Yella

Jahr
2007
Laufzeit
89 min
Genre
Release Date
Bewertung
9
9/10
von Patrick Wellinski / 31. Mai 2010

Es beginnt alles mit einer Autofahrt. Fast schon eine Standardeinstellung bei den Filmen des deutschen Autorenfilmers Christian Petzold. Der Fahrer biegt in eine Straße und dann bekommt der Zuschauer Yella (Nina Hoss) zum ersten Mal zu Gesicht. Ihr Blick ist starr und scheint von völliger Leere durchdrungen zu sein. Der schmale Körper, das schwarze Haar und die äußerst dunklen Augenbrauen erschaffen das Erscheinungsbild einer Frau, die nicht real, ja irgendwie künstlich wirkt. Ein Fremdkörper in einer täglichen Szenerie. Sie ist viel mehr eine Gestalt als ein Mensch. Dieses Gefühl des Nichtdazugehörens wird den Film über seine ganze Laufzeit dominieren.
Der Mann am Steuer ist Ben (Hinnerk Schönemann). Er ist Yellas Ex-Ehemann und will sie unbedingt zurück. Doch Yella will nicht. Sie hat Schluss gemacht und das nicht nur mit der Beziehung. Sie will raus aus Wittenberge. Das Städtchen östlich der Elbe ist für Yella nur noch Ballast. In der Nähe von Hannover will sie ein neues Leben beginnen, sich eine neue Arbeit suchen und auch sonst zu neuen Kräften kommen. Selbst als Ben sie auf dem Weg zum Bahnhof in einen Verkehrsunfall verwickelt, hält sie dies nicht vom Aufbruch ab. Im Westen angekommen entpuppt sich das erste Jobangebot als riesiger Flop. Yella hadert mit ihrer Entscheidung. Doch als sie zufällig dem jungen Geschäftsmann Philipp (Devid Striesow) begegnet, stellt der sie als seine Assistentin ein. Alles scheint gut zu laufen, doch immer wieder geschehen Dinge, die Yella nie erlauben sich von der Vergangenheit loszureißen.

Mit "Yella" beendet Christian Petzold seine Gespenster-Trilogie, die 2003 mit "Die innere Sicherheit" begann und zwei Jahre später mit "Gespenster" weitergeführt wurde. Petzold baut seine Filme auf wie Märchen, die sich aber scheinbar mühelos in unseren Alltag eingliedern. Der Effekt, den er dabei erzielt, ist oft verblüffend. Die Figuren, die sich in seinen Filmen herumtreiben, wirken oft etwas leblos, getrieben von einer unbestimmten Kraft, die sie aus der Masse herauszuheben scheint. Sie sind gefangen in einer Art Blase, die sie ständig umgibt und von der Außenwelt abschneidet. Der Drang, dieser Isolation zu entfliehen, charakterisiert diese Personen und auch Yella.
Seine Inspiration holt sich Christian Petzold meistens in der zeitgenössischen aber auch, wie im Falle von "Gespenster", in der volkstümlichen Literatur. So stand das Märchen "Das Totenhemdchen" der Gebrüder Grimm für den zweiten Teil der Trilogie Pate. Und für "Yella" ließ sich der Regisseur und Kritikerliebling von einer Erzählung des Autors Marc Auges inspirieren. In dieser Kurzgeschichte ist ein Mann mit dem Taxi unterwegs zum Flughafen in Paris. Auf seinem Weg vom Taxi zum Flugzeug und später im Flieger merkt er, wie er schrittweise einen Bereich der Freiheit und der Losgelöstheit erreicht, um dann vor der Landung wieder zurück in die Fesseln des "irdischen" Alltags gelegt zu werden.

Mit Yella verhält es sich ähnlich. Sie fängt an ihr neues Leben - weg von Wittenberge - immer mehr zu genießen. An der Seite von Phillip läuft sie zur Höchstform auf, was den Film um einige unerwartet lustige Momente bereichert. Doch dann sind da immer wieder diese Augenblicke der Verwirrung. Plötzlich finden sich in der Tonspur lautes Vogelgekreische oder undefinierbare und unverortbare Wasserlaute. Diese Verfremdungseffekte steigern sich ständig in ihrer Intensität. Yella - und der Zuschauer mit ihr - muss gegen diese Augenblicke ankämpfen. Zum Glück ist Petzold klug genug, seinen Film nicht allein um diese rätselhaften Phänomene (die die Basis seines Filmkonzeptes bilden) zu bauen. Seine hintergründigen Bilder verstecken sich nicht hinter der doppelten Bedeutungsebene, die sie besitzen. Präzise verhandelt Petzold auf diese Weise einen Diskurs, der sich erst im letzten Bild erschließt - oder auch nicht.
Man könnte "Yella" vorwerfen, dass man das Ende erahnen kann. Aber wie gesagt, man kann es halt nur erahnen. Nach den im Kino bekannten Halteseilen sucht man hier vergebens. In Petzolds Filmen ist alles irgendwie in der Schwebe. Dies ist der eigentliche Reiz beim Betrachten von "Yella".
Dass dies überhaupt gelingt, liegt an den herausragenden schauspielerischen Leistungen, allen voran von Nina Hoss. Die Auszeichnung als beste Darstellerin der Berlinale in diesem Jahr ist mehr als verdient gewesen. Es ist eine herausragende Leistung, denn sie spielt Yella nicht nur extrem zurückgenommen, introvertiert und minimalistisch, sondern fast schon innerlich tot. Auch Devid Striesow (zur Zeit einer der besten Charakterdarsteller Deutschlands) brilliert mit einer sehr reduzierten Vorstellung, und Hinnerk Schönemann, der zuletzt in "Emmas Glück" begeisterte, kann wie gewohnt durch seine leicht verstörende Aura überzeugen.

