Special: Das Filmszene-Tagebuch zu den 58. Internationalen Filmfestspielen von Berlin
Vom 7. bis zum 17. Februar findet die diesjährige Berlinale statt, und macht die deutsche Hauptstadt für diese Zeit auch zum Zentrum der Filmwelt. Unser Redakteur Patrick Wellinski ist mit dabei und berichtet täglich von den neuesten Ereignissen und wichtigsten Filmen des Festivals. Freitag, 15.2.2008: Das Drama der Geschichte Angela Merkel setzt ein Zeichen und besucht Andrzej Wajdas Film "Katyn". Scarlett Johansson und Natalie Portman wollen unbedingt ein Kind von Eric Bana und eine Familientragödie aus den Südstaaten schließt den Wettbewerb... Der polnische Altmeister Andrzej Wajda zeigte heute seinen letzten Film "Katyn" im Wettbewerb außerhalb der Konkurrenz. Wajda rührte schon mit seinen vorherigen Filmen immer an äußerst brisanten Stoffen aus der Geschichte seines Landes. Aber "Katyn" war sein Lebensprojekt. Was nicht heißt, dass der Film sein größtes Werk ist. Der Regisseur öffnet eines der am besten unter Verschluss gehaltenen Geheimnisse des Zweiten Weltkrieges - das sowjetische Massaker an rund 22.000 polnischen Offizieren. Schon während des Krieges wurde der Fund der Massengräber sowohl von den Nazis als auch von den Sowjets für die Regimepropaganda instrumentalisiert. Sogar in der DDR war dieses Thema in den Geschichtsbüchern tabuisiert worden. Gegenstimmen wurden als faschistische Hetze abgetan und bestraft. Scarlett Johansson sieht auf der Pressekonferenz etwas kränklich aus. Es mag sein, dass der Jetlag ihr zu schaffen macht. Zusammen mit Natalie Portman und Eric Bana stellt sie Justin Chadwicks Spielfilmdebüt "The other Boleyn Girl" außerhalb der Konkurrenz vor. Der Film schildert die Geschichte der englischen Schwestern Anne (Portman) und Mary (Johansson) Boleyn, die beide am Hofe Heinrich VIII. den noch ohne männlichen Thronfolger versehenen Monarchen beglücken sollen. Was Anne zunächst nicht schafft, gelingt Mary auf Anhieb: Sie wird schwanger und bekommt einen Sohn. Doch der ist ein Bastard, da der König noch verheiratet ist. Was nun folgt, ist ein ziemlich vergnügliches Hin und Her, bei dem immer wieder eine der beiden Schwestern die Oberhand gewinnt. Nachdem Anne es geschafft hat, den König zu heiraten (wofür der immerhin einen historischen Bruch mit der katholischen Kirche riskierte, seine eigene, die anglikanische Kirche gründete und so die englische Gesellschaft bis heute prägte) schafft sie es nicht, wie versprochen einen Sohn zu gebären. Ihr Schicksal scheint besiegelt. Der letzte offizielle Beitrag im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb ist Lance Hammers Familiendrama "Ballast". Der Film erntete schon Vorschusslorbeeren, da er im Januar den Regiepreis beim berühmten Sundance-Filmfestival gewann. Hammer ist quasi ein Berlinale-Kind. Die Ausarbeitung seiner Drehbuchidee erfolgte auf dem Berlinale Talent Campus, wo jedes Jahr eine handvoll ausgesuchter junger Filmemacher die Chance bekommt, in Workshops von den großen Meistern des Fachs alle Geheimnisse des Filmemachens zu erlernen. "Ballast" bringt uns hinein in eine kaputte Familie irgendwo im Mississippi-Delta. Ein junger Afroamerikaner stirbt, sein Bruder versucht sich daraufhin zu erschießen. Als er aus dem Krankenhaus entlassen wird besucht ihn fast täglich ein kleiner Junge mit einer Waffe. Er bedroht den Mann, doch dieser nimmt den Jungen nicht ernst. Es stellt sich heraus, dass dies der Sohn des toten Afroamerikaners war. Langsam kommt die zerbrochene Familie zusammen und doch ist der Alltag von einer ärmlichen Unbeständigkeit geprägt. Verliert die Mutter des Jungen ihren Job, haben sie keine drei Dollar zum überleben. Der Anwalt, der den Nachlass des toten Vaters verwaltet, will aber 200 Dollar die Stunde. Wie letztes Jahr versuchen wir uns am Vorabend der Preisverleihung in die Haut der Jury zu versetzen und wollen kurz überlegen, wer die größten Chancen hat, die begehrten goldenen und silbernen Bären mit nach Hause zu nehmen. Blickt man auf die Kritikerspiegel der Tageszeitungen, dann sind sich alle einig, dass Paul Thomas Andersons Öldrama "There Will Be Blood" mindestens einen Preis verdient hätte und Yoji Yamadas