Warrior

Originaltitel
Warrior
Land
Jahr
2011
Laufzeit
135 min
Genre
Bewertung
10
10/10
von Simon Staake / 10. Januar 2012

Ein befreundeter Filmkritiker sagte mal etwas abfällig in einer Diskussion über Video- (Jetzt: DVD-)Premieren: „Was gut ist, schafft es auch ins Kino“, aber diese Idee gilt schon länger nicht mehr. Filme, die schwierig zu vermarkten sind, etwa weil sie in Genres spielen, die in Deutschland nicht recht funktionieren und zudem keine großen Stars haben, solche Filme, wie „Warrior“ einer ist, schaffen es nicht mehr in deutsche Kinos. Zu wenig Kunst (oder Kunstkacke) für das Arthousekino, zu Warriorwenig Starpower und Markenname für das Multiplex. Ein Stigma ist das Wort „DVD-Premiere“ eigentlich nicht mehr, denn selbst hochgelobten Filmen wie „Rabbit Hole“ wollte kein Verleiher zutrauen, dass sie im Kino Zuschauer anlocken. Was an dieser Situation wirklich zum Heulen ist: Offensichtlicher Dreck wie „Shark Night“ bekommt Kinoleinwände ab, Grütze wie „Helden des Polarkreises“ ebenso, und seelenloser Sequel-Mist wie „Underworld: Awakening“ sowieso, weil hier ein bekannter Name in jedem Fall Zuschauer zieht. All das, während einer der besten Filme des letzten Jahres – und in seinem Genre einer der besten überhaupt – lediglich auf DVD und Bluray seine Premiere feiert. Die Filmwelt ist und bleibt ungerecht.

Vielleicht hat dieses Verschmähen von „Warrior“ auch mit seinem Genre zu tun: Es gibt ein paar genuin amerikanische Filmgenres und -stile - den Western, den Film Noir, die Screwball-Komödie. Aber kein (Sub-)Genre ist so klassisch amerikanisch wie das inspirierende Sportdrama, weil man nirgendwo besser den amerikanischen Traum besser einfangen kann als in der Geschichte des Underdogs, der entgegen aller Prognosen seinen Traum erfüllt. Und weil das auch im wirklichen Leben gilt, haben biedere Handwerker wie Sylvester Stallone und John G. Avildsen für „Rocky“ Oscars in Vitrinen zuhause stehen. Ähnliches wird „Warrior“ im Jahr 2012 wohl leider nicht gelingen, auch wenn der Film zu den besten Sportdramen aller Zeiten gehört. Jawohl, meine Damen und Herren, richtig gelesen. Völlig unvermutet kommt Gavin O'Connor daher und zeigt den alljährlich auftauchenden Standardsportdramen à la „Gegen jede Regel“ wie man das macht. Wie man noch Warrioreinen vitalen Film machen kann in einem Genre, das von seinen Stereotypen und Klischees lebt: den Zweiflern, die schließlich überzeugt und enthusiasiert werden; den verführerischen, aber zwielichtigen Managertypen; den Trainingsmontagen zu möglichst mitreißender Musik, der herunterlaufenden Uhr; den entscheidenden Momenten in Zeitlupe.

O'Connor hat mit „Miracle – Das Wunder von Lake Placid“ schon mal geübt für diesen großen Wurf, dort hat er schon mit all diesen Elementen des Genres gearbeitet, durchaus erfolgreich. Aber er hat die Stereotypen des Genres dort lediglich bedient, nicht überboten. Auch „Warrior“ hat seine Reihe an Klischees und wer auch nur einen oder zwei dieser Art von Filmen gesehen hat, der wird in Schlüsselmomenten des Films nicht unbedingt überrascht sein. Aber darum geht es auch nicht: Die Stereotypen transzendieren, darum geht es. Und das schafft „Warrior“ dank einer Intelligenz und einer sicheren inszenatorischen Hand mehr als nur einmal. Natürlich geht es für die meisten Figuren hier um Erlösung und Vergebung, aber O'Connor zeigt in „Warrior“, dass manche Dinge nicht vergeben werden können und vor allem dass eine solche Vergebung nicht in großen Reden oder den richtigen dramatischen Momenten stattfindet, sondern vielleicht nur in einer Szene, in der ein Sohn still den Kopf seines Vaters streichelt.

