Mahler auf der Couch

Jahr
2010
Laufzeit
101 min
Genre
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Frank-Michael Helmke / 6. Juni 2010

 

 Anlässlich des 150. Geburtstags von Gustav Mahler - dem bedeutendsten Komponisten des frühen, wenn nicht des gesamten 20. Jahrhunderts - einen Film zu machen, ist grundsätzlich keine schlechte Idee. Als Rahmen für diesen Film die Begegnung zwischen Mahler und Sigmund Freud zu wählen, zwei der eigenwilligsten Gestalten ihrer Epoche, ist sicher auch keine schlechte Idee. Was Percy Adlon (der 1987 mit "Out of Rosenheim" einen internationalen Hit landete, seitdem aber nichts mehr von größerem Belang zustande gebracht hat) und sein Sohn Felix als Regie- und Drehbuch-Duo allerdings aus dieser Idee gemacht haben, ist ein ziemlich vermurkstes Stück selbstverliebter Autorenfilmer-Quark, der sich unnötig sperrig geriert, um künstlerische Tiefe vorzutäuschen, dabei jedoch ein vernünftiges Konzept oder eine klare Linie vermissen lässt.

Es ist verbürgt, dass sich Mahler (Johannes Silberschneider) und Freud (Karl Markovics, "Die Fälscher") im Jahr 1910 für einen Tag und eine Nacht im holländischen Städtchen Leiden getroffen haben und der Komponist die Hilfe des Erfinders der Psychoanalyse in Anspruch genommen hat, um seine persönlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es in den Gesprächen der beiden vor allem um Mahlers junge, schöne und lebenshungrige Frau Alma (Barbara Romaner) ging, da Mahler kurz zuvor erfahren musste, dass Alma eine Affäre mit Walter Gropius (dem späteren Begründer des Bauhaus und weltberühmten Architekten) hatte, pikanterweise durch einen an Alma gerichteten, aber an Mahler adressierten Liebesbrief. Auf dieses Thema und die Entwicklung der Beziehung von Mahler und seiner Alma fokussiert sich auch dieser Film, wird seinem Subjekt damit aber leider überhaupt nicht gerecht.
Nichts mag hier so recht zusammenpassen: Am Anfang spielt der Film noch (wenn auch recht unbeholfen) mit der Komik, die sich aus dem Zusammentreffen zweier sehr eigenwilliger Charaktere in einer Psychoanalyse-Situation quasi wie von selbst ergibt und die auch im Titel des Films anklingt. Nach gut einem Drittel verschwindet diese sanfte Ironie jedoch komplett, wenn der Film seine Erzählebene fast durchgehend verlässt und sich in ausführlichen Flashbacks nur noch der Geschichte von Mahler und Alma widmet.
Der inneren Logik des Films folgend, müssten diese Flashbacks quasi dem entsprechen, was Mahler Freud über sein Leben und seine Beziehung erzählt, und somit an Mahlers Perspektive gebunden sein. Tatsächlich zeigen Adlon und Sohn zahlreiche Situationen, in denen Mahler nicht anwesend ist und von denen er auch nichts wissen konnte, und durchbrechen permanent ihre Spielhandlung mit kurzen Statements von Familienmitgliedern und Zeitgenossen, die aussehen wie quasi-dokumentarische Interview-Passagen, direkt in die Kamera gesprochen - ein prätentiöses Inszenierungs-Mätzchen, das den Erzählkosmos des Films zerschießt und bei all seiner pseudo-künstlerischen Darbietung nicht kaschieren kann, dass es eine billige Krücke der beiden Filmemacher ist, um weitere Fakten einzustreuen, für deren Etablierung ihnen offenbar kein besserer Weg eingefallen ist.
"Mahler auf der Couch" nervt mit allerlei weiteren Stilmitteln, die fast durchgängig fehlt am Platze sind. Jump Cuts und andere visuelle Brüche ziehen ständig die Aufmerksamkeit auf die Inszeniertheit des Geschehens, das sich in der nächsten Minute dann aber wieder fast dokumentarisch gibt. Besonders irritierend sind die Außenaufnahmen in Leiden, während Mahler und Freud spazieren gehen. Die Straßen sind hier vollkommen menschenleer - vermutlich, weil man das Budget für authentisch gekleidete Komparsen einsparen wollte - gleichzeitig erscheint der Himmel als ein einziges, überbelichtetes Weiß, so dass diesen Szenen eine irreale, traumartige Atmosphäre anhaftet, die bei dieser Präsentation einer faktisch belegten Begegnung schlicht nichts zu suchen hat.

