Hollywood hungert sich hässlich

von Frank-Michael Helmke / 11. Juli 2009

01.04.2002 - LOS ANGELES - Eine Woche ist seit der Oscar-Verleihung vergangen, die Showbiz-Hauptstadt der Welt hat den Kater nach der großen Party längst auskuriert und ist zum Alltagsgeschäft zurück gekehrt. Doch für manche war der große Gala-Abend nicht das Ende, sondern der Anfang aller Aufregung.
Dick Remreid hat in seinem Berufsalltag als Computervertreter an der Westküste für gewöhnlich nicht mit dem Glitter und Glammer von Hollywood zu tun, was er allerdings am vergangenen Sonntagabend über den roten Teppich flanieren sah, versetzte Remreid in seiner Funktion als Sprecher der Amerikanischen Organisation zum Kampf gegen
gesundheitsgefährdende Idealfiguren in helle Aufregung: "Ich war der festen Überzeugung, dass wir nach der vorbildlichen Pionierarbeit von Kate Winslet oder Christina Ricci, die sich entgegen jedem Schlankheitswahn gerne mit ihren vollen weiblichen Formen in der Öffentlichkeit zeigten, die schlimmsten Zeiten hinter uns hatten. Ich meine, wenn selbst jemand wie Kate Moss die körperlichen Folgen einer Schwangerschaft in Kauf nimmt, sollte man das doch als Schritt in die richtige Richtung sehen". Der Aufmarsch der Reichen und vor allem Schönen im frisch eröffneten Kodak Theatre im Herzen Hollywoods letzte Woche bewies allerdings das Gegenteil. Remreid, der seinen dezenten Bierbauch ohne falsche Scham vor sich her trägt, war erschüttert: "Wie sich da manche der prominentesten Damen des Filmgeschäfts als ausgehungerte Skelette präsentierten, da wurde mir direkt ganz anders beim Gedanken an all die jungen Cosmopolitan-Leserinnen vor den Bildschirmen, die nun plötzlich glauben: Wenn Jennifer Connelly außer Haut nichts mehr auf den Knochen hat, ist diesen Sommer wohl wieder der androgyne Hunger-Look angesagt".
Die Preisträgerin in der Kategorie Beste Nebendarstellerin sorgte in der Tat für das größte Aufsehen bei Remreid und den vielen Freunden seiner Organisation. Vor allem im Vergleich mit älteren Aufnahmen der sexy Brünetten war sie in ihrem beigen, trägerlosen Oscar-Kleid kaum noch wieder zu erkennen. "Hervor stehende Schulterknochen, der kaum noch vorhandene Hals hinter einem dünnen Schal verborgen und fleischlos am ganzen Körper - schockierend", fasst Remreid, in den letzten Monaten ebenfalls Co-Organisator einer Boykottaktion gegen die TV-Serie "Ally McBeal" und ihre Hauptdarstellerin Calista Flockhart, seinen Eindruck zusammen.
Und erhält dabei Beistand aus der wissenschaftlichen Gemeinde: Harold Weinberg, Professor für Biologie und Zoologie an der Universität von Kalifornien, stimmt Remreid in seiner Kritik zu. "Es ist gut, dass diese Damen hier im warmen Kalifornien leben. In den kälteren Landesteilen hätten sie mit ernsthaften Gesundheitsrisiken rechnen müssen, wenn sie die harten Wintermonate ohne ausreichende Wärmepolster verbracht hätten. Nicht umsonst verzeichnen wir in den nördlichen Staaten jedes Jahr einen signifikanten Schwund in der Rehkitz-Population aufgrund von Erfrierungen".
Weinbergs persönliches
Lieblingsbeispiel für dieses dem menschlichen Überlebenstrieb widerstrebende Phänomen bei der Oscar-Gala ist Jungstar Reese Witherspoon, die ihn "mit ihrem runden, fröhlichen Gesicht immer an mein aller erstes Miezekätzchen erinnert". Davon war jedoch nicht mehr viel zu sehen, als die Hauptdarstellerin des Kinohits "Natürlich Blond" mit ihrem Ehemann Ryan Philippe über den dieses Jahr burgunderroten Teppich flanierte. "Eingefallenes Gesicht, all die schönen Konturen verschwunden. Äquivalente im Tierreich finden sich da nur noch bei vom Aussterben bedrohten Rassen".
Auch die Herzogin von York Sandra Ferguson, als "Fergie" einstmals Königin der Klatschspalten und heute sehr erfolgreiche Werbeträgerin der Abnehm-Organisation "Weight Watchers", äußerte sich bei einem kurzen Telefoninterview kritisch: "Sicher ist es, vor allem für die jungen Darstellerinnen, schwer, sich zu etablieren, und bevor wichtige Rollen an ein paar Pfunden scheitern, greifen sie lieber gleich zur Kalorientabelle. Doch damit ist Vorsicht geboten, denn nicht alle Unternehmen bieten so eine wissenschaftlich gefestigte und gesunde Beratung wie ‚Weight Watchers' an. Dass so etwas schnell zu weit führen kann, haben wir letzte Woche beobachten können".
Hoffnung, so sind sich alle Experten einig, besteht lediglich darin, dass die Casting-Agenten der Traumfabrik diesem Trend einen Riegel vorschieben, bevor er überhand nimmt, und dagegen mit Rollenangeboten für gesunde, gut gepolsterte Schauspielerinnen ein deutliches Zeichen setzen. Nicht umsonst war Dick Remreid's Favoritin für die Kategorie Beste Hauptdarstellerin die Texanerin Renée Zellweger aus "Bridget Jones - Schokolade zum Frühstück", die für ihre Rolle mehr als zwanzig Pfund zugenommen hatte, "und mit ihrem süßen Doppelkinn noch viel besser aussah als sonst".

 

 

Connelly in "A Beautiful Mind" ...

... und auf dem roten Teppich mit Kollegin Hellen Mirren.

 

Witherspoon vor kurzem in "Natürlich Blond" ...

und letzte Woche bei den Oscars.

 


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