspekt der Band und ihrer Geschichte auslassen wollte, verzettelt sich Zimmermann in Bruchstücken und Kleinigkeiten, die zwar alles berühren, aber nichts wirklich abdecken. Herausgekommen ist so eine stabile, aber nicht außergewöhnliche Dokumentation, deren Wirkung letztlich davon abhängt, wie sehr man sich für die Fantastischen Vier begeistern kann. Daß ich zuhause erst einmal "Die 4. Dimension" eingelegt habe, versteht sich von selbst.


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