Do the right thing

Originaltitel
Do the right thing
Land
Jahr
1989
Laufzeit
119 min
Genre
Regie
Bewertung
von Frank-Michael Helmke / 25. September 2010

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Bertolt Brecht wäre ein großer Fan dieses Films gewesen. Denn in seinem Meisterstück "Do the right thing" vereint Spike Lee dramaturgische Prinzipien und Techniken aus den griechischen Ursprüngen des Dramas bis hin zu Brechts Epischem Theater, und erschafft einen Film, der weniger eine konkrete Geschichte erzählt als eine einzige, große Denkanregung darstellt; eine komplexe Betrachtung zur alltäglichen Rassenproblematik in den USA vom bis dato bedeutendsten afro-amerikanischen Filmemacher.
Die Eigenwilligkeit der Erzählung und Inszenierung von "Do the right thing" wirkt beim ersten Sehen irritierend, anders ging es da auch nicht den Zuschauern und Kritikern damals Ende der 80er, von denen viele zunächst nicht so recht wussten, was sie mit dem Film anfangen sollen. Tatsächlich jedoch gibt es nicht viele Filme, bei denen es sich so sehr lohnt, die Inszenierungsmittel und Erzähltechniken näher zu betrachten, entfaltet sich doch erst bei genauer Analyse die faszinierende und brillant durchkonzipierte Vielschichtigkeit des Films, der sich auf sehr differenzierte Weise mit einem sehr schwierigen Thema auseinandersetzt. Und sich dabei eben äußerst geschickt der Werkzeuge bedient, die große Köpfe in der Geschichte des Dramas erdacht haben.

So hält sich "Do the right thing" an die Einheitlichkeit von Zeit, Ort und Thema, wie sie Aristoteles, der Urvater der Theater-Dramaturgie, vor gut 2500 Jahren für die Bühnen des antiken Griechenlands vorgegeben hat: Ein Stück spielt an einem Ort, im Laufe eines Tages, und befasst sich mit einem übergeordneten Thema. "Do the right thing" spielt in einem Straßenblock im Brooklyner Bezirk Bedford-Stuyvesant (ein typisches, verarmtes Großstadt-Ghetto), während des heißesten Tages des Jahres, und behandelt das spannungsgeladene Miteinander der verschiedenen Rassen, das schließlich in einem Ausbruch von Gewalt eskaliert. Soziales Zentrum dieses Straßenblocks und das Herz des Films ist "Sal's Famous Pizzeria", wo der Italo-Amerikaner Sal (Danny Aiello) mit seinen beiden erwachsenen Söhnen Pino (John Turturro) und Vito (Richard Edson) quasi für die Ernährung des gesamten Blocks verantwortlich ist. Abgesehen von der unerträglichen Hitze, die alle dünnhäutig und aggressiv macht, läuft an diesem Tag eigentlich alles wie immer, bis dem etwas hyperaktiven Buggin' Out (Giancarlo Esposito) beim Verzehr eines Stücks Pizza auf einmal etwas auffällt: An der "Wall of Fame" in Sal's Pizzeria hängen nur Bilder von berühmten Italo-Amerikanern. Buggin' Out fragt empört: "How come there ain't no brothers on the wall?".
Seine Forderung, dass die afro-amerikanische Gemeinde, die immerhin Sal's gesamte Kundschaft darstellt, auch an der Wand seiner Pizzeria repräsentiert wird, schmettert Sal ab, und auch sein schwarzer Pizzabote Mookie (Spike Lee persönlich) versucht, Buggin' Out von seiner Idee eines Boykotts gegen Sal abzubringen. Trotzdem wird aus diesem scheinbar im Ansatz erstickten Funken eines Konflikts doch noch ein Feuer werden, nach dem auf dem Block nichts mehr so sein wird wie bisher.

Bis es soweit kommt, präsentiert Lee ein breites Ensemble an Figuren, die alle eine repräsentative Funktion für eine bestimmte Gruppe oder einen bestimmten Standpunkt besitzen. Deswegen läuft auch der beim ursprünglichen Erscheinen des Films oft geäußerte Vorwurf ins Leere, die Figuren seien alle Stereotypen - denn in gewissem Maße sollen sie genau das sein. "Do the right thing" folgt den Prinzipien eines "morality play", ein im Mittelalter entstandenes Theater-Genre, in dem der Protagonist (in diesem Falle Mookie) als Jedermann einer Reihe von Figuren begegnet, die Personifikationen von bestimmten Werten, Tugenden oder Sünden sind, und den Menschen auf ihre Seite ziehen wollen, damit er sich in ihrem Sinne verhält.
Nicht anders funktioniert "Do the right thing" mit seinem Sammelsurium an oft eigenwillig benannten Figuren, wie die in ihrem Fenster über die Straße wachende Mother Sister (Ruby Dee), die in ihrer Erhabenheit die älteren afro-amerikanischen Generationen repräsentiert, oder Da Mayor (Ossie Davis), ein alter Alkoholiker, dessen nach Macht und Einfluss klingender Name einen ironischen Gegensatz zu der gescheiterten Existenz darstellt, die er tatsächlich ist. Und nicht zu vergessen natürlich Radio Raheem (Bill Nunn), der mit seinem Bed-Stuy-T-Shirt und seinem gigantischen Ghettoblaster, aus dem unentwegt Public Enemys "Fight the Power" schallt, für die widerborstige junge Generation steht, mit ihrer vom HipHop geprägten, neuen "Black Pride", die aggressiv ihren Platz und ausreichend Respekt einfordert. Kein Wunder, dass Radio Raheem Sal ziemlich schnell zur Weißglut bringt, ist Sal schließlich ein klassischer Patriarch, der für sich das Recht einfordert, die Regeln aufzustellen.
Gegensätze wie dieser ziehen sich durch den ganzen Film, der seine Figuren immer wieder in Zweier-Konstellationen aufeinanderprallen lässt, die oft unvereinbare, gegensätzliche Standpunkte einfangen, wie zum Beispiel Sals ewig streitende Söhne Pino und Vito: der eine ein offener Rassist, der aus seinem Hass gegen die fast komplett schwarze Kundschaft keinen Hehl macht, der andere ein sich unbeholfen in HipHop-Slang übender Möchtegern-"Bruder", der das Zusammenleben von Weiß und Schwarz zu lösen versucht, indem er sich assimiliert.
Ob das nun der richtige Weg zum Miteinander ist, zweifelt der Film allerdings auch an, wie überhaupt er sich jeglicher klaren Aussage dazu enthält, was denn nun eigentlich die richtige Sache ist, die man laut Filmtitel tun soll. Die Dualitäten und Gegensätze finden sich im ganzen Film, der nach seinem gewalttätigen Höhepunkt schließlich mit einer Gegenüberstellung von Zitaten der berühmten schwarzen Bürgerrechts-Anführer Martin Luther King und Malcolm X endet - der eine Gewalt grundsätzlich verurteilend, der andere Gewalt als nötiges Mittel grundsätzlich verteidigend.

