Keep Surfing

Jahr
2010
Laufzeit
91 min
Release Date
Bewertung
8
8/10
von Frank-Michael Helmke / 25. Mai 2010

 

 Man muss nicht am Meer leben, um zu surfen. Das beweist seit vielen Jahren die Münchener Fluss-Surfer-Szene, die sich am Eisbach (einem innerstädtischen Seitenkanal der Isar) trifft und dort auf einer statischen Welle reitet. Und man muss auch nicht aus den USA oder Australien kommen, um eine arschcoole Surf-Doku zu machen. Das beweist Björn Richie Lob mit "Keep Surfing", einem exzellent gefilmten und herausragend montierten Denkmal für besagte Münchener Fluss-Surfer und ihren Lebensstil.
Die Entstehungsgeschichte war dabei eine sehr lange: Der Entschluss, einen Film über die Fluss-Surfer machen zu wollen, entstand schon vor gut zehn Jahren, und das wird im Film auch sehr deutlich: Er umfasst Aufnahmen, die bis 2002 zurückreichen, und liefert damit u.a. unfassbare Bilder, wie die Protagonisten des Films sich mit ihren Brettern in die reißenden Fluten eines Isar-Hochwassers stürzen, um diese einmalige Gelegenheit besonders hoher Flusswellen zu nutzen. Das ruft dann auch dieselbe Reaktion hervor, die man beim Betrachten von Riesenwellen-Surfern im Ozean hat: Man zweifelt ein wenig an der geistigen Gesundheit dieser Jungs angesichts solch lebensmüder Aktionen, und ist zugleich tief beeindruckt von ihrem lockeren Mut und der unbändigen Selbstsicherheit, mit der sie sich in Wassermassen werfen, die sie jede Sekunde auf Nimmerwiedersehen verschlingen könnten.
Dass diese Gefahr nicht nur bei Hochwasser gilt, veranschaulichen die Erzählungen der Surfer, von denen jeder eine Geschichte auf Lager hat, bei der er nur knapp dem Tod entronnen ist. Die besondere Faszination des Surfens, seine inhärente Coolness aber auch die ständig präsente Gefährlichkeit, gilt auf dem Fluss eben genauso wie im offenen Meer.
Was natürlich keinen der passionierten Protagonisten davon abhält, immer und immer wieder aufs Brett zu steigen. Dass Surfen und die Hingabe an diesen Sport mehr als nur ein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung ist, auch das weiß "Keep Surfing" sehr nachdrücklich einzufangen. Da ist für jeden der eigene Beruf nur ein Mittel zum Zweck, eine zeitraubende Beschäftigung, die das nötige Geld einbringt, um sich die Zeit auf der Welle leisten zu können, die tagtägliche Rückkehr zu diesem besonderen, unvergleichlichen Gefühl der Freiheit.
Auf den ersten Blick erscheint Fluss-Surfen beim Zuschauen irgendwie paradox. Ihm fehlt die rauschhafte Geschwindigkeit des Wellenreitens im Ozean, da man sich auf einer statischen Welle eben überhaupt nicht von der Stelle bewegt. Im Gegensatz zum Ozean-Surfen, wo spätestens der Strand das Ende der Welle und damit auch des Ritts bedeutet, kann man auf einer Fluss-Welle aber eben solange surfen, wie man auf dem Brett stehen bleiben kann. Resultat ist eine beizeiten geradezu meditative Stimmung, ein Einswerden zwischen Surfer und Welle in völliger Entspanntheit, ein Gefühl, für das es wohl kaum etwas Vergleichbares gibt.

Das alles weiß Lobs Film großartig einzufangen und zu transportieren, dank dem ausdauernden und geduldigen Sammeln von Filmaufnahmen über Jahre hinweg, dank famoser Kameraarbeit vor allem am Eisbach in München (wobei der Film mit seinen Protagonisten auch diverse andere Mekkas des Fluss-Surfens rund um die Welt bereist), und dank dem vertrauten Verhältnis, dass der Regisseur in der langen Entstehungszeit des Films zu seinen ziemlich verschlossenen Protagonisten entwickelt hat. Die zählen eben zur kleinen Gruppe der absoluten Enthusiasten, nicht zu den Posern und Gelegenheitssurfern, die den Sport nur wegen seiner Coolness betreiben - für solche Leute haben die "wahren" Surfer nicht viel übrig, und bleiben deswegen auch am liebsten unter sich, wenn nicht sogar ganz mit sich (und der Welle) allein. Dass Lob sich die Zeit genommen hat, zu diesen Einzelgängern durchzudringen, ermöglicht es seinem Film nicht nur, wirklich ihre ganz besondere Lebensphilosophie einzufangen, sondern auch die quasi historischen Ursprünge der Münchener Fluss-Surfer zu zeigen - da der Fluss-Veteran und hauptberufliche Kameramann Dieter Deventer schon vor 30 Jahren die ersten Surf-Versuche auf der Eisbach-Welle dokumentiert hat und Lob diese Aufnahmen dann schließlich zur Verfügung stellte, als der mit seinem Film schon fast fertig war.

Die erstaunlichste Leistung an "Keep Surfing" ist aber wohl seine Montage. Wie hier am Schneidetisch eine Symbiose aus spektakulären Bildern und stimmungsvollem Soundtrack entstand und dem Film ein ganz eigener Rhythmus gegeben wurde, das ist stellenweise richtig großes Kino und echter Rock'n'Roll, ein sanft berauschendes Fest für Augen und Ohren, dass den Vergleich mit herausragenden Surf-Dokumentationen wie Stacy Peraltas "Riding Giants" nicht zu scheuen braucht. Darum hat sich auch Benjamin Quabeck (Regisseur von "Nichts bereuen" und "Verschwende deine Jugend") eine besondere Erwähnung verdient, der hier für den Schnitt verantwortlich zeichnet und für die Faszination und den enormen Unterhaltungswert von "Keep Surfing" einen kaum messbaren Beitrag geleistet hat.
So gelingt "Keep Surfing" auf ganzer Linie, was er angestrebt hat: Ein ebenso mitreißendes wie informatives, lebendiges als auch leise sentimentales Portrait der Münchener Fluss-Surfer zu erzeugen, dessen Sog sich auch eine überzeugte Landratte nicht entziehen kann.

Bilder: Copyright

10
10/10

Der Beste Surffilm überhaupt bisher! Endlich wird auch mal eine Geschichte erzählt und man erfährt was persönliches über die Surfer. Die Cinematographie ist der Hammer, die Musik ein Gedicht und der Schnitt ist phänomenal. Well Done!!!

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