Auch Ironie ist O'Connor hier nicht fremd. Paddy etwa findet einen Moment der Vergebung von einem seiner Söhne, aber er wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach am nächsten Tag nicht daran erinnern können. O'Connor spielt ebenso mit den zu erwartenden Stereotypen, etwa in der Szene, in der ein Charakter fast das entscheidende Match (oder in diesem Fall: Kampf) verpasst und sich aufmacht, um im entscheidenden Moment Blickkontakt oder ein paar aufmunternde Worte zu geben. Einzig: Hier sieht man diesen Charakter aufbrechen, aber zur großen Vereinigung kommt es nicht, jedenfalls nicht in einer Szene, die wir als Zuschauer zu sehen bekommen. Auch erfreulich: Da, wo selbst ansonsten exzellente Filme wie „Million Dollar Baby“ klischierte Bösewichte einführen, stellt „Warrior“ sich smarter und geschickter an. Weder der Promoter Colt Boyd, der Tommy vertreten will, noch der vermeintlich unbesiegbare Russe Koba (Wrestler Kurt Angle) sind Schurken. Hier wollen alle nur ihren Job machen, so gut wie möglich.

WarriorWas „Warrior“ zudem noch ein Stück über die Qualitätsstandards des Subgenres hinausgehen lässt, sind die Schicksale der Charaktere, die dem Film einen klaren Bezug zum USA der Jetztzeit geben. „Warrior“ ist kein dezidiert politischer Film, aber er lässt die Ereignisse, die das Leben in den USA in der letzten Dekade bestimmt haben – den Irakkrieg und die Wirtschaftskrise – direkt das Leben seiner Figuren bestimmen. Gegen Ende wird es aufgrund dieser Hintergrundgeschichten auch ziemlich dramatisch, um nicht zu sagen melodramatisch, aber das ist ja seit Douglas Sirks Rehabilitierung auch nicht zwangsläufig ein Schimpfwort mehr.

Womit wir dann zu dem Punkt kommen, der wirklich wichtig ist, wichtiger als Klischee oder Nichtklischee: „Warrior“ hat eine unnachahmliche emotionale Kraft, die zum Finale hin selbst den härtesten Mannsbildern eine Träne abringen wird, die diese sich verstohlen aus den Augenwinkeln wischen. Stück um Stück baut er die emotionalen Aspekte seiner Geschichte auf, und dabei hilft ihm die Laufzeit von deutlich über zwei Stunden. Ein Epos! Diese Länge merkt man dem Film übrigens zu keinem Moment an, „Warrior“ ist – wie Martin Scorsese sagen würde – ein schneller Zweieinviertelstundenfilm. So braucht man keine storytechnischen Abkürzungen, hat Zeit für Zwischentöne, verzichtet auf eben jene berühmt-berüchtigten Trainingsmontagen, mit der man anderswo simultan Zeit gewinnen und sportlichen Fortschritt aufzeigen will.

WarriorMan muss übrigens kein Mixed Martial Arts- oder Kampfsportfan sein, um „Warrior“ zu genießen. Ganz im Gegenteil, aufgrund des überzeugenden Drama-Anteils ist dies ein Sportfilm, der auch Leuten gefallen könnte, die es sonst nicht so mit derlei Filmen haben (auch und vor allem einem weiblichen Publikum). Sofern sie denn über die Prügeleien im Käfig hinwegsehen können, die allerdings nicht übermäßig brutal dargestellt sind. Die Besonderheit des Mixed Martial Arts – jeder Stil ist erlaubt – wird brillant zur Charakterisierung der Hauptfiguren benutzt. Tommy scheint nur von Wut und Aggression zu leben, sein Stil ist simpel: Er schlägt schnell und hart zu, und falls das noch nicht reicht, knüppelt er anschließend den Gegner zu einem blutigen Klumpen. Seine verbalen und sozialen Fähigkeiten bewegen sich etwa auf demselben Niveau. Sein Bruder Brendan dagegen, der erwachsenere und intellektuellere der Beiden zeigt seine als Mathe- und Physiklehrer erworbenen Kenntnisse von Hebelkräften, sein Stil basiert auf Aufgabegriffen. Zwei sehr unterschiedliche Brüder, zwei sehr unterschiedliche Charaktere, zwei sehr unterschiedliche Kampfstile.