sensibles Porträt einer kämpfenden Mutter "Kabai" werden auch gute Chancen ausgerechnet. Aber dann wird es schon sehr diffus und die Meinung der Journalisten driftet stark auseinander. Es gab starke Männer- und Frauenperformances zu sehen. Bei den Frauen werden wohl Tilda Swinton, Sally Hawkins und Kirstin Scott Thomas um den Bären kämpfen. Bei den Männern dürften Elmar Wepper oder Nanni Morretti als trauernde Witwer das Rennen unter sich ausmachen, aber auch Daniel Day-Lewis darf man nicht vergessen. Es ist wirklich schwer, sich dieses Jahr aus dem Fenster zu lehnen. Dennoch hier die Vorschläge von Filmszene: Goldener Bär für den Besten Film an "The Song of Sparrows"Silberner Bär - Großer Preis der Jury an "Happy Go Lucky" Silberner Bär - Bester Darsteller an Daniel Day Lewis für "There will be Blood"
Donnerstag, 14.2.2008: Die Tränen der Kritiker Die Pressekonferenzen der Berlinale sind beliebter als die Filme. Das Schicksal von Kindersoldaten eignet sich nicht immer für einen Film. Amos Kollek durchforstet das Leben eines getriebenen Poeten und Phillip Claudel greift nach dem goldenen Bären ... Madonnas Regiedebüt "Filth and Wisdom", wegen dessen Premiere so ein Gewese gemacht wurde, ist die Geschichte von vier Außenseitern, die nach dem Glück im Leben suchen und sich ein Haus in London teilen. Die Charaktere sind allesamt hoffnungslose Verlierer und dermaßen überzeichnet, dass man sie wohl nur noch als Freaks abstempeln kann. Den Plot weiter zu beschreiben wäre zweck- und sinnlos. Die titulierte Weisheit ist in Wirklichkeit gar keine und es gibt auch nur sehr wenig Dreck zu sehen. Ganz anders und viel intensiver erzählt der Dokumentarfilm "War Child", der im Generation-Programm läuft, vom gleichen Thema. Christian Karim Chrobog porträtiert das Leben des sudanesischen Hip Hop-Stars Emmanuel Jal. Bevor er mit seiner Musik bekannt wurde, teilte Jal das Schicksal der kleinen Awat aus "Feuerherz". Er war Kindersoldat. Mit gerade mal sieben Jahren wurde Jal in einem Trainingscamp in Äthiopien ausgebildet. Später floh er mit knapp 400 Kindern vor den Rebellen. Nur zwölf überlebten. Mittlerweile hat er die Schule besucht und ist ein gefeierter Star. Doch Jal vergisst nicht, wie seine Vergangenheit aussah. Er weiß, dass die Gegenwart wahrscheinlich noch genauso schlimm ist, wenn nicht sogar noch viel grausamer. Mit seinen Songs versucht er die Menschen in ihren Herzen zu erreichen. Aber Jal ist auch Sprecher von "Stop the Use of Child Soldiers" und seit 2006 Botschafter der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam. Einfach nur zu singen, das weiß Emmanuel Jal, verändert nicht die Welt. Der israelische Wettbewerbsbeitrag "Restless" von Amos Kollek erzählt eine auf den ersten Blick für den Regisseur eher ungewöhnliche Geschichte. Das erste Mal seit langem widmet er sich reinen Männerproblemen, nachdem er mit seiner Frauen-Trilogie ("Sue", "Fiona" und "Angela") auf sehr bemerkenswerte Art drei individuelle Schicksale am Rande der Gesellschaft beschrieben hat. In "Restless", einer tragischen Vater-Sohn-Geschichte, bleibt er dem Milieu der sozialen Randschichten treu. Morgen gibt es nur einen offiziellen Wettbewerbsbeitrag zu sehen und zwei Filme außerhalb der Konkurrenz. Daher ist der französische Film "Il y a longtemps que je t'aime" von Philippe Claudel der vorletzte Film, der ins Rennen um den Goldenen Bären geht. Kristin Scott Thomas spielt die Hauptrolle in diesem ungemein bewegenden Familiendrama. Sie ist Juliette, die nach 15 Jahren aus der Haft entlassen wird. Sie kommt zunächst bei der Familie ihrer Schwester Lea (Elsa Zylberstein) unter. Doch das Verhältnis der beiden ist aufs äußerste gestört. Juliette hat ihren sechsjährigen Sohn umgebracht, daraufhin haben sie ihre Eltern verstoßen und Lea wurde jeder Kontakt untersagt. Und so gestalten sich die ersten Begegnungen scheu und sind geprägt durch ein unangenehmes Schweigen. Doch Juliette kehrt langsam in das alltägliche Leben zurück. Auch das Eis zwischen ihr und ihrer Schwester beginnt langsam zu schmelzen. Aber kaum hat man sich an den Rhythmus gewohnt, taucht ein Brief auf und lässt die Vergangenheit in einem ganz anderen Licht erscheinen.
