So finster die Nacht

Originaltitel
Lat den rätte komma in
Land
Jahr
2008
Laufzeit
110 min
Genre
Bewertung
von René Loch / 16. November 2010
Im vergangenen Winter lieferten sich zwei Vampir-Filme ein Duell, wie es ungleicher nicht hätte sein können. Auf der einen Seite "Twilight", der Zielgruppengerechte Hollywood-Blockbuster mit gigantischer Werbe-Kampagne, auf der anderen Seite "So finster die Nacht", das kleine, zurückgenommene Drama aus Skandinavien. Am Ende gab es zwei Sieger, jeder auf die Art und Weise, wie er es wollte. "Twilight" beglückte zahlreiche Teenie-Herzen, spülte allein in den USA knapp 200 Millionen Dollar in die Kassen und besitzt jetzt schon einen (dem Ursprungs-Plan um zwei Jahre vorgezogenen) Starttermin für einen zweiten und dritten Teil. "So finster die Nacht" fand ebenfalls sein (Nischen-)Publikum (knapp 31.000 Besucher in Deutschland) und wurde mit zahlreichen Preisen, Bestenlisten-Platzierungen und einem anstehenden US-Remake geadelt.

Verjüngen wir den Vampir um fünf Jahre, wandeln das Geschlecht und versetzen ihn in einen Vorort von Stockholm, so manifestieren sich die Unterschiede zum großen, fetten US-Kollegen in der Person der untoten Protagonistin von "So finster die Nacht".
Der zwölfjährige Oskar (Kare Hedebrant) ist schüchtern, ein Einzelgänger und leidet unter den Hänseleien dreier besonders fieser Mitschüler. Seine Mutter, die ihn allein erzieht, bekommt davon nicht viel mit. Oskar flüchtet sich in Rache-Phantasien, sticht mit einem Messer in Luft und Bäume. Eines Abends zieht merkwürdige neue Nachbarschaft zu, augenscheinlich ein Vater (Per Ragnar) mit einer Tochter (Lina Leandersson) im gleichen Alter wie Oskar. Der Mann vernagelt gleich nach seiner Ankunft sämtliche Fenster mit Brettern, bleibt zu den anderen Einwohnern später auf Distanz. Das Mädchen, das sich als Eli vorstellt, ist nur nach Anbruch der Dunkelheit draußen anzutreffen, seltsam blass und nur mit einem dünnen weißen Hemd bekleidet. Oskar und Eli sind zwei einsame Seelen, die sich miteinander anfreunden. Doch zwischen ihnen steht ein Geheimnis, welches einer längerfristigen Freundschaft im Wege stehen könnte.

Ein wirkliches Geheimnis ist das - zumindest für den Zuschauer - natürlich nicht. Schon sehr früh wird klar, dass es sich bei Eli um einen Vampir handelt. Doch obwohl dem Vampir-Mythos hier mitunter einige interessante Facetten abgewonnen werden (was geschieht, wenn ein Vampir uneingeladen eine Wohnung betritt oder gewöhnliche Menschen-Nahrung zu sich nimmt?), ist das Vampir-Sein eigentlich vollkommen zweitrangig. Was vielmehr von Interesse ist, das sind die Probleme, die sich daraus für alle Beteiligten ergeben.
Elis erwachsener Begleiter, dessen Verhältnis zu dem Mädchen nie richtig klar wird, begeht Morde, um den jungen Vampir mit frischem Blut zu versorgen, ordnet ihm alle persönlichen Belange unter, weit über die Schmerzensgrenze hinaus. Über die friedliche Kleinstadt bricht damit unvermittelt eine Serie von Bluttaten herein, die einige Bewohner unerwartet und hart trifft. Und Eli selbst ist dazu verdammt, immer und immer wieder anderen Personen das Leben zu nehmen, um ihr eigenes aufrecht zu erhalten. Universelle Themen wie Einsamkeit und Freundschaft, Leben und Tod, Opfer- und Hilfsbereitschaft werden hier angepackt. Dass es sich um eine Vampir-Story handelt, interessiert dabei nur am Rande.