So wabert durch den gesamten Film eine selbstverliebte, überkandidelte Autorenfilmer-Attitüde, eine Weigerung aus Prinzip, Dinge einfach "normal" zu inszenieren, die seit den frühen 80er Jahren völlig überholt ist und schon damals nervte. Dabei haben Adlon und Sohn auch nicht wirklich bemerkt, dass sie ihr eigentliches Hauptsubjekt - Gustav Mahler - immer mehr aus den Augen verlieren und viel mehr einen Film über Alma gemacht haben, offenbar vollkommen eingenommen von dieser Person. Mit Inbrunst und stellenweise fast manischer Intensität wirft sich Barbara Romaner in diese Rolle, windet sich in jugendlicher, unerfüllter Wollust und wird inszeniert als eine Frau von geradezu explosiver Sexualität, für die die Ehe mit Mahler zu einem Gefängnis für ihre Leidenschaft wurde. Man wird indes das Gefühl nicht los, dass Vater und Sohn Adlon dieser Frau ebenso verfallen sind wie ihre tatsächlichen männlichen Bekannten jener Zeit, und darum eine selbstgerechte Egomanin hier zur tragischen Heldin erheben. Zur Sympathiefigur wird Alma für den Zuschauer trotzdem nicht.

So reduziert "Mahler auf der Couch" die wendungs- und konfliktreiche Biografie von Gustav Mahler auf die Geschichte seiner Ehe und wird dem komplexen und facettenreichen Charakter des Komponisten damit in keiner Weise gerecht. Vollkommen fragmentarisch, sperrig und unstet in seiner Erzählung, erweist der Film seinem Subjekt damit einen echten Bärendienst: Wer vorher nicht viel über Mahler wusste, wird hiervon ganz sicher nicht ermutigt, das zu ändern.

Bilder: Copyright

1
1/10

Ich will die 101 Minuten meiner Lebenszeit zurück .....
Leider war ich aufgrund einer positiven Rezension in der Sonntags-FAZ in diesen Film gegangen.
Die Rezension hier trifft es sehr gut und besser als ich es auszudrücken vermöchte -- alleine schon deswegen, weil dieses aus Zwangsabgaben hochsubventionierte Elaborat mich zu Kraftausdrücken provozierte, die beinahe so peinlich wären wie dieser Film selbst.

Permalink

7
7/10

Diese Kritik finde ich doch etwas hart. Den roten Faden habe ich im Film keinesfalls vermisst. Schließlich zeigt er (die Parodie) eine(r) Psychoanalyse in Kurzform , an deren Ende die Erkenntnis Mahlers steht, dass weniger sein Alter als der "Missbrauch" seiner Frau als Muse zu deren Untreue geführt hat, was er erfolgreich verdrängt hatte. Der Film hat für mich auch eine sehr feministische Seite - so unsympathisch Alma auf mich wirkt.
Gestört hat mich allerdings der zwanghafte Wunsch der Regisseure, komisch zu sein - vom übertriebenen Minenspiel der Personen, die über Mahler berichteten, bis hin zu billigen, Slapstick-artigen Szenen (besonders bei der Begegnung Mahlers mit Freud). Tragik und Komik verbinden sich in diesem Film nicht auf organische Weise, sie stehen störend nebeneinander.
Der Film enthält viele schöne Einstellungen. Die traumhafte Atmosphäre Leidens ist mit Sicherheit nicht auf Sparmaßnahmen zurückzuführen! Auf mich hatten die Bilder dieser so dargestellten Stadt eine eindrucksvolle Wirkung. Durch die Nähe der Psychoanalyse zum Traum wirkt das Traumhafte der Stadt, in der sich Mahler und Freund begegnen, nicht unpassend.
Im Gegensatz zu der Vermutung des Autors der Kritik hat mich der Film sehr wohl neugierig auf Mahler bzw. eher die Mahlers gemacht - tatsächlich ist Alma mindestens so sehr Hauptfigur des Films wie Mahler selbst.

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