Elbe

Originaltitel
Elbe
Jahr
2006
Laufzeit
86 min
Genre
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Patrick Wellinski / 8. März 2011

 

Oberflächlich betrachtet ist "Elbe" ein reines, wenn auch sehr reduziert inszeniertes Buddy-Movie. Kowsky (Henning Peeker) und Gero (Thomas Jahn) sind gute Freunde. Ganze 23 Jahre arbeiten sie schon zusammen. Ihr Job: Mit einem Frachtkahn fahren sie die Elbe rauf und runter und transportieren so ihre Ware. Auch wenn die Elbe nicht gerade der Nil ist, sind die beiden doch irgendwie in ihrer eigenen Welt, wenn sie auf dem Schiff arbeiten, und vergessen den Alltag um sich herum. Doch dieser holt sie schneller ein als ihnen lieb ist. Beide werden entlassen und sind von nun an arbeitslos. Losgerissen aus dem Arbeitsverhältnis zeigt sich schnell, wie unterschiedlich die beiden Männer eigentlich sind. Während sich Gero langsam mit der Situation abfindet und anfängt, sich eine neue Existenz aufzubauen, zwingt Kowsky beide Männer nochmal zugunsten eines lukrativen Jobs auf eine Schiffsreise nach Hamburg.

Die ersten Einstellungen geben unmissverständlich zu erkennen, dass der Rhythmusgeber dieses langsam erdigen Films die Elbe selbst ist. Sie wird mächtig in Szene gesetzt. Beide, Gero und auch Kowsky, können sich mit ihr identifizieren. Sie haben ihren Lebensrhythmus nach ihr gestellt und haben auch gelernt ihr zu vertrauen. Beeindruckend wird "Elbe" deshalb immer wieder dann, wenn Regisseur Mittelstaedt vom Kahn aus die Landschaft zeigt. In leichten Schwenks wird die Größe und die ganze Pracht der Natur spürbar. Eine Natur, die sich natürlich immer unbeeindruckt vom Schicksal des Einzelnen zeigen wird.
So wie sich die Landschaften auf der Reise von Dresden nach Hamburg verändern, so langsam fließend verändern sich auch die beiden Protagonisten. Kowsky setzt immer wieder alles auf eine Karte. Schlägt sich mit kleinen oder auch größeren Betrügereien durchs Leben. Und zu Hause? Dort ist seine Frau mit den drei Kindern, die ihren Vater und Ehemann mit verächtlichen Blicken abstrafen. Eine Beziehung zu ihm haben sie lange nicht mehr. Als er dann noch arbeitslos wird, ist er für seine eigene Familie der totale Versager. So hat Kowsky nichts zu verlieren und fängt an, in viele Abgründe zu springen. Dass er dabei Gero immer mitzieht, sieht dieser mit der Zeit immer weniger gelassen. Und so müssen wohl beide begreifen, dass das einzige, was ihre Freundschaft am Leben gehalten hat, der gemeinsame Job und die Liebe zur Elbe war.

Es ist erstaunlich, wie souverän die beiden Hauptdarsteller Henning Peker und Thomas Jahn die beiden Loser verkörpern, und auch die oft zu Unrecht übergangene Steffi Kühnert (sie war unter anderem in Andreas Dresens "Halbe Treppe" zu sehen) gibt ihrer Figur die gewohnte Zärtlichkeit. Doch im Mittelpunkt stehen die beiden heruntergekommenen Gestalten, die ihre Freude am Leben nicht mehr zeigen können oder auch wollen.
Nur selten blitzt noch ein Funke von Hoffnung auf. Bei Gero ist es immer wieder dann der Fall, wenn er über seinen großen Traum spricht. Er möchte nach Australien und deshalb bekommt er immer ganz traurige Augen, wenn er das kleine Poster vom Ayers Rock im Kahn betrachtet. Denn so richtig daran glauben möchte er wohl auch nicht. Gero hat eine Tochter. Darüber redet er aber nicht viel. Er hat sie nur einmal gesehen. Das war vor 17 Jahren. Doch als er erfährt, dass auch ihr größter Wunsch eine Reise nach Australien ist, bildet er sich ein, die Bindung zu ihr doch nicht völlig verloren zu haben. Die ferne Reise als Metapher für die Unerreichbarkeit eines Traums.
Mittelstaedt entwirft die beiden Männer als ewig scheiternde Gestalten. Wo der eine die Familie als sozialen Rückhalt verliert, versucht der andere seine gescheiterten Träume durch sein Kind zu verwirklichen. Dabei ist der Film niemals wertend gegenüber seinen Figuren. Das ist seine große Stärke. Und selbst die sozialkritischen Untertöne, die deswegen auftauchen, da die beiden Ostdeutschen im Westen ihr Glück suchen, können überzeugen.

Trotzdem ist "Elbe" leider kein wirklich guter Film geworden. Er verschenkt seine viel versprechende Konstellation für ein auf Biegen und Brechen überdramatisiertes Finale. Doch bis es soweit kommt, lässt sich der Film sehr viel Zeit. Er setzt auf die Langsamkeit der Erzählung. Doch dadurch hat man es als Zuschauer nicht so leicht in die Geschichte einzusteigen. Die Beiläufigkeit, die sicherlich die Authentizität des Films unterstreichen soll, wirkt langatmig und aufgesetzt. So verläuft sich der Konflikt der Freunde ein wenig zwischen den verrußten und unscharfen Bildern der Umgebung, der über viel Potential verfügende Stoff kann sich nicht entwickeln und lässt einen etwas ratlos zurück.


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