Drei Gesichter

Originaltitel
Se Rokh
Land
Jahr
2018
Laufzeit
100 min
Genre
Regie
Release Date
Bewertung
7
7/10
von Margarete Prowe / 23. Dezember 2018

„Nein, Mama, ich mache keinen Film. Nein, du wärst die erste, der ich davon erzählen würde, ich verspreche es dir!“ So telefoniert der iranische Filmemacher Jafar Panahi in „Drei Gesichter“ im Auto mit seiner Mutter. Dem zu Hausarrest verurteilten Panahi ist es seit 2010 untersagt, in den nächsten 20 Jahren einen Film zu machen. Dies hält ihn aber nicht davon ab, durchgehend zu drehen, wenn auch in einem anderen Rahmen als zuvor: Oft mit dem eigenen Telefon als Kamera und nur mit wenigen Helfern, um diese nicht in Schwierigkeiten zu bringen. In Cannes laufen seine Werke weiterhin: Schon 2011 wurde sein Film „This is not a film“ zum Beispiel auf einem USB-Stick in einem Kuchen vom Iran aus nach Frankreich geschmuggelt und auch „Drei Gesichter“ feierte im Mai 2018 dort seine Uraufführung.

Der wieder mit einer Filmkamera gedrehte „Drei Gesichter“ ist ein sehr intimer Film über drei Schauspielgenerationen: eine junge Schauspielerin noch vor der Schauspielschule, eine berühmte iranische Aktrice und eine, die vor der Revolution sehr bekannt war, aber danach nie wieder Rollen bekam. Die junge Marziyeh (Marziyeh Rezaei) schickt der bekannten Schauspielerin Behnaz Jafari (Behnaz Jafari) ein Handyvideo auf das Telefon von Jafar Panahi. Sie hat versucht Jafari zu erreichen, weil sie an der Schauspielschule angenommen wurde, aber ihre Eltern im Bergdorf sie stattdessen verheiraten wollen. Marziyeh weiß sich keinen Ausweg mehr, sagt sie. Dann nimmt sich das Mädchen einen Strick und erhängt sich an einem Ast. Behnaz Jafari verlässt schockiert sofort ihr derzeitiges Filmset und macht sich mit Panahi im SUV auf den Weg, der Geschichte auf den Grund zu gehen. Sah der Ast, an dem der Strick hing, nicht zu dünn aus, um sich damit zu erhängen? Wurde das Video vielleicht geschnitten? Jafari sagt zu Panahi: „Wenn ich rausfinde, dass dies ein Schwindel ist, dann knöpfe ich mir das Mädchen vor – und dich auch! Ich habe vor einer Weile gehört, du würdest an einem Drehbuch über Selbstmord schreiben.“

Es sind solche Sätze, die das Publikum in diesem Film immer wieder auf die Meta-Ebene verweisen, so wie auch später im Film darüber gesprochen wird, dass Panahi nicht ins Ausland reisen darf, was auch real der Fall ist. Schon seit Jahren verquickt er Fiktion und Dokumentation auf individuelle und wiedererkennbare Weise, was seinen Werken eine weitere Bedeutungsebene gibt. Das Leben im Dorf, aus dem Marziyeh stammt, ist vom Glauben an die männliche Dominanz geprägt. Dort lebt auch eine alte Schauspielerin von vor der Revolution, mit der die Mädchen aber keinen Umgang haben dürfen, aus Angst der Männer, sie könne diese verderben. Ein Mann prahlt mit der Besamungsfähigkeit seines Zuchtbullen und will Panahi sogar ein Rinderhoden-Sandwich verkaufen für mehr Manneskraft. Der Aufenthaltsort der entfernten Vorhaut eines Sohnes ist von schicksalshafter Bedeutung und Frauen brauchen keine Berufe, sondern Ehemänner. Panahis eigene Probleme scheinen zu verblassen gegenüber den Schwierigkeiten, denen sich die Frauen hier ausgesetzt sehen. Doch die Frauen lassen sich so leicht nicht unterkriegen. „Drei Gesichter“ zeigt berührend den Widerstand gegen diese Welt im Kleinen wie auch im Großen, mal still, mal laut.

Jafar Panahi darf den Iran weiterhin nicht verlassen und so nahm 2018 seine Tochter den Preis für das Beste Drehbuch auf den Filmfestspielen in Cannes an ihres Vaters statt entgegen. Wieder ist ihm ein Streich gelungen und es ist anzunehmen, dass seine Mutter sich auch weiterhin Sorgen machen muss, dass Jafar ungerührt weiterhin Filme macht.

Bilder: Copyright

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