Sie war Kritik gewöhnt. Während ihrer Regentschaft hagelte es Vorwürfe und Beleidigungen von allen Seiten. Ihre politischen Gegner, die Wähler aber auch die eigenen Partei-Kollegen sparten nicht daran. Doch sie hielt eisern an ihrem Kurs fest. Und warf man ihr vor, mit ihrem Regierungsstil würde sie sich vom Alltag des Volkes entfernen, so bewies die Eiserne Lady ohne zu zögern das Gegenteil, indem sie die aktuellen Milch- und Butterpreise rezitierte.
Dieses Bild von Margaret Thatcher entwirft Phyllida Lloyds Film "Die Eiserne Lady", der seine ganze Aufmerksamkeit nur der darstellerischen Leistung der immer hinreißenden Meryl Streep verdankt. Doch blickt man genauer auf das Werk, dann zeigen sich seltsame Brüche, die den Film in einem sehr ambivalenten Licht erscheinen lassen.
Der Film beginnt mit der alten Margaret Thatcher, die in London allein unterwegs ist und Milch kaufen will. Sie wundert sich über den hohen Preis, geht zurück nach Hause, setzt sich zu ihrem Ehemann Denis (Jim Broadbent) an den Tisch und isst ihr Frühstück. Durch einen weiteren Schnitt wird dem Zuschauer deutlich gemacht, dass sich Lady Thatcher ihren an Krebs gestorbenen Mann nur einbildet. Sie leidet an Demenz und vergisst zunehmend Dinge und Ereignisse. Ihr fällt es schwer Vergangenheit und Gegenwart auseinander zu halten. Und genau hier setzt der Film an und erzählt verschachtelt in Rückblendenschüben vom Aufstieg der jungen Krämerstochter an die Spitze der englischen Politik.
Die dramaturgische Idee von "Die Eiserne Lady" besteht vornehmlich in der Gegenüberstellung von Aufstieg und Fall der einstigen Premierministerin. Wie so viele Biopics ist auch Phyllida Lloyds Film sehr darauf bedacht, die Vergangenheit in ein möglichst akkurates Kostüm zu drücken. Die Ausstattung und Maske erzeugen durchaus Momente historischer Genauigkeit. Doch das Aussehen des Films kollidiert unaufhörlich mit seinem Ton, seinem Gestus, seiner Haltung. Die Figur Thatchers erstrahlt über die gesamte Laufzeit in einem äußerst heroischen Licht. Margaret, die Unbeugsame, die die Männerwelt aufmischt und dabei ihre Familie vernachlässigt. Margaret, die Demenzkranke, die den alten Zeiten nachtrauert. Und schließlich: Margaret, die Machtbesessene, die trotz aller Einwände den Falklandkrieg beginnt.
Gerade letztere Episode aus ihrer Regentschaft nimmt im Film besonders viel Raum ein. Vielleicht, weil hier Lloyd die ersten sachten kritischen Töne anschlägt. Doch auch diese bleiben nur ferne Echos. Es ist sicherlich angenehm, dass „Die Eiserne Lady“ nicht die von vielen befürchtete liberale Abrechnung mit der konservativen Politikerin geworden ist. Doch wenn für Drehbuchautorin Abi Morgan das Gegenteil eines liberalen Angriffs eine unverständliche Heroisierung ist, dann muss man sich schon schwer wundern, wie leichtfertig der Film das hochproblematische politische Erbe der Eisernen Lady ignoriert. Und spätestens mit dem absurden Versuch, Thatcher als eine feministische Vorreiterin zu etablieren, macht der Film seine Heldin zur Heiligen.
Dass dies scheinbar funktioniert und nicht eine Welle von Empörung herruft, liegt (und hier kommt das Paradoxon des Films vollends zum Tragen) an Meryl Streeps Performance. Ihre - nicht nur äußerliche - Verwandlung ist ein beeindruckender Beweis ihrer darstellerischen Fähigkeiten, die sich nun seit drei Jahrzehnten konsequent auf der Leinwand bewundern lassen. Genau diese Leistung macht die Figur Thatchers konsumierbar. Auch wenn die Szenen, die die demenzkranke Thatcher zeigen, fiktiv sind, sind es doch gerade diese Momente, die diese Figur schwach und bemitleidenswert erscheinen lassen. Genau deshalb ist man gewillt über gewisse - vom Film nur angerissene - moralische und politische Verfehlungen hinwegzusehen. Doch gelungene Biopics haben, im Gegensatz zu Phillida Lloyds Werk, immer den Platz für Widersprüche. Nach diesen sucht man hier jedenfalls vergebens.
"Die Eiserne Lady" bleibt deshalb ein hoch schizophrener Film. Denn wenn man Meryl Streeps Leistung gut findet, kann man unmöglich den Ansatz des Films gut finden und umgekehrt. Man hasst und genießt diese Ambivalenz. Doch sollte kein Zweifel darüber bestehen, dass in einem Jahr von diesem Film nur wenig übrig bleiben wird. Eine Randnotiz, deren Gehalt sich in der Information erschöpfen wird, dass für die Rolle der Margaret Thatcher Meryl Streep mit ihrem dritten - sehr verdienten - Oscar ausgezeichnet worden ist.
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