Das geheime Leben der Worte

Originaltitel
The Secret Life of Words
Land
Jahr
2005
Laufzeit
112 min
Genre
Release Date
Bewertung
10
10/10
von Miriam Flüß / 31. Juli 2010

Der spanischen Regisseurin Isabel Coixet gelang bereits im Filmjahr 2003 mit "Mein Leben ohne mich" ein kleines Filmwunder. Sarah Polley ("Don't come knocking", "Dawn of the Dead") spielte darin eine junge Mutter, die eine tödliche Krebs-Diagnose erhält, diese niemandem anvertraut und für sich selbst eine Liste mit letzten Dingen erstellt, die sie vor ihrem Tod noch erleben möchte. Die Hauptrolle in ihrem neuen Film "Das geheime Leben der Worte" schrieb Coixet der kanadischen Schauspielerin auf den Leib, und schafft mit ihrer Protagonistin und einem starken Drehbuch erneut ein kleines Juwel, eine wunderbare Hommage an das Leben.

"Das geheime Leben der Worte" erzählt von verletzten Menschen und den künstlichen Inseln, auf die sie sich zurückziehen, und dass ausgerechnet an diesen einsamen, rauen Orten zarte Liebesgeschichten entstehen können.
Hanna (Sarah Polley) arbeitet in einer Fabrik. Zum Schutz vor dem Lärm ihrer Umwelt und der Nähe ihrer Kollegen lässt die Schwerhörige ihr Hörgerät meist ausgeschaltet. Hannas Gewohnheiten tragen autistische Züge: sie isst tagtäglich ausschließlich Hühnchen mit Reis, wirft ihre Seife nach nur einmaligem Benutzen weg und hält ihre Wohnung klinisch sauber. Hanna hat sich in diesem Leben eingerichtet - zum Unverständnis und Unwillen ihrer Umwelt. Und so bricht eines Tages das Unplanmäßige über sie herein: Ihr Chef verhängt nach jahrelanger Betriebszugehörigkeit ohne einen einzigen freien Tag und ohne Kontakt zu den Kollegen einen sofortigen Zwangsurlaub. Für Hanna ist das eine fast bedrohliche Situation, der sie an ihrem Ferienort, einem grauen Küstenstädtchen, schnell entflieht: Sie heuert als Krankenschwester für ein schwerverletztes Brandopfer auf einer Ölbohrinsel mitten im Atlantik an.
Nach einem Brand, der das Leben eines Arbeiters forderte, sind nur noch wenige Männer auf der Ölplattform geblieben: der Koch Simon (Javier Cámara), ein Meeresbiologe, zwei Maschinisten, der Vorarbeiter und Josef (Tim Robbins), der sich in dem Feuer schwere Verletzungen zugezogen hat und vorübergehend erblindet ist. Josef versucht, seiner Situation mit Ironie zu begegnen, und redet verzweifelt gegen seinen Zustand an. Hanna ist sein einziger Kontakt zur Außenwelt, doch ein Gespräch mit seiner schweigsamen Pflegerin anzufangen, gelingt Josef nicht. Hanna versorgt ihn gewissenhaft, fast mechanisch, zeigt jedoch keinerlei Interesse an einem zwischenmenschlichen Kontakt. Bis sie in Josefs Kajüte sein Handy findet, auf dem die von ihm nicht abgehörte Liebeserklärung einer Frau eingegangen ist.
Hanna hört diese Nachricht wieder und wieder ab. Sie beginnt, hinter Josefs teilweise derben Kommunikationsversuchen einen auch innerlich verletzten Menschen zu erkennen. In der Abgeschlossenheit der künstlichen Insel im Meer öffnen sich die Krankenschwester, deren einzige Verteidigung gegen die Welt das Schweigen ist, und ihr Patient, der seine Einsamkeit durch Worte zu überwinden sucht, einander ganz langsam. Doch als Beide sich schließlich ihre tiefsten Verletzungen offenbaren können, bricht das neu gewonnene Vertrauen jäh auseinander.

