2 Tage Paris

Originaltitel
2 days in Paris
Land
Jahr
2006
Laufzeit
96 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Patrick Wellinski / 29. Mai 2010

Ach, war das schön. Damals 1995 in Wien. Der amerikanische Tourist Jesse (Ethan Hawke) trifft auf die französische Studentin Celine (Julie Delpy) und überredet sie, sich zusammen die Nacht um die Ohren zu schlagen, bis er am nächsten Morgen nach Hause fliegt. Und so liefen sie durch die österreichische Hauptstadt, redeten oder schwiegen und fanden so allmählich zu einander. Und dann 2004? In Paris lebte dieser sommerlich leichte Traum weiter. Neun Jahre nach ihrer Nacht in Wien trafen sich Jesse und Celine wieder. Diesmal nicht mehr ganz so ungezwungen, aber immer noch mit dem gleichen verlangenden Funkeln in den Augen.

Langsam, unaufdringlich und auf seine Weise wunderschön exerzierte Richard Linklater in seinen beiden Filmen "Before Sunrise" und "Before Sunset" Billy Wilders magische Kinoformel "Boy meets Girl" durch. Mit Ethan Hawke und July Delpy waren nicht nur zwei tolle Darsteller für die Geschichte gefunden, sondern auch zwei kreative Köpfe, die zusammen mit Linklater die Charaktere und Drehbücher entwarfen. Und was ist heute?

2007 sind es nicht mehr Celine und Jesse, die durch die Irrungen und Wirrungen ihrer Gefühle taumeln. Diesmal heißen die beiden Marion (Delpy) und Jack (Adam Goldberg) und sind schon länger ein Paar. Beide wohnen in New York. Er ist Amerikaner und sie Französin. Während ihres Urlaubs in Europa wollen die beiden Marions Eltern in Paris besuchen. Der Besuch wird zur Zerreißprobe, denn Jack fühlt sich sehr schnell als Fremder nicht nur in Paris, sondern auch in der eigenen Beziehung. Er hat es auch wahrlich nicht leicht: Die Schwiegereltern in spe sprechen kein Englisch und Jack auch kein Französisch. Marions Vater (genial von Julie Delpys Vater Albert Delpy verkörpert) ist ein Künstler und besitzt eine Galerie, in der er gerne Gemälde sexuellen und phallischen Inhalts ausstellt. Und dass an jeder Straßenecke ein ehemaliger Geliebter seiner Freundin auftaucht, mit dem sie dann auch noch sehr intensiv redet, bringt Jack völlig aus der Fassung. "Wir haben damals nur rum gemacht", sagt Marion dann und Jack versteht die Welt nicht mehr. Seinen Partner kennt man wohl nie so richtig, auch nicht nach einer langen Beziehung.

Nein, in diesem liberalen Umfeld fühlt sich der stark konservative Jack nicht wohl. Jack ist voller Neurosen, bekommt schnell Migräne und staunt nicht schlecht, als ihm Marions Mutter in schlechtem Englisch sagt, dass sie einst mit Doors-Frontmann Jim Morrison eine Affäre hatte. Natürlich treffen hier nicht nur zwei Menschen aufeinander, sondern vor allem zwei Kulturen. Die heutige amerikanische, voller Selbstzweifel und immer mit dem Minderwertigkeitskomplex einer Weltmacht versehen, die langsam ihren Status abgeben muss, und dem - spätestens seit dem "Nein" zum Irakkrieg - neu emanzipierten Europa. Das alles schwingt in den Wortgefechten zwischen Jack und Marion mit und bildet einen Grundton dieser charmanten Komödie.