Mittwoch, 13.2.2008: Papa wartet auf dich! Die Berlinale-Filme beschäftigen sich sehr intensiv mit den Schicksalen von Eltern. Der japanische Beitrag setzt dem Leiden und dem Leben einer Mutter ein eindrucksvolles Denkmal, und Nanni Moretti spielt einen Vater, der seine tote Frau nicht vergessen kann. Außerdem: Der erste französische Beitrag reanimiert ein fast schon vergessenes Genre .... Die Berlinale und ihr Wettbewerb mit den ganzen Nebenreihen wäre nichts ohne den EFM. Der European Film Market ist der unsichtbare Motor der Filmfestspiele. Auf dem Markt werden die wirklich wichtigen Deals abgeschlossen. Filme werden hier gekauft und verkauft. Ein Besuch beim EFM ist daher auch etwas stressig - jedenfalls eindeutig stressiger als bei den Pressevorstellungen. Es geht hier manchmal zu wie an der Börse. Elegant angezogene Männer laufen mit ernster Miene und schwarzen Aktentaschen durch die Gegend und haben mindestens ein Handy am Ohr. Diese Geschäftigkeit treibt die Menschen dann schließlich auch ins Kino, zu den so genannten Market-Screenings. Diese finden neben normalen Kinosälen auch in vielen Hotelsuiten statt. Dort bekommt man dann Filme zu sehen, die oft in einer ungeschnittenen Fassung präsentiert werden. Darunter sind auch kleine Perlen, wie der neue Morgan Spurlock-Film, der neue "Batman" oder auch der neue Film von Olivier Assayer. Wie einschlägige Branchenblätter wie die "Variety" oder der "Hollywood Reporter" melden, ist der Berliner Filmmarkt in diesem Jahr besonders begehrt, was dem Festival zu gute kommt. Das ist auch gut so. Wieder zurück bei den Kollegen von der Presse. Der japanische Wettbewerbsbeitrag"Kabei - Our Mother", der neue Film des Berlinale-Stammgastes Yoji Yamada, der durch seine bekannte Samurai-Trilogie für einiges Aufsehen sorgte, ist die Verfilmung eines in Japan sehr berühmten Romans. Es ist das Drama einer Frau, die im Schrecken des Zweiten Weltkrieges ihren Mann verliert. Er wird beschuldigt kommunistische Propaganda an der Universität zu lehren und wird wegen Staatsverrat ins Gefängnis gesperrt. Was folgt ist der Kampf einer Frau, die nicht nur für die beiden heranwachsenden Töchter sorgen muss, sondern auch die Schande ertragen muss, einen "Verräter" geheiratet zu haben. Als ihr Vater sich von ihr abwendet, bleibt der Frau nur noch ein ehemaliger Student ihres Mannes, der der Familie hilft wo er nur kann. Die Rolle der Frau in der traditionellen japanischen Gesellschaft ist eine sehr nebensächliche. Die Männer haben das Sagen. Was Yamada dank der äußerst guten literarischen Vorlage macht, ist den Blick und den Wert der Frauen in den Mittelpunkt zu rücken und uns ihre Wichtigkeit vor Augen zu führen. Das ist an einigen Stellen etwas unausgereift, aber im Allgemeinen ist man beeindruckt von dem Schicksal einer Frau, die alles tat, um die zu retten die sie liebte. Nanni Moretti ist in Berlin. Nanni Moretti wird dieses Jahr aber auch in Locarno sein, wo ihm zu Ehren eine Retrospektive laufen wird. Dort wird sicherlich sein Meisterwerk "Das Zimmer meines Sohnes" zu sehen sein. In dem Berlinale-Beitrag "Quiet Chaos" spielt Moretti nur die Hauptrolle. Für die Regie ist sein Kollege Antonello Grimaldi verantwortlich. Und doch gehört die ganze Leinwand Moretti und seinem melancholischen Gesicht. Er ist ein Vater der eines Tages seine Frau verliert und nun mit seiner Tochter alleine zurückbleibt. Da seine Firma gerade im Begriff ist von einer amerikanischen Gesellschaft aufgekauft zu werden und alle Jobs in Gefahr sind, will Moretti nur eines tun - seine Tochter zur Schule bringen und draußen vor dem Gebäude auf einer Bank auf sie warten. Es gab eine Zeit, da war der französische Thriller das feinste, was man im Arthouse-Kino sehen konnte. Filme wie Henri Verneuils "Der Klan der Sizilianer", Jean Pierre Mellvilles "Vier im roten Kreis" oder Alain Corneaus "Die Wahl der Waffen" gehören immer noch zum aufregendsten, was das Genre zu bieten hat. Und wie immer geht es um den ewigen Kampf Gut gegen Böse. Und doch war das Gute als auch das Böse im französischen Kriminalfilm immer auf äußerst faszinierende Weise aufgelöst. An diese glorreichen Zeiten will der erste rein französische Wettbewerbsbeitrag "Lady Jane" anknüpfen. Der Regisseur Robert Guediguian erzählt von drei Menschen (zwei Männer und einer Frau), die den Mörder des Sohnes der Frau finden wollen. Doch immer wieder scheint die Vergangenheit auf. Was ist passiert? Welches tragische Schicksal hat diese grundverschiedenen Menschen aneinander gekettet? Der Film zitiert berühmte Vorbilder und kann trotz einiger Mängel überzeugen. Die clever gewobene Rache- und Liebesgeschichte jedenfalls hält die Spannung bis zum Schluss. Ein cooler Film der auch ohne die ganz bekannten französischen Stars auskommt.
