Naokos Lächeln

Originaltitel
Noruwei no Mori
Land
Jahr
2010
Laufzeit
133 min
Genre
Release Date
Bewertung
3
3/10
von Matthias Kastl / 9. Juli 2011

Mit "Naokos Lächeln" wagt sich der vietnamesische Regisseur und Drehbuchautor Tran Anh Hùng an die Verfilmung eines japanischen Bestsellers - und scheitert. Zugegeben, optisch ist sein Film über weite Strecken ein richtiger Leckerbissen geworden. Aber mit der Tiefgründigkeit, welche die poetischen Bilder suggerieren, kann die Handlung nicht einmal im Ansatz Schritt halten. Die viel zu oberflächlich präsentierten Figuren erlauben kaum Identifikationsmöglichkeiten und sich ständig wiederholende Konflikte machen "Naokos Lächeln" vor allem im letzten Drittel zu einer richtig zähen Angelegenheit. Womit wir mal wieder bei einem altbekannten Problem angekommen wären: Bücher, die ihre Kraft hauptsächlich aus dem Innenleben ihrer Protagonisten schöpfen, lassen sich nun mal deutlich schwerer in das Medium Film transferieren.
Vielleicht wäre es gerade deswegen eine gute Idee gewesen, sich beim Einstieg in die Geschichte ein bisschen mehr Zeit zu nehmen. Von der engen Freundschaft, die sich in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts zwischen dem jungen Tôru (Ken'ichi Matsuyama), seinem Klassenkollegen Kizuki (Kengo Kora) und dessen Freundin Naoko (Rinko Kikuchi) entwickelt hat, bekommt man nämlich als Zuschauer leider viel zu wenig mit. Das ist deswegen ärgerlich, weil so der bereits nach wenigen Minuten im Film erfolgende Selbstmord Kizukis, über dessen Motiv nur spekuliert werden kann, nicht wirklich bleibende Spuren beim Zuschauer hinterlässt. Blöderweise ist genau dieser Selbstmord der entscheidende Plotpunkt des Films.Geschockt von dem Ereignis trennen sich die Wege Naokos und Tôru, nur um sich einige Zeit später wieder zu kreuzen. Doch während Tôru das Ereignis scheinbar gut verarbeitet hat und sich sein Leben nun vor allem um Musik und Frauen dreht, ist Naoko psychisch instabil und landet bereits wenig später in einem Sanatorium. Trotzdem versucht Tôru weiter zu ihr Kontakt zu halten, fühlt sich aber gleichzeitig zu der deutlich fröhlicheren Midori (Kiko Mizuhara) hingezogen.
Die beiden Hauptfiguren Tôru und Naoko sind das Hauptproblem des Films, wenn auch aus teils unterschiedlichen Gründen. Tôru, die Figur, die alles zusammenhält, ist derart langweilig und oberflächlich gezeichnet, dass man nur schwer Sympathie für ihn aufbringen kann. Geradezu apathisch stolpert er durch die Handlung und selbst seine erotischen Abenteuer absolviert er mit einer unglaublichen Leidenschaftslosigkeit. Natürlich, die innere Leere der Figuren ist eines der zentralen Motive des Films. Aber wenn unser Protagonist so hölzern daherkommt und nicht einmal ein klein wenig Charme versprüht, dann ist es wirklich kein Vergnügen, dessen Leere auch noch als Zuschauer beizuwohnen. Es fehlt einfach an Substanz hier, ein Kritikpunkt der sich durch den kompletten Film zieht.Bei Naoko ist das Problem etwas komplexer. Die Figur wirkt an sich deutlich interessanter, was auch der Tatsache zu verdanken ist, dass hier die bessere Schauspielerleistung abgeliefert wird (dass Rinko Kikuchi über reichlich Talent verfügt, wissen wir ja spätestens seit ihrem tollen Auftritt in "Babel"). Hier bekommt man dann auch die Emotionen geliefert, die man bei Tôru so schmerzlich vermisst. Doch je länger der Film dauert, desto mehr tritt auch diese Figur auf der Stelle. Spätestens in der zweiten Hälfte kommt der Film dann komplett zum Stillstand, da er und alle seine Protagonisten nun nur noch ein Thema zu kennen scheinen: Sexualität.
Genauer gesagt, Sexualität als Mittel gegen beziehungsweise Ausdruck von innerer Leere. So gibt es bald keinen Dialog mehr, der sich nicht um Sex dreht, denn das scheint das einzige zu sein, was unsere Protagonisten noch aus ihrem emotionalen Tiefschlaf wecken kann. Doch auch das wird ziemlich schnell nicht nur langweilig, da die Dialoge sich ständig zu wiederholen scheinen und der Sex ziemlich lieblos abgespult wird, sondern nimmt stellenweise auch noch richtig groteske Züge an. Spätestens wenn Naoko fluchend über eine Wiese läuft und sich lautstark darüber aufregt, das sie mal wieder nicht feucht wird, muss man sich als Zuschauer schon an den Kopf fassen.Geradezu lächerlich und trivial ist aber in der zweiten Hälfte vor allem der Strang rund um Tôru, der keinen Dialog mehr hinbekommt ohne nach spätestens einer Minute mit der Person gegenüber im Bett zu landen. Symbolik hin oder her, nach dem x-ten oberflächlichen Liebesabenteuer hat man dann einfach irgendwann genug, vor allem bei einem derart charismafreien Hauptdarsteller.
Das alles dürfte in der Romanvorlage von Haruki Murakami wohl deutlich besser funktionieren, schließlich hat man beim geschriebenen Wort effektivere Mittel und auch mehr Zeit um auf das Innenleben der Figuren einzugehen. Aber damit wollen wir die Filmemacher hier nicht in Schutz nehmen, denn trotz dieser Widrigkeiten hätte man all das doch viel besser hinbekommen können. Stattdessen funktioniert in "Naokos Lächeln" leider so gut wie gar nichts. Alles wirkt oberflächlich - auch die Einbettung der Geschichte in die Zeit der Studentenunruhen. Von denen bekommt man auch viel zu wenig mit um dem Film in dieser Hinsicht noch wohlwollend irgendeine interessante Botschaft unterstellen zu können.Lediglich ein Aspekt ist rundum gelungen, und das ist die Kameraarbeit von Ping Bin Lee, der ein tolles Auge für die zahlreichen interessanten Locations beweist und den Film zumindest phasenweise zu einem optischen Genuss macht. Aber das ist dann im Endeffekt auch nur ein bisschen Zuckerguss auf eine insgesamt leider wirklich misslungene Literaturverfilmung.

Bilder: Copyright

Schade, ich hätte mich wirklich über eine gelungene Verfilmung eines Buches meines Lieblingsautors gefreut. Aber irgendwie habe ich das geahnt. In jedem Falle eine gute Rezension.

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@Bastian Dann solltest du dir vielleicht tony takitani ansehen. Den fand ich sehr gut.

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