Dass uns das Drama dieser beiden Brüder mitreißt, hat dann mit den hervorragenden Leistungen der Darsteller zu tun: Der Australier Joel Edgerton arbeitet sich nach seinem internationalen Durchbruch mit „Animal Kingdom“ langsam auf dem amerikanischen Markt vor („The Thing“), in „Warrior“ zeigt er sich erneut als aufstrebender Star. Der Film gehört trotzdem zwei anderen: Nick Nolte als ihr Vater, der Ex-Alkoholiker auf der Suche nach Vergebung von seinen Söhnen, deren Kindheit er zerstörte. Nolte spielt hier die Rolle, die James Coburn in „Der Gejagte“ inne hatte, und während sein Filmvater damals dafür den Oscar bekam, wurde Nolte wie die Kollegen Edward Norton, Tom Hanks und Ian McKellen durch eine der größten Fehlentscheidungen der Oscargeschichte von Roberto Begnini ausgestochen. Es Coburn nachmachen als bester Nebendarsteller wird wohl nichts werden für Nolte, Warriordafür lief der Film – anders als „The Fighter“ 2010 – nicht erfolgreich genug in den US-Kinos. Und auch wenn „Warrior“ jenem Film haushoch überlegen ist, wird er es schwer haben, die Academy zu überzeugen.

Immerhin eines dürfen wir hier prognostizieren: 2012 wird das Jahr des Tom Hardy. Dieser hat sich langsam hochgearbeitet, von Nebenrollen („RocknRolla“) zu wenig gesehenen Hauptrollen wie in Nicolas Winding Refns brutalem „Bronson“ und zeigte sich einem Massenpublikum in „Inception“, in dessen unterkühlter Mechanik der Humor seiner Figur für etwas Wärme sorgte. Im Sommer wird er Batmans härtester Gegner Bane in „The Dark Knight Rises“ und hier zeigt er, warum man ihm diese physische Rolle ohne Probleme geben kann. Hardy hat sich eine beeindruckende Muskelmasse aufgebaut, Schultern und Nacken sind kolossal, weswegen sein aggressiver Schweiger etwas von einem traurigen Notre-Dame-Glöckner hat. Tom Hardy hat vor allem eins, was vielen seiner Kollegen fehlt: Präsenz, und das nicht zu knapp. Von ihm können wir noch Großes erwarten.

Groß ist auch das, was uns dieser Film serviert – im Genre des Sportdramas muss man schon lange suchen, bevor man einen Streifen findet, der diesem ebenbürtig ist. Dass dieser sich nun sein Publikum im Heimkino suchen muss – dafür möchte man selber im Stahlkäfig jemandem auf die Mütze geben. Egal, wo man ihn findet: Ansehen ist hier Pflicht. Sonst hetzt der Rezensent persönlich ein paar MMA-Fighter auf euch!

"Warrior" erscheint am 25. Januar als Verleih-DVD und -Bluray. Einen Monat später, ab 24. Februar, ist er dann auch käuflich zu erwerben.

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Bilder: Copyright

10
10/10

Der Bewertung kann ich voll zustimmen. "The Fighter" hat mir schon sehr gefallen und der Drama-Anteil hatte einige Parallelen, aber Warrior ist doch noch spannender und enger geschnürt, auch weil es anstatt der etwas aufgeblähten Handlung (im Fighter) mehr Kampfszenen gibt, die auch authentischer wirken. Nick Nolte spielt den Abwrack-Dad eh immer souverän und die zwei Brüder fand ich auch überzeugender, vielleicht auch, weil man die Gesichter nicht schon als Superheld über Gotham-City hat hüpfen sehen. Christian Bale kann noch so gut spielen, aber Batman und Junkie nimmt man ihm nicht ab, während Tom Hardy so perfekt eiskalt in die Rolle des Irak-Veteranen schlüpft, dass es keinen kalt lässt.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Film noch ein Oscar-Abräumer wird. Der Film ist doch zu genial, spannend und auch sozialkritisch um nicht geehrt zu werden. Etwa auf dem Level von Slumdog Millionaire, der ja auch verspäteten Ruhm bekam und dann auch plötzlich in deutschen Kinos lief. Der Kapitalismus ist echt am Ende, wenn solche Filme hier nicht im Kino laufen.

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8
8/10

Yepp sehr sehenswert, aber 10 Sterne sollten dann doch den wenigen wirklich einzigartigen Filmen vorbehalten bleiben. Und dazu gehört dieser Film dann doch nicht.

Aber insgesamt hat der Film wenig Längen, und die Darsteller überzeugen.

Gruss

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1
1/10

Einer der voraussehbarsten, amerikanischsten und dramaturgisch schlechtesten Filme, die ich je gesehen habe! Die falsche und aufgeblasene Pathetik ist einfach lächerlich.