Dienstag, 12.2.2008: Ein Bayer in Japan und ein Koreaner in Paris Filme aus Brasilien und Deutschland enttäuschen und langweilen. Dafür werden die müden Festivalaugen von Johnny To verwöhnt. Der beste französische Film kommt aus Südkorea. Altmeister Mike Leigh inszeniert lesbische Fahrstunden und Dokumentarfilmer Errol Morris holt das Grauen von Abu Ghraib auf die Leinwand .... "Tropa De Elite" ist mit Abstand der erfolgreichste Film Brasiliens. Schon bevor er in die Kinos kam und dort zwei Millionen Zuschauer vor die Leinwand lockte, hatten ihn durch Schwarzmarktkopien rund 12 (!) Millionen Menschen gesehen. Auch die wilde öffentliche Diskussion, die der Inhalt des Films auslöste, sucht in der Landesgeschichte ihresgleichen. Die Vorwürfe: Der Film sei gewaltverherrlichend und faschistisch. Regisseur José Padilha erzählt in hyperrealistischen Bildern vom gewalttätigen und korrupten Kampf der brasilianischen Polizei gegen die Drogendealer der Slums. Sein Film ist laut, schnell und brutal. Kugelgewitter ziehen im Minutentakt über die Leinwand und lassen der etwas flachen Geschichte wenig Platz zur Entfaltung: Ein Kommandant der BOPE-Einheit (eine Spezialeinheit der Polizei, die sehr schnell und effektiv die Dealer erledigen kann und im Gegensatz zur normalen Polizei nicht korrupt ist) wird Vater und sucht einen Nachfolger, da er nun im Beruf etwas kürzer treten will. Das Boot-Camp, welches die besten Bewerber herausfiltern soll, gleicht in seiner Erbarmungslosigkeit dem aus "Full Metal Jacket". Dorris Dörries Liebe zu Japan hat ihre letzten drei Filme geprägt. Und auch der im Voraus mit zahlreichen Bayrischen Filmpreisen ausgestattete Film "Kirschblüten - Hanami"nimmt seinen Helden Rudi (Elmar Wepper) mit in das Land der untergehenden Sonne. Rudi hat Krebs und wird bald sterben, aber der pensionierte Beamte weiß davon nichts. Nur seine Frau Trudi (Hannelore Elsner) weiß Bescheid. Sie traut sich aber nicht ihrem Mann die Wahrheit zu sagen - und dann ist Trudi tot. Für Rudi bricht eine Welt zusammen und er beschließt seiner Frau den letzten Wunsch zu erfüllen: Einmal den Fuji-Berg sehen. "Tropa De Elite" dauert knappe zwei Stunden. Auch Dörrie knackt mit ihrem Film die Zweistundenmarke. Es ist die Berlinale der sehr langen Filme, was leider nicht immer bedeutet, dass es deswegen auch gute Filme sind. Da wirkt "Sparrow" von Actionmeister Johnny To mit seinen 89 Minuten wie ein Exot. Seine Hongkonger Taschendiebgeschichte ist voller überraschender Einfälle und mit viel Schwung und einer enormen Prise Ironie inszeniert. Der Film wirkt wie ein Energy-Drink. Dabei verzichtet To dankenswerterweise auf jegliche tiefer gehende Charakterexposition und unnötigen psychologischen Ballast. Er erzählt schnörkellos die Geschichte von vier Taschendieben, die eines Tages auf eine junge Frau treffen, die ihren ganzen Alltag auf den Kopf stellt. Was folgt, ist pures Genrekino. Johnny Tos eigene Version von "Chinatown", mit dem Charme der "Ocean's"-Reihe. Dann der Showdown: Dicke Regentropfen, kleine Teppichmesserklingen und ein poetisches Ballett aus schwarzen Regenschirmen. "Sparrow" ist eine Fingerübung, mehr nicht, aber was für eine! Hong Sangsoos Film "Woman on the Beach" lief letztes Jahr noch in der Panorama-Sektion. Sei neustes Werk "Day and Night" läuft nun im Wettbewerb - zum Glück. Ein junger Mann flieht aus Korea nach Paris und lässt sein Frau zurück. Wahrscheinlich ist die Polizei hinter ihm her, aber so ganz klar wird das nicht. Der Film ist kein Thriller, viel mehr eine sanfte aber sehr genaue Beobachtung über das Ankommen. In Paris verliebt sich der Mann in fast jede Koreanerin, die er trifft. Aber nachts (und daher der Titel) sitzt er am Telefon und leidet zusammen mit seiner daheim zurückgebliebenen Frau. Fast schon eine rhetorische Frage: Hat Mike Leigh jemals einen wirklich schlechten Film gedreht? Nachdem sein letztes Werk "Vera Drake" besonders düster und bedrückt war, erweist sich der neue Film des englischen Altmeisters "Happy Go Lucky" als eine helle Komödie. Poppy (wunderbar: Sally Hawkins) ist ein Mensch, wie man ihn wohl nur auf der Leinwand ertragen kann. Die 30jährige Grundschullehrerin ist immer gut drauf, hat immer den passenden Spruch auf den Lippen und ist auch sonst nicht wirklich erwachsen geworden. Als ihr Fahrrad gestohlen wird ist ihre Reaktion: "Oh schade. Und ich konnte mich nicht einmal verabschieden." Nichts und niemand kann ihr den Humor nehmen. Auch nicht ihr Fahrlehrer (grandios: Eddie Marsan), der mit der extrovertierten Dame zunächst nicht anfangen kann. Es ist das erste Mal in den Geschichte der Berlinale, dass ein Dokumentarfilm im offiziellen Wettbewerb läuft. Der Oscarpreisträger Errol Morris widmet sich mit "Standard Operating Procedure" den Folterexzessen des US-Militärs im irakischen Gefängnis Abu Ghraib. Es ist ein Film geworden, der die kleinen und unbekannten Soldaten zu Wort kommen lässt. Morris hat alle in den Skandal verwickelten Personen vor der Kamera versammelt, und es gibt viele "talking heads" zu sehen. Und doch ist "Stadnard Operating Procedure" auch ein Film über die Kraft und Macht der Fotografie. Das einzige, was von diesem Skandal übrig blieb, sind nun mal die Fotografien, von nackten und gedemütigten Irakern. Der Film sieht dabei zu, wie sich die Soldaten gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben und immer noch versuchen ihre eigene Rolle herunter zu spielen. Der Film zeigt das wie, das wer und das wo, aber das Warum kann oder will er nicht zeigen. Wieso die Soldaten sich zu diesen Folterspielen hinreißen ließen, muss man sich selber erschließen.