Erzählt wird diese über weite Strecken komplett unspektakulär. Wenn man nicht wüsste, dass hier jemand Regie führt - man würde es kaum merken. So kühl, zurückhaltend und manchmal fast schon dokumentarisch mutet der Inszenierungs-Stil von Tomas Alfredson an. Lediglich in den raren "Action"-reicheren Momenten fällt beispielsweise das Vorhandensein von Musik mal wirklich auf. Etwas offensichtlicher sind da schon die nicht zu leugnenden Schwächen wie die gewisse Eingewöhnungsphase, die es braucht, um mit diesem Film wirklich warm zu werden, oder das mitunter doch etwas zähe Voranschreiten der Handlung. Und ob es die Szene mit wilden Katzen aus dem Computer, die in krassem Gegensatz zum sonstigen Geschehen steht, wirklich gebraucht hat, ist auch fraglich.
Eine weitere Schwäche, der man aber zumindest auf DVD aus dem Weg gehen kann und sollte, ist die deutsche Synchronisation, die besonders bei den beiden im Mittelpunkt stehenden Jungdarstellern grausam versagt. Was umso bedauerlicher ist, da es gerade diese Beiden sind, die von einem insgesamt sehr überzeugenden Cast am stärksten und eindrucksvollsten in Erinnerung bleiben.

Ganz Zartbesaiteten ist dieser Film nicht zu empfehlen, insbesondere, da immer wieder Kinder (wenn auch manchmal nur rein äußerlich) im Zentrum gewalttätiger Handlungen stehen. Was zunächst über den gesamten Film verteilt immer mal wieder auftritt, erreicht im Finale ein Niveau, welches einen schon erstmal schlucken lässt. Gerade in diesem Punkt wird es sehr interessant zu sehen sein, wie viel Intensität und wie viele diskutierbare Szenen dann im US-Remake noch übrig bleiben. Und ob die beiden jungen Protagonisten mal eben ein halbes Jahrzehnt älter gemacht werden, um die Zielgruppe deutlich zu erweitern.

Der Winter ist zwar mittlerweile vorbei, weshalb die Besichtigung von "So finster die Nacht" vielleicht nicht mehr ganz so stimmungsvoll ausfällt wie noch zum Jahreswechsel, doch verpassen sollte man diese kleine Perle mit verzeihbaren Schwächen nicht. "So finster die Nacht" überzeugt als erfrischender Beitrag zum Horror-Genre, erzählt eine ungewöhnlich-faszinierende Geschichte mit lebendigen Figuren angenehm und passend reduziert in seiner Inszenierung und bietet nach Filmschluss Raum für Diskussion und Interpretation. Komme, was wolle aus den USA - dieses schöne Erlebnis können sie uns nicht mehr nehmen.

So finster die Nacht DVD
bei Amazon bestellen >>>

 


10
10/10

Anfang 2009 lief der Film in einem kleinen Hinterhof-Kino in Berlin - es war eine Entdeckung! Wer gern unterkühlte skandinavische Beats a la Röyskopp hört, findet das filmische Äquivalent hier. Die frostige Atmosphäre außen und innen wird durch die Freundschaft der beiden aufgebrochen - dargestellt in einem ruhigen Filmfluß, und auch die Gewaltszenen können nicht den Zauber unterbinden, der von diesem Film ausgeht.

Permalink

9
9/10

Na, das ist ja gerade nochmal gutgegangen.
Als der Film Anfang des Jahres in den deutschen Kinos lief, war mir völlig unbegreiflich, wie diese Perle der Filmszene-Redaktion durch die Lappen gehen konnte. Immerhin handelt es sich hier, meiner bescheidenen Meinung nach, sowohl innerhalb als auch unabhängig vom Genre um einen der besten Filme der letzten Jahre.

Wenn diese Kritik dazu beitragen kann, das dieser fantastische Film auch nur ein paar Zuschauer mehr erhält, wäre dass viel wert.

Permalink

9
9/10

lief in der sneak, und die ersten 10 minuten denk ich,
die wollen mich doch verarschen was ist das denn?

dann entwickelte sich der film wohl zum besten kinoerlebniss
seit monaten. schräg, schaurig, mehrfach wurde gelacht und auch schreckensrufe waren zu vernehmen.

anschauen!

Permalink

10
10/10

Die größte Überraschung des letzten Winters und der beste Vampirfilm seit Ewigkeiten, weil er dem Genre jede Menge neue Ideen abringt.
Nicht zu vergessen: sagenhafte Hauptdarsteller!
Schliesse mich den Vorrednern an: unbedingt ansehen!

Permalink

10
10/10

lief in der sneak bei uns, und das war fuer mich der beste film 2008! ohne wenn und aber.

achtung spoiler!! achtung spoiler!! achtung spoiler!! achtung spoiler!!

ist der begleiter nicht der vorgaenger von dem kleinen blonden jungen? also nachdem der alte "weg" war, blieb doch der junge; und da das maedchen so alt ist, dachte ich, dass sie sich so immer wieder ihre handlanger beschafft?! vllt koennte jemand was dazu sagen - ich jedenfalls hab das so gedeutet.

