Eine Affäre in Paris

Originaltitel
Le Divorce
Jahr
2003
Laufzeit
117 min
Regie
Release Date
Bewertung
4
4/10
von Frank-Michael Helmke / 5. Januar 2011

Merchant/Ivory, dieses Label ist mit einem ganz bestimmten Genre verwoben, denn die langjährige und erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Produzent Ismail Merchant und Regisseur James Ivory manifestierte sich fast ausschließlich in historischen Kostümdramen. Die Berühmtesten sind dabei wohl "Zimmer mit Aussicht", "Wiedersehen in Howard's End" und "Was vom Tage übrig blieb", die jeweils mit Filmpreisen und Oscar-Nominierungen überhäuft wurden. Ein konstant auf hohem Niveau arbeitendes Duo, so dass man sich eigentlich auf ein hübsches Stück Kino freuen kann, wenn Merchant/Ivory mit ihrer Stamm-Autorin Ruth Prawer Jhabvala wieder mal ein Filmchen ausgebrütet haben. Doch weit gefehlt, denn "Eine Affäre in Paris" mangelt es allem, was frühere Merchant/Ivory-Filme ausgezeichnet hat, und die historischen Kostüme sind da nur der Anfang, denn der Film spielt im Hier und Heute.

Die Amerikanerin Isabel Walker (Kate Hudson) kommt nach Paris, um ihre schwangere Schwester Roxy (Naomi Watts) zu besuchen, und tauscht bei ihrer Ankunft gleich das Taxi mit deren Ehemann Charles-Henri, der seine Frau nämlich just in diesem Moment ohne nähere Erläuterung sitzen lässt. Statt Schwangerschaftsfreuden steht nun Scheidungsstress an, der nicht gerade erleichtert wird durch das undurchschaubare Treiben von Charles' wohlhabender französischer Verwandtschaft, die es bei der anstehenden Güterteilung auf ein wertvolles Gemälde im Besitz von Roxy abgesehen zu haben scheint. Auch nicht weniger Komplikationen verursacht Isabels knospende Affäre mit Edgar Cosset, Charles' Onkel und einflussreicher Politiker reiferen Alters.

Für wen die Handlung bis jetzt noch nicht interessant klingt, der hat den Nagel bereits auf den Kopf getroffen, denn sie ist es auch nicht. Abgesehen von einigen weiteren markanten Schwachstellen scheitert "Eine Affäre in Paris" bereits auf diesem grundsätzlichen Level: Die Geschichte ist schlichtweg trivial, oberflächlich und langweilig, und warum sich die Zuschauer für die (völlig wertfrei dargestellten) familiären Klüngeleien und Liebschaften versnobter Amerikaner und Franzosen interessieren sollten, bleibt wohl das Geheimnis von Merchant/Ivory.
Ein Erklärungsversuch: Die früheren und herausragenden Werke des angesprochenen Duos zogen ihr dramatisches Potential zu erheblichen Teilen stets aus ihrem historischen Setting. So sind die Liebeleien der Oberschicht im viktorianischen England zum Beispiel weitaus packender und folgereicher, da man es hier zeitgleich mit einer streng gegliederten Gesellschaftsordnung zu tun hat, die strikte Verhaltensregeln besitzt und so einen Kodex entwickelt, der als unsichtbare Macht über allem schwebt und jeder Handlung wesentlich mehr Relevanz und Bedeutung zukommen lässt, als diese heutzutage haben würde. Dieser Kontext nun fehlt der "Affäre in Paris" völlig, und so kann zum Beispiel die Beziehung zwischen Isabel und Edgar überhaupt nicht schocken, da sie zudem auch noch von allen Familienmitgliedern auf beiden Seiten als kein ernsthaftes Problem angesehen wird (selbst Edgars Ehefrau hat kaum mehr Kommentare als ein wissendes, souveränes Lächeln übrig). 
Was hier geplant war, ist ein nettes Portrait der französischen Lebenskunst, alles zu genießen und nichts zu ernst zu nehmen. Ergo soll die Handlung dann auch in verspielter Leichtigkeit dahintanzen, stattdessen aber schleppt sie sich nur schwerfällig durch die Gegend. Dass man sich hier an einer romantischen Komödie versucht, scheint offensichtlich, funktionieren tut das indes nicht: Wenn in so einer Story mal ganz nebenbei ein Suizidversuch und ein Doppelmord aus Leidenschaft eingestreut werden, geht die ungezwungene Leichtigkeit ganz schnell flöten.

So kann man sich wieder mal nur kopfschüttelnd fragen, wie bei soviel gebündeltem Talent soviel schief gehen konnte. Da laufen in kleineren oder größeren Rollen Leute wie Glenn Close, Stockard Channing, Matthew Modine, Bebe Neuwirth oder Stephen Fry herum, und wofür nützt es? Allenfalls für eine kleine Ablenkung von der lahmen Story, denn einem gut agierenden Ensemble guckt man immer noch gerne zu. Aber selbst das hält nicht lange vor, wenn man mit einer Geschichte konfrontiert wird, die einen völlig unberührt und mit einem desinteressierten "Wen kümmert's?" auf den Lippen zurücklässt.
So ist es denn auch bezeichnend, dass bei der Pressevorführung das Highlight auch nur am Rande mit dem Film zu tun hatte: Die Firma Mirée veranstaltet zu "Eine Affäre in Paris" ein Gewinnspiel, bei dem man eine Reise nach Cannes gewinnen kann, und versorgte anlässlich dieser Promo-Aktion die anwesenden Journalisten mit jeder Menge Frischkäse gratis. Das wiederum passte dann zum Film: Ein großer Haufen Käse.

 

Bilder: Copyright

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