Montag, 11.2.2008: Löwenkinder und Schlaf-Dealer Der Wettbewerb pendelt zurzeit zwischen toll und mies, jetzt wird es mal Zeit, sich ausführlicher dem Programm der vielen Nebensektionen zu widmen. Ein kleiner Streifzug durch die weite und vielschichtige Festivallandschaft ... Die Zukunft in "Sleep Dealer" sieht alles andere als rosig aus. In einem kleinen mexikanischen Dorf müssen die Menschen in einen gefährlichen Trakt klettern, um etwas Wasser zu holen. Dabei müssen sie zuerst Geld in einen Automaten stecken. Wenn sie sich weigern oder das Wasser stehlen, werden sie von automatischen Maschinengewehren sofort erschossen. Ein junger Mexikaner verliert bei einem amerikanischen Luftangriff seinen Vater und geht in die Stadt, um seine Familie zu versorgen. Dort arbeitet er in den so genannten"Sleep Dealer"-Fabriken. Die Mexikaner arbeiten hier mit Hilfe seltsamer Apparaturen in Amerika, ohne dort körperlich anwesend zu sein. So nutzen die USA die billigen ausländischen Arbeitskräfte, ohne sie im Land zu haben. Im Forum läuft ein wunderbarer kleiner Film mit dem Namen "Son of a Lion". Dieses Werk wurde von einem australischen Regisseur gedreht, spielt aber im heutigen Pakistan. Ein 11-jähriger paschtunischer Junge will sehr gern in die Schule gehen, doch sein Vater verlangt, dass er ihm bei der Waffenherstellung hilft. Dass der Film wahrscheinlich mit sehr wenig Geld produziert, fast amateurhaft gefilmt und nur mit Laien besetzt wurde, fällt nicht weiter ins Gewicht. Der Blick in den Alltag hat fast etwas Dokumentarisches. Dies erlaubt dem Publikum in Gegenden einzutauchen, die den meisten wohl sonst verschlossen bleiben. Aber "Son of a Lion" begeistert auch durch die Weisheit und die Weitsichtigkeit seiner Dialoge sowie eine beachtliche Menge Humor. Vielleicht gibt es eine Art Happy End, vielleicht aber auch nicht. Man kann sich nicht sicher sein, wie das Leben der Menschen sich in dieser krisengeschüttelten Region entwickeln wird. Auch der Regisseur Benjamin Gilmour wagt keine eindeutige Prognose. Fast zweieinhalb Stunden dauert Götz Spielmanns neuster Film "Revanche". Der Österreicher begeisterte schon durch sein letztes Werk "Antares" und hat nun eine Mordgeschichte im heutigen Wien inszeniert. Ins Aquarium führt uns der ägyptische Regisseur Yousry in seinem Panorama-Film"Genenet al asmak". Der Ägypter durchleuchtet die Einsamkeit von Großstädtern. Da ist zum Beispiel die Radiomoderatorin, die eine Art Selbsthilfesendung moderiert: Sie kann durch andere Tragödien besser mit den eigenen Missständen leben. Als erfolgreiche und selbstständige Frau wohnt sie immer noch mit Mutter und Bruder zusammen. Oder der Anästhesist, der am liebsten mit seinen Patienten nach der Narkose plaudert, weil er dann ehrlichere Gespräche führen kann. Sein Vater leidet an Krebs und hat seinem Sohn nichts zu sagen. Er kann in seiner neuen Wohnung nicht schlafen und tut dies in seinem Auto. Außerdem arbeitet er nachts in einer illegalen Abtreibungsklinik. Das titelgebende Aquarium ist der Ort, an dem sich die Liebespaare der Stadt treffen. Und natürlich werden auch die Radiomoderatorin und der Anästhesist sich treffen, aber es wird nicht das Aquarium sein. Sehr bedrückt und distanziert will der Film die Unmöglichkeit des Zueinanderkommens demonstrieren. Doch er verzettelt sich in seiner verworrenen Dramaturgie. Man möchte seinen Figuren wirklich nahe sein. Man möchte durchaus ihre Konflikte verstehen. Aber der Film schließt sie hermetisch ab und so bleibt uns nichts weiter, als ihnen von außen zu zu sehen, wie den Fischen im Aquarium. Es ist längst kein Geheimtipp mehr, aber es muss immer mal wieder erwähnt werden: Die Sektion "Generation" (früher einmal "Kinderfilmfest") hat jedes Jahr ein unglaublich starkes Programm zu bieten. Filme für Kinder, das ist in Deutschland eine traurige Angelegenheit. Die meisten Exemplare dieser Gattung sind rührselig und gehen über die Harmlosigkeit einer "Wilde Kerle" oder "Wilde Hühner"-Reihe selten hinaus. Zum Glück ist das in anderen Ländern nicht so. Wenn man sich die Kinderfilme aus Skandinavien oder aus dem Nahen Osten ansieht, dann stockt einem schon mal der Atem. Tod, Krieg und Armut werden da schmuck- und trostlos verhandelt. Interessiert das Kinder, die ins Kino gehen? Aber sicher tut es das, wenn man den begeisterten Reaktionen des jungen Publikums auf der Berlinale glauben darf.