"Do the right thing" ist eben auch deshalb so ein kluger, reflektierender Film, weil er sich nicht anmaßt, einen goldenen Lösungsweg für die Rassenproblematik zu kennen, oder überhaupt naiv anzunehmen, dass sich rassistische Ressentiments so einfach überwinden lassen. Das unterstreicht er nachdrücklich in einem seiner von Brechts Epischem Theater inspirierten Momente, mit denen Lee an einigen Stellen in bester Brecht'scher Tradition sein Publikum von der fiktiven Spielhandlung distanziert und zum Reflektieren anregt: Hintereinander geschnitten wütet jeweils ein Vertreter einer ethnischen Gruppe in einer rassistischen Schimpftirade gegen eine andere Gruppe. Der Schwarze schimpft über die Italiener, der Italiener über die Schwarzen, der Latino über die Koreaner, der Ire über die Latinos, der Koreaner über die Juden. Die Aussage ist klar: Letztlich sind alle irgendwie Rassisten, und keine Gruppe kann für sich ausnehmen, den anderen moralisch überlegen zu sein.
So geht Spike Lee auch mit seinen eigenen Leuten nicht zimperlich um, und spart nicht mit Vorwürfen an die eigene, afro-amerikanische Adresse. Sein Äquivalent zum griechischen Theater-Chor, ein Trio von drei versoffenen Herrn, die den ganzen Tag nur tatenlos an der Straßenecke hocken und Witze reißen, nutzt Lee, um die selbstmitleidigen Klagen der schwarzen Gemeinschaft über ihre ewige Opferrolle bloßzustellen. Die drei Typen schimpfen zwar ständig über das koreanische Ehepaar, das den Kiosk an der Ecke betreibt, müssen an einer Stelle aber auch einsehen, dass die beiden frisch eingewanderten Koreaner, die kaum Englisch sprechen, immerhin schon ihr eigenes Geschäft auf diesem eigentlich schwarzen Block haben. Wie einer der Drei meint: "Either them Koreans are goddamn geniuses, or you black ass is just plain dumb." Es ist eben kein Zufall, sondern ein zentrales Statement des Films, dass in seinem Mikrokosmos die einzigen beiden Geschäfte in italienischem und koreanischem Besitz sind, und die Schwarzen hauptsächlich damit beschäftigt sind, dort ihr Geld zu lassen und sich zu beklagen, anstatt sich selbst etwas aufzubauen.

Betrachtungen wie diese werfen natürlich die Frage auf, wie relevant "Do the right thing" heutzutage eigentlich noch ist, oder ob er im Barack Obama-Zeitalter mit seiner Fixierung auf das ewige Rassenproblem nicht inzwischen genauso anachronistisch wirkt wie sein Regisseur, der sich in den letzten Jahren nur noch damit hervorgetan hat, sein altes Thema immer wieder zu einem Politikum erheben zu wollen, das es längst nicht mehr ist. Doch dieser Schein könnte trügen: Mit immer mehr politischem Erfolg formiert sich in den USA in der republikanischen Partei die "Tea Party"-Bewegung, die in ihrem "Back to the roots"-Konservatismus auch einen kaum verhohlenen Rassismus transportiert, dem es gar nicht passt, dass das Land jetzt von einem Schwarzen regiert wird. So könnten die fast schon für erstorben gehaltenen Rassenkonflikte in den USA bald wieder zurückkehren, und ein Barack Obama letztlich vor demselben Dilemma stehen wie Mookie in "Do the right thing": Genau wie Obama, der seine Rassenzugehörigkeit nie zu einem politischen Thema gemacht hat, versucht sich Mookie den ganzen Film über aus dem Schwarz-gegen-Weiß-Ärger herauszuhalten. Aber irgendwann muss man sich eben für eine Seite entscheiden, und Mookie tut das am Ende. Die Frage bleibt trotzdem: Welche Seite ist die richtige? Was ist "the right thing"?


Wirklich ein super Film!Fängt die Zeit um das Ende der 80er sehr gut ein.Ich frage mich nur warum man von Spike Lee in letzter Zeit überhaupt nix mehr hört,schade!

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10
10/10

Definitiv der beste und vorallem der wichtigste Film der 80er Jahre

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