Permalink

9
9/10

!!!VORSICHT SPOILER!!!

Warum bezeichnen eigentlich so viele hier Eli als Mädchen? Wie "Sie" selbst im Film sagt, ist "Sie" keins.Wenn man die Romanvorlage gelesen hat wird das auch noch deutlicher.

Permalink

----Vorsicht Spoiler ----

@dino:
Im Buch war das absolut nicht so gemeint, aber im Film hat der Regisseur diese Frage absichtlich angedeutet und offen gelassen, du kannst es also entweder so verstehen dass die beiden von nun an in tiefer Freundschaft einfach zusammen ihren Weg gehen oder dass der Junge der absichtlich gewählte Nachfolger/Handlanger ist.

@Necronomicon
Auch hier: im Buch kommt ziemlich klar raus dass Eli ein Eunuch ist. Im Film wird das absichtlich unklar gelassen, dieser kurze Schnitt zwischen ihre Beine ist die einzige Andeutung und auch hier bleibt es dem Zuschauer selbst überlassen wie er das interpretiert....

---Spoiler Ende -----

Permalink

10
10/10

Hab das Buch gelesen, und - leider nur- das Video gesehen.
Schaurig schön, und beides wärmstens zu empfehlen.

Permalink

10
10/10

----Vorsicht Spoiler ----

@dino:

-Meine Interpretation:

Eli ist laut eigener Aussage schon sehr lange 12 Jahre alt. Es liegt also nahe, dass ihr(e) Begleiter an ihrer Seite altern.

---Spoiler Ende -----

Auf jeden Fall ganz grosser Kino !!

Permalink

10
10/10

Diese Interpretation liegt natürlich nahe. Und wenn man es genau nimmt, wird es wohl auch darauf hinauslaufen. Darauf - oder auf die unumgängliche Trennung. Ein wirkliches Happy End bringt der Film also nicht mit sich (zum Glück). Im Buch wiederum wird deutlich gemacht, dass Eli tatsächlich Liebe für Oskar empfindet und somit zumindest eher ausgeschlossen sein dürfte, dass sie ihn zu ihrem Blutdiener macht.

Permalink

10
10/10

Eine kleine Perle unter all den Mode-Vampirstorys.
Super Buch - Super Film. Wer den im Kino verpasst hat:
Auf DVD Nachholen!

Permalink

9
9/10

"schön", dass es solche filme gibt

Permalink

10
10/10

Vampirfilme sind ja eigentlich totale Scheisse. Siehe Underworld, Blade, und der ganze Hirnriss. Zum Glück konnten drei Filme das Genre mal so oberrichtig auf Vordermann bringen: "Thirst" (Asien), "Let the right one in" (Europa), "Daybreakers" (Nordamerika), und alle drei gemäß den jeweiligen Qualitäten des filmischen Kontinents. Ich warte gespannt auf die Antwort von Afrika und Südamerika...

Permalink

10
10/10

Super Film... danke für den Filmszene-Tipp.

SPOILER:

Also, deutet nicht eigentlich schon der Original-Titel an, welche Funktion der Junge hat? Allein durch den Titel war mir das Ende eigentlich schon vorab klar. Let the right on in würde ich halt so interpretieren wie "wähle den Richtigen aus/weihe den Richtigen ein...(wofür? Für deine Zwecke -> Blutdiener). Zudem wirkt es von Anfang an wie eine bewusste Wahl (Das Erste was ich von dir hörte war, "Stirb du Schwein"). Auch ihr Verhalten gegenüber dem alten Begleiter spricht doch für eine reine Zweckbeziehung.

Permalink

10
10/10

Hab ich im FANTASY-FILMFST gesehen. Einfach großartig. Anfangs dachte ich der Film ist viel zu ruhig, nach einer Weile war die Spannung und Atmosphäre kaum auszuhalten. Diese konsequente Düsternis und auch sehr direkte Brutalität bleiben haften und wirken nachhaltig. Zu den Darstellern braucht man nur zu sagen: die zwei tragen den Film und sie machen es perfekt. Die Zuschauer beim FFF waren auch alle begeistert, die Stimmung war zum zerreissen gespannt, alle muxmäusschenstill, gelegentliche Aufschreie bei blutigen Szenen. Aber ein großes Erlebnis. Schade das er keinen normalen Kinostart bekam.

Permalink

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.