Sonntag, 10.2.2008: Penelopes Busen Ein iranischer Film versprüht mehr Charme und Witz als bisher alles andere im Wettbewerb. Penelope Cruz hilft Ben Kingsleys Liebesleben auf die Beine und es gibt Glühwürmchen in einem amerikanischen Film zu sehen... Die Berlinale blickt zurück. Jedes Jahr wird die Retrospektive dem Werk eines bedeutenden Regisseurs der Filmgeschichte gewidmet. Letztes Jahr war es der Arthur Penn, dieses Jahr ist es das Genie des Surrealismus: Luis Bunuel. Sein Todestag jährt sich dieses Jahr zum 25. Mal. Wenn man sich dieser Tage in Berlin ins Kino setzt und auf einen Bunuel-Film wartet, dann wundert man sich, wie voll es doch geworden ist. Aber es ist auch vielleicht für sehr lange Zeit die letzte Chance, viele Filme des Meisters zu sehen, bevor sie auf lange Zeit wieder in den Archiven verschwinden.
Samstag, 9.2.2008: Augen zu und durch! Wer Kinder entführt, der hat auf der Berlinale leider schlechte Karten. Gleich zwei Wettbewerbsfilme beschäftigen sich mit Kidnapping. Ein mexikanischer Film durchforstet die Einsamkeit nach dem Tod und das asiatische Kino bedient sich klassischer Genredramaturgien und liebt Glühwürmchen... Jasmila Zbanic steht vor dem Kino und die Szenerie ist ein wenig tragisch. Alle Journalisten rennen an der hübschen Frau vorbei, ohne sie nur eines Blickes zu würdigen. Vor zwei Jahren war sie noch heiß begehrt, als sie damals den Goldenen Bären für ihr überwältigendes Drama "Esmas Geheimnis" gewann. Doch nun sind das alles Nachrichten von gestern. Das Rad dreht sich weiter, neue Filme, neue Stars. Doch das wird Frau Zbanic sicherlich nicht weiter stören, schließlich ist sie ja dieses Jahr Mitglied der internationalen Jury, die das beste Regiedebüt kürt. Die ersten Bilder des ersten Wettbewerbsfilms dieses Tages sind schockierend träge und leer. "Und das um 9 Uhr!" flüstert eine Stimme in der hinteren Reihe. Ein ödes Feld im mexikanischen Nirgendwo, dann ein Schnitt, ein rotes Auto fährt vorbei, dann kommt eine schwarze Blende (die erste von sehr vielen in diesem Film). Man hört einen lauten Knall und sieht wenig später das rote Auto, welches auf einen Mast aufgefahren ist. Ein Junge steigt aus, blickt hoffnungslos auf sein verbeultes Etwas, was mal ein schöner Nissan war, und geht los. An Mauern und verkommenen Häuserfassaden vorbei. Die ersten Worte, die in "Lake Tahoe" gesprochen werden, halten sich präzise an die Lakonie der Bilder. Der Junge will das Auto reparieren, dabei begegnen ihm äußerst seltsame Menschen: Der alte Mann, der seinen Kampfhund voller Liebe das Müsli aus der Schüssel essen lässt, der junge Automechaniker, der am liebsten ein Shaolin-Mönch wäre, und eine endlos qualmende junge Frau, die anstatt ihr Baby zu hüten viel lieber bei einem Konzert wäre. Was zunächst anmutet wie eine trockene und unzugängliche Geschichte aus dem Herzen Lateinamerikas entwickelt sich überraschenderweise zu einer wundervoll sensiblen und sehr gut durchdachten Episode aus einem tragischen Leben. Der Vater des jungen Mannes ist vor kurzem gestorben. Die Mutter schließt sich seitdem im Bad ein, der kleine Bruder schneidet Fußballspieler aus Illustrierten aus und verbringt den ganzen Tag in einem Zelt. Langsam wird klar, dass der Autounfall vom Anfang nichts weiter war als reine Symbolik. Wie konnte er um alles in der Welt auf breiter Straße ohne Verkehr diesen Unfall bauen? Aber so ist das Leben, alles läuft seinen gewohnten Gang und am Ende ist der Vater tot und nichts ist mehr wie es mal war. Das der Film dies nicht mit einer zentnerschweren Melancholie erzählt, sondern mit einer nahezu stoischen Lakonie, das ist sein großer Verdienst. Wenn auch der Applaus der Kritiker am Ende nicht so stürmisch war wie nach "There will be Blood", so war er doch um einiges herzlicher und länger. Die Wochenzeitung "Die Zeit" titulierte in ihrer letzten Ausgabe, dass die Schauspielerin Tilda Swinton mit ihrer Rolle in Emile Zoncas Film "Julia" sicherlich zum Superstar der Berlinale aufsteigen wird. Nun ja, die Rechnung geht nicht ganz auf. Der Film ist lose angelehnt an den John Cassavetes-Klassiker "Gloria" mit Gina Rowland. Swinton spielt die