In diesem rundum gelungenen Film ist Adam Goldberg vielleicht die größte Überraschung. Wer hätte dem Dauer-Nebendarsteller in "bester Kumpel"-Rollen (z.B. in "Wie werde ich ihn los in 10 Tagen") diese furiose Leistung zugetraut? Es ist dieser leicht irritierte Blick, der sich manchmal mit großen treuen und staunenden Augen abwechselt; der Drei-Tage-Bart und die hängenden Schultern; das alles erschafft den liebevollen Typen, den eigentlich keiner so richtig ernst nimmt. Außerdem gibt es einen ungefähr 5-minütigen Gastauftritt von Daniel Brühl, der einen ziemlich seltsamen Umweltaktivisten spielen darf, der Fast-Food-Filialen in Brand steckt.

Aber "2 Tage Paris" ist natürlich eigentlich voll und ganz das Baby von Julie Delpy. Sie hat den Film geschrieben, gedreht, geschnitten, produziert und natürlich spielt sie auch die weibliche Hauptrolle, portraitiert Marion stark, durchsetzungsfähig und ein wenig naiv. Eine Frau, die noch lernen muss, was eine Beziehung wirklich ausmacht. Diesbezüglich gleicht ihre Figur der Celine aus "Before Sunrise/Sunset". Doch wenn sie einen rassistischen Taxifahrer auf erstaunliche Weise beleidigt, dann schimmert doch auch ein anderer Charakterzug durch.

Denn in Marion kann man die Ängste und Befürchtungen von Menschen sehen, die wissen, dass es langsam Zeit wird erwachsen zu werden. Die Gesetze und Regeln von Beziehungen sollte man langsam begreifen. Die seelischen Abgründe von Menschen Anfang 30 zu behandeln, das war bisher die Aufgabe von "Scrubs"-Liebling Zach Braff ("Garden State", "Der letzte Kuss"). Die mittlerweile 37 Jahre alte Französin fügt nun diesem Thema ihre eigene Sichtweise hinzu. Und wenn Marion sagt, dass sie es cool findet ihre Ex-Freunde nackt mit Ballons an deren Schwänzen zu fotografieren, dann meint sie das auch so.

Angesichts von soviel Beziehungsproblematik ist es geradezu erstaunlich, wie unheimlich witzig der ganze Film ist. Nach einer Viertelstunde liegt man lachend am Boden und läuft Gefahr, durch das eigene Gejohle den nächsten humoristischen Seitenhieb zu verpassen. Natürlich schwebt der Humor von "2 Tage Paris" in einer ganz anderen Sphäre als der Slapstick-Unsinn eines "Fantastic Movie" und Konsorten. In den stärksten Momenten von Delpys zauberhaftem Film scheint ein Witz durch, der es mit dem von Woody Allen durchaus aufnehmen kann, ja, ihm sogar manchmal ebenbürtig ist. So gesehen könnte man "2 Tage Paris" als eine aktuelle Variante von Allens Meisterstück "Der Stadtneurotiker" bezeichnen - mit der ganz speziellen, unheimlich coolen Handschrift Delpys. Auf der Berlinale war dieser Film jedenfalls Balsam für die vom öden Wettbewerb gelangweilten Festivalaugen. So leicht und lustig kann Kino sein. Unaufdringlich, luftig und einfach nur wunderbar.

Bilder: Copyright

9
9/10

genau: wunderbar. das ist cool + ironisch + deshalb total witzig. wie in einer echten beziehung wird schön unsachlich gestritten + wie in einer echten mutter-tochter-beziehung dauert es nur 2 minuten bis die beiden sich in den haaren liegen (auf die frage was los ist: die ernstgemeinte antwort: nichts - alles bestens - alles ganz normal). am besten ist es sich den film omu anzusehen um den ganzen wortwitz zu verstehen allerdings muss man schon sehr aufmerksam sein um alles mitzukriegen (3 sprachen teilweise parallel + sehr viel text) - also nichts um sich bedudeln zu lassen und dafür auch viel zu schade. auf grund der bilder zum film hatte ich ein bißchen angst julie d. macht auf lustig mit dicker brille aber das hat sich in keiner weise bestätigt.

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9
9/10

Klasse! Julie Delpy ist der neue Woody Allen!

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