Maman Und Ich

Originaltitel
Les Garçons et Guillaume, A Table!
Land
Jahr
2013
Laufzeit
85 min
Release Date
Bewertung
6
6/10
von Simon Staake / 1. Juni 2014

Guillaume Galienne ist so etwas wie der heimliche Shooting Star des französischen Kinos. Hierzulande wird einem der Name nichts sagen, aber auch in der galligen, Pardon, gallischen Heimat war Guillaume bis zum letzten Jahr einem größeren Publikum nahezu komplett unbekannt, obwohl er seit mittlerweile fast zwanzig Jahren in verschiedenen französischen Film-, Fernseh- und Theaterproduktionen spielt und der prestigiösen Comedie Française angehört. Tja, und dann kam sein Regiedebüt „Les Garçons et Guillaume, A Table!“, wie der Film im Original viel schöner (und lustiger) heißt: Über 2,8 Millionen Zuschauer, dann 10 Nominierungen für den César, von denen Guillaume dann auch die Hälfte einsackte, darunter den Toppreis für den besten französischen Film des Jahres. Und all das mit einem zutiefst eigenwilligen und persönlichen Film, denn „Maman und Ich“ ist – adaptiert von seinem eigenen erfolgreichen Bühnenstück – die autobiographische Aufarbeitung der (sexuellen) Identitätsfindung des jungen Guillaume Galienne.
 

„Die Jungs und Guillaume, zu Tisch!“ klingt es durch das Haus der Galienne-Familie, und bald wird klar, warum Guillaume nicht in der Liste der Jungs auftaucht: Seine Mutter, nur Maman genannt (ebenfalls von Guillaume Galienne gespielt) hat den jüngsten Sohn schlicht als Mädchen erzogen, das sie sich so sehr gewünscht hat. Und so findet Guillaume auch nichts daran, sich als Sissi zu verkleiden, sehr zum Unwillen seines Vaters (André Marcon), oder aber sich in Jungs in seiner Klasse zu vergucken. Während aber alle Guillaume für schwul halten, dämmert diesem nach diversen Identitätskrisen: Wenn er wirklich kein Mädchen ist, wie ihn seine Maman gelehrt hat, dann interessiert er sich vielleicht auch gar nicht für Jungs...


Fangen wir mal mit dem an, was dieser Film nicht ist: Eine Schenkelklopferkomödie über einen weibischen jungen Mann, der aller Welt beweisen muss, dass er heterosexuell statt homosexuell ist. Denn so oder ähnlich wurde „Maman und Ich“ in Frankreich teilweise beworben. Was dieser Film ist: eine bittersüße Aneinanderreihung von Anekdoten, die die gesellschaftlichen und sexuellen Irrungen und Wirrungen des jungen Guillaume Gallienne zeigen und dabei oft zum Schmunzeln einladen, aber eben auch zum Nachdenken. Und die auch ihren Teil an Traurigkeit beinhalten. Eindeutig ist Galiennes Film an seine Bühnenshow angelehnt, daher springt der Film auch immer wieder zu einem Galienne in Bühnenschminke, der die dann folgende Anekdote einleitet.

Dieser Film basiert nicht nur auf einer One-Man-Show, er wird auch selbst zu einer. Guillaumes Entscheidung, sowohl sein jüngeres Selbst als auch seine Mutter zu spielen, ist dabei durchaus eine Gute, denn seine Mimik ist an sich oftmals schon ein Schmunzeln wert und als seine kettenrauchende Mutter, die in seinen Erinnerungen immer wieder auftaucht, weiß er zu überzeugen. Außerdem macht er so seine These über unsichere Geschlechteridentitäten zum festen Bestandteil des Films und spielt das Ganze zudem ernst und ohne Camp-Attitüde, so dass wir hier nicht in „Mrs. Doubtfire“-Gefilde driften.

Aber anderweitig greift Galienne desöfteren zu recht derben Klischees. Es ist sowohl typisch als auch ein wenig traurig, dass die vom Publikum am Enthusiastischsten empfangene Sequenz auch die mit der brachialsten Komik ist: Wenn Guillaume eine Kur in Deutschland antritt, wo ihn dann der ruppige Masseur Raymund (Götz Otto) so richtig schön durchknetet, bevor ihm die aparte Ingeborg (Diane Kruger) eine schöne Analspülung verpasst. Auch ohne Fäkalhumor sind wir dann irgendwie doch beim „Tante Trude aus Buxtehude“-Humor angelangt.

Sexuelle Identitäten und ihre Zuschreibungen sind ein schwieriges Thema, was das Umschiffen von Klischees betrifft, und auch hier ist Galienne nicht immer hundertprozent erfolgreich. Tanzstunde, bei der nicht Guillaume führt, sondern geführt wird und immer zuletzt gewählt im Schulsport – alles nett anzusehen, aber nichts wahnsinnig Bahnbrechendes zumThema.

Und so bleibt „Maman und Ich“ eine interessante und sympathische, aber nicht gänzlich erfolgreiche Mischung aus Erinnerung, Egozentrik und Episodenhaftigkeit. Auch letztere ist dafür verantwortlich, dass „Maman und Ich“ sich nicht ganz rund anfühlt, gerade in der letzten halben Stunde wurstelt sich der Film seinem Ende entgegen, trotz nicht einmal anderthalb Stunden Laufzeit. Eine sympathische persönliche Visitenkarte hat Guillaume Galienne hiermit zwar abgeliefert und für einen unterhaltsamen Kinoabend ist durchaus gesorgt, aber mit seinem Nachfolger wird er beweisen müssen, dass er mehr kann als seine eigenwillige Bühnenshow adäquat umzusetzen.

Bilder: Copyright

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Aufgabe prüft, ob du menschlich bist um Bots zu verhindern.