"Systemfehler - Wenn Inge tanzt": Interview mit Regisseur Wolfgang Groos

von Désirée Wilde / 15. Juli 2013

groos 0Filmszene: „ Ein Doppeltitel für einen Film ist ja eher ungewöhnlich. Stand der Titel so von Anfang an fest?“

Wolfgang Groos: Der zweite Teil war von Anfang an der Arbeitstitel. Dann haben wir aber  festgestellt, dass er allein irreführend sein kann, weil Inge so ein alter Name ist. Weil der Song aber so heißt, sollte er unbedingt Teil des Titels sein und da wir mit dem Song schon eine ganze Weile bei iTunes und im Radio on Air sind haben wir gesagt, es ist toll, wenn der Film so heißt wie die Band. Und daher ist der Titel nun so aufgebaut wie das Logo einer LP.

Wussten Paula und Tim was da auf sie zukommt?

Die beiden kannten ja das Drehbuch und ich habe ihnen von Anfang an klar gemacht, was ich von ihnen erwarte. Und später konnten sie die Songs auch wirklich spielen, natürlich nicht so perfekt wie die von MADSEN, aber sie haben sie live gespielt. Beim Dreh aus technischen Gründen natürlich nicht.

Warum hast du gerade sie für die Hauptrollen ausgewählt?

 Bei Tim hab ich von Anfang an den Schalk, der ihm im Nacken sitzt gesehen. Ich hab gedacht, der ist cool, sieht gut aus und hat so etwas spitzbübisches, das fand ich immer sehr besonders. Er hat eine gute Energie und darauf achte ich beim Casting am meisten, dass die Energie zu der Figur einfach stimmt. Und bei Paula ging es mir auch so. Das Lustige bei Paula ist, dass sie mir im Nachhinein erzählt hat, dass sie eine Menge Inge Elemete an sich hat; sie war z.B. Walddorfschülerin, das wusste ich vorher nichte. Und dann mussten sie ganz hart proben.

Die Sprache der Jugendlichen wirkt zu Anfang doch etwas derb und teilweise überzogen. Basiert sie auf einer realistischen Grundlage?

 Vom ursprünglichen Drehbuchtoren, Thomas Winkler, ist diese Sprache initiiert und der ist vom Hauptberuf Lehrer und wir haben uns schon sehr darauf verlassen, dass es authentisch ist. Und genau das kriegen wir auch zurück von den Jugendlichen, denn das ist endlich mal ein Film in dem die Schauspieler genau so reden wie wir auch reden. Nicht dieses pseudo-coole oder extra ein bisschen Ghetto Slang mit rein. Dieser Mix aus Derbheit, Weichheit und Emotionalität auf der anderen Seite, ist genau  wie wir Menschen sind, wir sind nicht einseitig. Daher ist gerade die Sprache auch ein besonderes Merkmal unseres Films.

groos 1Im Film haben die Kids ja sehr viel mit Drogen zu tun. Max raucht die ganze Zeit und Fabio ist fast pausenlos auf Droge, woraus natürlich viele witzige Situationen entstehen. War das beabsichtigt oder steckt auch die Message dahinter: Das kann passieren, wenn ihr Drogen nehmt?

 Es ging nicht gezielt um den Gag, aber natürlich kann einer entstehen durch eine verkehrte Dosierung. Wir hatten keine Lust Jugendliche zu zeigen und dieses Thema auszuklammern und so tun als ob es das nicht gäbe, denn dann heuchelt man den Zuschauern etwas vor. Im Endeffekt ist es bei dem Lukas ja auch so, dass er sein Ziel auf eine Frau zuzugehen erst in dem Moment erreicht, wo er keine Drogen genommen hat. Er entscheidet sich bewusst der Frau aus der Patsche zu helfen, in dem er sich auch nackig macht und seinen verrücktesten Moment hat er somit ohne Drogen. Wir zeigen auch bewusst nicht mit dem Zeigefinger drauf „eh Leute nehmt keine Drogen dann wird alles super“, denn das finde ich verkehrt. Wir trinken Wein und Bier und das ist gesellschaftlich anerkannt und gehört gewissermaßen zu unserer Kultur und den anderen Teil verschweigen wir, sodass er immer gleich böse und schlimm ist. Wenn man aber zu viel Alkohol trinkt und Tabletten nimmt, ist der Effekt genau gleich. Wenn man aber guten Wein trinkt, dann kann es das Leben auch in Maßen bereichern.

Apropos Nacktszenen. Es gab ja sehr viele im Film.