Alkoholikerin Julia, die sich von einer psychisch gestörten Leidensgenossin überreden lässt, ein Kind zu kidnappen. Doch natürlich geht nichts so wie es ursprünglich geplant war und Julia hat nicht nur ein Kind am Hals, sondern bald jede Menge anderer Probleme. Außerdem wird das Kind in Mexiko durch Julias Unachtsamkeit erneut entführt und nun ist es die Alkoholikerin, die ein Lösegeld beschaffen muss. Aber ist ihr das Leben des Kindes mittlerweile wichtig genug, um dafür ihr eigenes Leben zu riskieren? Ein süßes kleines Mädchen wandert ganz am Anfang von Damian Harris' Film "Gardens of the Night" durch eine wundervolle Vorstadtsiedlung in den USA. Sie wird von einem netten Mann angesprochen, der sie dann jedoch sehr geschickt mit einem Komplizen entführt. Für das Mädchen endet an dieser Stelle ihr bisheriges Leben und ein neues, furchtbares Leben beginnt. Sie und ein afroamerikanischer Junge werden von den beiden Männern nackt gefilmt und später auch an Freier verkauft. Etwa zehn Jahre später sehen wir die beiden wieder. Sie sind mittlerweile allein unterwegs. Haben sich ihrer Entführer wahrscheinlich brutal entledigt, so ganz will das der Film nicht sagen. Doch die beiden bleiben dem Straßenstrich treu. So stehlen sich die Teenager, die sich mittlerweile gegenseitig als Bruder und Schwester bezeichnen, durch ihren Alltag und ein Leben, das ein anderes hätte sein können. Asiatische Panorama-Filme
Freitag, 8.2.2008: In der Hitze des Gefechts Die ersten Wettbewerbsfilme erfüllen eines der zentralen Motive der diesjährigen Berlinale und präsentieren dem Publikum tragische Geschichten von Kindern. Darunter Kleine, Große und auch Ungeborene ... "Aber bitte halten Sie die Sitze sauber und denken Sie an die Kritiker, die morgen hier schon um neun Uhr sich die ganzen Filme ansehen." Diese weisen Worte sprach Festivaldirektor Dieter Kosslick auf der gestrigen feierlichen Eröffnungsgala zu dem sehr prominenten Publikum. Und tatsächlich waren die Reihen des Berlinale-Palastes am Morgen wieder blitzeblank. Aber das Grundthema unter den Pressemenschen war eine Sperrfrist. Diese Sperrfrist besagt, dass sich alle akkreditierten Journalisten verpflichten müssen, Filme, die ihre Weltpremiere auf der Berlinale feiern, erst nach der offiziellen Galapremiere zu rezensieren. Was für die Printjournalisten keine größeren Probleme darstellt, ist für die Kollegen vom Radio dann doch schon eine erhebliche Schwierigkeit und so hörte man gestern öfter Phrasen wie diese aus dem Äther: "Man könnte sagen, dass es sich um die besten Stones seit langem handelt, wenn man etwas sagen könnte, darf man aber nicht." Doch die hitzigen Diskussionen erloschen sofort, als der erste Wettbewerbsfilm aus China auf die Leinwand projiziert wurde. Der Regisseur Wang Xiao Shuai gewann mit seinem Film "Bejing Bycicle" 2001 den silbernen Bären und kehrt nun mit seinem neusten Werk "Zou You - In Love we Trust"zurück. Es ist die präzise Beobachtung eines Familiendramas im modernen China und zugleich eine Auseinandersetzung mit der staatlichen Ein-Kind-Politik des Landes. Die fünf Jahre alte Hehe erkrankt an Krebs, als die Chemo nicht anschlägt, bleibt dem Mädchen nur noch die Hoffnung auf eine Knochenmarkstransplantation. Was zunächst als Kleinkinddrama anmutet, wird schnell zu einem tiefen moralischen Zwist, der sich zwischen vier Erwachsenen abspielt. Hehes Mutter hat sich von Hehes leiblichem Vater schon lange geschieden. Mittlerweile lebt sie mit einem wundervollen neuen Ehemann zusammen. Hehes Vater hingegen hat eine nicht ganz so stabile Beziehung mit einer Stewardess. Da weder die Mutter noch der Vater als Spender in Frage kommen, verrennt sich die Mutter in die Idee, mit ihrem Exmann ein Kind zu zeugen, da Geschwister mit viel höherer Wahrscheinlichkeit passende Spender sind. Mit seinen acht Oscar-Nominierungen ist Paul Thomas Andersons Epos "There Will Be Blood" ein richtiger Brummer im Wettbewerb. Der Regisseur gewann mit seinem Meisterstück "Magnolia" schon im Jahr 2000 den Goldenen Bären. Beim Betrachten seines neuen, erst fünften Werks kann man erneut feststellen, dass P.T. Anderson das Filmemachen auf