Die Schatten der Vergangenheit, die Hanna Josef offenbart, sind schockierend und geben dem Film eine radikale Wendung. Isabel Coixet führt uns ganz nah an eine Figur heran, über deren Vorleben wir nichts erfahren, von der wir nur eine stoisch beherrschte Routine zu sehen bekommen. Sie macht uns zu Zeugen der Liebesgeschichte zwischen den beiden Protagonisten, die sich ganz langsam in einem von der alltäglichen Welt völlig abgetrennten, aber gleichzeitig sehr nahen Raum entwickelt. Für diese kammerspielartige Situation hat Coixet mit Sarah Polley und Tim Robbins zwei großartige Schauspieler besetzt, die in ihren physisch gehandicapten Figuren sämtliche Facetten ihrer Tiefen - aber auch Oberflächen - ausloten. Und obwohl sie uns in die schwärzesten Abgründe dessen hinabführt, was Menschen aneinander antun können, erzählt Coixet von der Hoffnung und der heilenden Kraft der Liebe.
Kritik am Gegenstand ihres Films muss Coixet sich sicher gefallen lassen. Um den Schluss nicht vorweg zu nehmen, soll dieser hier nicht verraten werden. Die Regisseurin gibt für aufmerksame Verfolger der Zeitgeschichte versteckte Hinweise, etwa mit dem Namen der Ölbohrinsel. Dennoch kann zur Diskussion gestellt werden, ob es legitim ist, ein derart verstörend-komplexes Thema quasi aus dem Hut zu zaubern. Es sei aber darauf hingewiesen, dass uns Hannas Schicksal als Zuschauer so trifft, wie es uns vermutlich auch im "wahren" Leben außerhalb des Kinodunkels getroffen hätte - nämlich völlig unvorbereitet, obwohl wir doch eigentlich so nah dran waren.

Mit "Das geheime Leben der Worte" ist Coixet ein zugleich zutiefst verstörender wie beglückender Film mit hervorragenden Darstellern gelungen - neben Sarah Polley und Tim Robbins Javier Cámara als Koch Simon, der heimlich in Hanna verliebt ist und die Essenszubereitung in stoischer Ignoranz seiner banausischen Kollegen jeden Tag aufs Neue hingebungsvoll zelebriert, sowie Julie Christie als Hannas Therapeutin. "Das geheime Leben der Worte" stellt in seiner Intensität und mit seinen kleinen, skurrilen Szenen, die diese immer wieder sanft aufbrechen, noch eine Steigerung zu "Mein Leben ohne mich" dar - und lässt Coixets nächsten Projekten entgegenfiebern.

Bilder: Copyright

9
9/10

Unterhaltsame, emotionale, trotzdem nicht schwermütig wirkende Story und toll gesachauspielert. Und mehr braucht der Film auch nicht!
Ein tolles Beispiel dafür, dass es nicht immer ein fettes Budget braucht um einen guten Film zu machen.

Permalink

9
9/10

ein wirklich überaschender film, der einen, obwohl an eigentlich nur einem schauplatz gedreht, einen an so viele verschiedene orte entführt, wie es nur wenige filme schaffen können.
diese erfahrung hat man eigentlich nur wenn man ein buch liest, auf so vielen ebenen angesprochen zu werden die sich nur um eine bzw. zwei dinge kreisen. in diesem falle wäre "das geheime leben der wörter" zwar nur eine kurzgeschichte, aber wie schon oft darüber gesagt, eine wirklich sehr berührende und aufwühlende geschichte, wirklich großartig.
außerhalb eines horrorfilm, wo das grauen ja meisten visualisiert wird, hatte ich noch nie so viel angst, wie an der stelle, als tim robbins die geschichte erzählt wo er fast ertrunken wäre und er schwört ein seeungehuer gesehn zu haben. eigentlich war es sogar noch schlimmer als die normale angst die ein horrorfilm hervorruft. es war eine wirklich starkes unbehagen das die eigene existenz bedroht wird. das soll ein film erstmal schaffen, ohne es auch bildlich darzustellen bzw. nur zu umspielen.

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