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9
9/10

Ich fand den Film toll!
Die Eröffnung mit den großartigen "The National" und der ruhige Aufbau ließen mich sehr einfach in die Geschichte eintauchen. Dass der Film - Spoiler - natürlich die "Du kannst es schaffen-Geschichte" in einer weiteren Variante vermuten lässt, ist nicht zu leugnen. - Spoiler Ende - Allerdings kann man das schon, wenn man das Genre US-Sportdrama liest. Und ohne den Film Titanic gesehen zu haben glaube ich auch, dass dort eine gute Geschichte erzählt wird, obwohl den meisten früh klar ist, die Kiste geht am Ende unter. Das hat mich das bis zum Ende nicht gestört. Es gab für mich nie Zeit für "Wie geht die Geschichte weiter?". Die Art wie sich die Stimmung, Spannung und Emotionen entwickeln und sich mit Laufzeit des Films zu seltener Intensität steigern, haben diese Fragen nicht aufkommen lassen.

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10
10/10

Hat mir sehr gut gefallen.
"The Fighter" fand ich schon recht gut aber dieser ist um einiges spannender und auch die Storry ist besser. Finde, dass man sich diesen Film mehrmals anschauen kann. Könnten ruhig mal mehr MMA-Filme ins Kino kommen.

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10
10/10

zusammen mit million dollar baby & the fighter einer der besten box dramas. aber am besten sind die zwei hauptdarsteller! man mag sie beide und kann jeden verstehen, sehr feine nuancen im spiel machen das möglich. zwei enthusiastisch erhobene daumen für diesen film. auch wenn ich am ende vor rührung ein paar tränchen vergiesen musste. sehr zu empfehlen...

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8
8/10

Das Problem an 10-Augen-Bewertungen ist, dass die Erwartungen an den jeweiligen Film in ungeahnte Höhen schnellen. So war es bei mir wohl auch hier, denn 'Warrior' ist ohne Zweifel ein wirklich sehr gutes und bewegendes Sportdrama, weit über dem Durchschnitt anzusiedeln und mit herausragenden Schauspielerleistungen, allen voran meiner Meinung nach Nick Nolte, der in seiner Nebenrollte als Vater wirklich brilliert. Nichtsdestotrotz kann ich die absolute Höchstwertung nicht ganz nachvollziehen. Ein wirklich perfektes Meisterwerk ist der Film nicht, der hier und da einige Längen aufweist und eigentlich zu früh endet. Es bleiben am Schluss noch ein paar Fragen offen, die nicht geklärt werden und die ich jetzt nicht aufführen möchte, weil ich dann spoilern würde. Wer den Film gesehen hat, weiss, was ich meine ...

Natürlich ist das jetzt Meckern auf sehr hohem Niveau, aber Filme mit Höchstwertungen müssen sich das schon gefallen lassen.

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....für diesen Geheimtipp. Ohne die Rezension wäre dieser fantastische Film mir wohl entgangen! Super Film, super Rezension, super Filmszene! Applaus!

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10
10/10

Ich liebe es, wenn ich von einem Film derart positiv überrascht werde! Hab nach dem anschauen erstmal einige Zeit gebraucht, um die Gänsehaut wieder loszuwerden...
Absolut überzeugende, teilweise überragende Schauspieler (Nick Nolte!), sehr gute Kampfszenen und eine tolle Dramaturgie machen für mich Warrior zu einem der besten Filme seines Genres.
Hat mir insgesamt sogar besser gefallen als The Fighter, obwohl ich den auch sehr gelungen fand.
Warrior sollte man unbedingt gesehen haben, auch wenn man mit dieser Art von Film normalerweise nicht so viel anfangen kann.

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9
9/10

Bin vor kurzem durch Zufall auf diese Filmperle gestoßen. Hatte keine besonderen Erwartungen und war wirklich geflasht von der Dramaturgie dieses Sport-Familendrama-Mashups. Am ehesten vergleichbar mit Werken wie Rocky, Cinderella Man, Million Dollar Baby und natürlich The Fighter.

Was man an dem Film findet, hängt sicher mit den persönlichen Erwartungen zusammen. Daher würde ich nach der 10Punkte-Wertung durch Herrn Staake nich DAS große Meisterwerk erwarten. Seht den Film so, wie er seine Protagonisten sieht: als Underdog, von dem nichts Großes erwartet werden kann, der aber einige wirklich große Momente liefern wird.

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