Diese Idee fand ich von Anfang an super, weil man gar nicht damit rechnet und uns beim Drehen ein paar sehr lustige Tage beschert hat. Anfangs bei den Partyszenen waren alle noch recht angespannt, aber ich haben den Schauspielern versichert, dass ich nichts zeige, was sie nicht wollen und das es mir nicht um ihre Anatomie geht, sondern darum, dass besonders die Figur des Lukas über ihren Schatten springt und es wäre einfach albern gewesen, wenn er die Shorts anbehalten hätte. Bei den Konzertszenen, die wir viel später gedreht haben, war die Stimmung gleich von Anfang an super. Auch durch die Mucke und als die erst mal voll aufgedreht war, hatte auch keiner mehr irgendwelche Hemmungen. Da es superwarm war, waren die Nackten eigentlich sogar besser dran (lacht).

Was war denn die größte Herausforderung beim Drehen allgemein?

Da gab es sogar gleich drei: den Unfall vom Anfang, mit vielen Slow Motion Bildern und das man einen Bus zum Kippen bringt war technisch eine große Herausforderung . Als zweites natürlich, dass die Band die Musik wirklich selbst und geil performen konnte und nichts gedoubelt werden musste. Und als letztes die Kubareise, wo wir nur zweieinhalb Tage gedreht haben, aber nie vorher dagewesen sind. Wir kannten also alles nur von Fotos und wussten nicht, was auf uns zukommt. Als die restliche Crew am zweiten Tag anreiste hatten der Kamermann und ich noch immer kein Motiv. Also haben sich alle ein Moped geschnappt und nach der Hacienda gesucht und diese zum Glück auch gefunden.

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Filmszene-Autorin Désirée Wilde beim Interview mit Wolfgang Groos

Peter Kraus ist ja auch im Film dabei und spielt als einen in die Jahre gekommenen Schlagerstar schon eine sehr selbstironische Rolle, könnte man sagen. Wurde die Rolle direkt für ihn geschrieben?

Die Figur Herbert König gab es schon, bevor uns Peter Kraus von unseren Castern vorgeschlagen wurde. Er hat mir am Telefon gesagt, dass wichtigste sei es, dass die Figur nicht Peter Kraus, sondern eine Kunstfigur ist. Ich fand es cool, dass er sich nicht so wichtig nimmt, sondern die Figur im Vordergrund steht und wusste da, es konnte nur noch super werden. Er war es dann auch, der die Figur immer krasser machte. Peter meinte aber auch, Herbs Song „Rosen auf Hawai“, sei schon fast zu gut, um ihm im Film diesen Trash Faktor zu verleihen.

Herb setzt sich ja auch viel mit dem Sterben auseinander. Ging es darum auszusagen er lebt den Moment?

Ganz genau. Onkel Herb ist genau wie Peter Kraus über 70 und beschäftigt sich mit dem Tod, was jeder, denke ich, ab einem gewissen Alter tut. Er tut es halt auf Herbs Weise – ich sag nur Gipsabdrücke von gewissen Körperteilen- ich denke, dem Tod so ironisch gegenüberzutreten ist auch eine ganz gesunde Haltung und wenn er dann sagt manchmal muss man sich entscheiden, will man die Musik oder die ganz große Liebe, dann weiß man, das sagt jemand, bei dem es von Herzen kommt. Herb hat sehr viel erlebt und hat keine Angst vor dem, was als übernächsten Schritt kommt. Wäre die Figur wirklich sterbenskrank gewesen wäre, dann hätte das dem Film so eine Schwere gegeben, die ich verkehrt fand. Viel spannender und ehrlicher ist es, mal eine Figur zu erzählen, die zwar ein gewisses Alter, aber ansonsten eigentlich nichts hat und dem Tod quasi ins Gesicht lacht

Zum Abschluss noch mal zu dir - warum wolltest du Regisseur werden?

Wollte ich anfangs gar nicht. Ich habe lange als Regieassistent gearbeitet, was eigentlich nicht die klassische Vorstufe zum Regisseur ist, weil der Assistent ein Logistiker ist. Mein Glück war, dass ich auf Sönke Wortmann getroffen bin. Er hat vor mir gemerkt, dass ich eigentlich Regie führen sollte und hat mir erste Szenen bei dem „Wunder von Bern“ überlassen. Dadurch, dass er so in mein Können vertraut hat, hab ich auch  an mich geglaubt, aber ohne ihn hätte ich wohl nie Regie gemacht.


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