unfassbar hohem Niveau betreibt. Für das Drehbuch von "There Will Be Blood" stand das Buch "Öl" von Upton Sinclair Pate. Es ist eine wuchtige Aufstiegsgeschichte über den amerikanischen Ölbaron Daniel Plainview (Daniel Day Lewis), der schnell zu Reichtum gelangt und sich dabei ebenso schnell seine Umwelt zum Feind macht. Die Leistung von Daniel Day Lewis wurde in den USA zurecht in höchsten Tönen gelobt und bereits mit Preisen überschüttet: Wenn er zu Beginn des Films in einer schier endlosen Sequenz mit seinen dürren Ärmchen einen Schacht auf der Suche nach Silber ausgräbt, dann zehn Meter in die Tiefe stürzt, sich ein Bein bricht und ein furchterregendes Röcheln ausstößt, ist das schauspielerisch jenseits von Gut und Böse. Lewis spielt alle Facetten seiner Stimme aus. Er beschwört, flüstert, überzeugt, um dann plötzlich ins teuflische und scheinbar unendlich laut werdende Brüllen zu verfallen. Es ist schlicht und einfach atemberaubend. Nach so viel Hitze im wilden Westen ging es im dritten Wettbewerbsbeitrag ab in den bitterkalten Norden Europas. "Musta Jää - Black Ice" heißt der finnische Beitrag des Regisseurs Petri Kotwica und ist ein Feuerwerk der Langeweile. Die weisen Worte der FIPRESCI-Kritikerin: "Ich habe gehört, der soll nicht so doll sein", sollten sich noch als eine harmlose Untertreibung herausstellen. Erzählt wird die Geschichte eines wohl situierten Pärchens, das sich trennt als sie merkt, dass er sie betrügt, und zwar mit einer - wie sollte es auch anders sein - viel jüngeren Studentin. Die Frau verfolgt die Geliebte ihres Mannes. Schon bald werden sie die besten Freundinnen, sie nimmt eine völlig andere Identität an und spielt mit der ahnungslosen Frau ihre Spielchen. Dann folgen expliziter Oralsex, ein fast tödlicher Treppensturz, ein fast tödlicher Autounfall und eine angedeutete Abtreibung mit der Hilfe zweier Finger und später dann mit einem Messer - das alles aber nicht in vorgegebener Reihenfolge. Ob das wohl schocken sollte?
Donnerstag, 7.2.2008: Ein Licht in der dunklen Welt Es ist wohl die Zunge des Rolling Stones-Frontmanns Mick Jagger, die schon Andy Warhol durch seine PopArt-Kunst verewigt hat, die zum Sinnbild der diesjährigen Berlinale werden könnte. In seinem siebten Dienstjahr ist Festival-Direktor Dieter Kosslick ein wahrer Coup gelungen: Der Meisterregisseur Martin Scorsese stellt gemeinsam mit den Rolling Stones den Konzertfilm "Shine A Light" vor und eröffnet damit die 58. Ausgabe der Berliner Filmfestspiele. Wer letztlich einen Bären erhalten wird, entscheidet wie immer eine internationale Jury. Dieses Jahr wird sie vom Oscarpreisträger Costa-Gavras geleitet. Mit seinen eminent politischen Filmen wie "Z", "Missing" oder auch "Music Box" - mit dem er 1989 die Berlinale gewann - hat der Regisseur für Aufsehen gesorgt. Weitere Mitglieder der Jury sind die deutsche Schauspielerin Diane Krüger ("Troja", "Das Vermächtnis des geheimen Buches"); ihre koreanische Kollegin Shu Qi, die in ihrer Heimat ein großer Star ist und dem weltweiten Kinopublikum durch Luc Bessons "The Transporter" in Erinnerung geblieben ist; der russische Produzent Alexander Rodnyansky; der mehrfach ausgezeichnete deutsche Produktionsdesigner Uli Hanisch ("Das Parfum"); und der Urvater des Sounddesigns, Walter Murch. Seine Tonbearbeitungen prägten Meilensteine der Filmgeschichte wie "Apocalypse Now" oder auch "Der Pate". Für seine Arbeit wurde er bereits mit drei Oscars ausgezeichnet. Der Anfang der diesjährigen Berlinale war hingegen absolut unpolitisch und trotzte dem üblichen "Fluch" der hiesigen Eröffnungsfilme, die sich in den letzten Jahren so oft als Enttäuschung erwiesen hatten. Martin Scorsese macht, wenn er mal eine Auszeit vom Spielfilmdreh braucht, gerne Musikdokumentationen (so wie sein Konzertfilm "The Last Waltz", der in unserer Gold-Rubrik vertreten ist). "Sie halten mich frisch", sagt der Regisseur bei der hoffnungslos überlaufenen Pressekonferenz. In "Shine A Light" filmt Scorsese die am meisten dokumentierte Band der Popgeschichte, die Rolling Stones während eines Doppelkonzerts in New York. |
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