Und so ist "Yella" im eigentlichen Sinne die Studie eines innerlichen Todes. Was schon über seine letzten Filme zu sagen war, lässt sich nun also auch über Christian Petzolds neuen Kinofilm sagen, dass er nämlich ein Werk von tiefer mystischer Virtuosität geschaffen hat, ohne dabei gängige Konventionen zu bedienen. Eine Eigenschaft, die man sich von mehr Regisseuren wünscht.


Eine Frage an die Allgemeinheit: Sollte man sich die hier erwähnten Film von C. Petzold vorher ansehen oder kann man "Yella" für sich ansehen?

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8
8/10

@stan
„yella“ kann man sich bedenkenlos anschauen auch wenn man die anderen beiden filme nicht gesehen hat. und das sollte man auch – denn diesen film mit herausragenden schauspielerischen leistungen und souveräner regie lohnt den kinobesuch.

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10
10/10

deutsches kunstgold

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Genau mein Film:
unterkühlt, statisch und unsinnlich...super!

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8
8/10

schon schade, wenn sich für solch einen beeindruckenden film 4 wochen nach kinostart magere 6 einträge finden. so wahnsinnig quälend intelektuell ist „yella“ dann auch nicht, daß sich die kinogänger vom lösen einer kinokarte abschrecken lassen sollten. der film hat eine packende atmosphäre und entwickelt eine ganz eigene dynamik. kino, das hervorragend unterhält und doch zum nachdenken anregt.

hier finden sich an keiner stelle gekünstelte dialoge, sondern auf die charaktere glaubhaft zugeschnittene worte. ausnahmslos alle darsteller wissen zu überzeugen, besonders devid striesow liefert eine phantastische vorstellung ab.

nach ansicht von „yella“ wird man in einem meeting nie wieder ein schmunzeln unterdrücken können, wenn das gegenüber die arme hinter dem kopf verschränkt …

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8
8/10

Gibt ja wirklich wenig Einträge hier...

Habe Yella nun im Fernsehen gesehen, was ein wenig Schade ist, weil der Film visuell durchaus etwas zu bieten hat: sehr sparsam, aber auch prägnant wird hier eine kühle Business-Welt gezeigt, in der Natur (grün) und Yella (rot) eigentümlich hervorstechen.
Yella ist sicher ein Film, der ein bestimmtes Filmpublikum anspricht. Man muss schon einen Hang zu 'intellektuellen' Filmen haben, sich an eben jenen visuellen und erzählerischen Besonderheiten erfreuen können, um hier eine Befriedigung raus zu ziehen.
Ich gebe zu, dass ich von Petzolds Filmen auch nicht so richtig begeistert bin. Sie sind mir oft ein Stück zu verkopft, zu reduziert, ohne richtigen Drive. Dennoch hat Yella mir - gerade im Nachklang - gut gefallen. Eine Studie über die (Schein-)Welt des Kapitalismus, in der alle so wahnsinnig abgeklärt mit Millionen und shareholder value argumentieren, gleichzeitig aber doch Menschen bleiben, die Träume haben, Familien, Lieben wollen. Und die ganz starke Figur von Yella ist quasi der Katalysator, der all dieses zum Vorschein bringt -und bleibt dabei eben selbst unverändert.
Ich habe ihn nicht wirklich verstanden, trotzdem - oder gerade deshalb - hat er mir gut gefallen...

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5
5/10

Herr Wellinski gibt dem Film 9 augen...... hm,
ist das nicht der gleiche Kritiker der den Film "STAY"
mit 4(!) augen bewertet hat...
"Time to wake up" Herr Wellinski, "Yella" ist doch ein
durchschnittliches Plagiat von "STAY"...

"Und so ist "Yella" im eigentlichen Sinne die Studie eines innerlichen Todes." (oder einer Nahtoderfahrung) - richtig Herr W. und genau das sind Marc Forsters seine 99min nur um einiges besser.
Christian Petzold war offensichtlich mehr fasziniert.....

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